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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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versprechen! Sie werden es mir versprechen!» Léon schüttelte den Arm, an dem
er sich verbissen festhielt.
    Der Herzog
seufzte. «Schön: ich verspreche es dir. Nun sag mir aber, wo ich deinen Bruder
finden kann, Kind.»
    «Nein!
Nein! Sie – er – Ich sag's Ihnen nicht!»
    Die
haselbraunen Augen wurden hart. «Ich habe schon viele deiner Launen geduldig
ertragen, Léon, aber deinen Trotz lasse ich mir nicht bieten. Antworte mir auf
der Stelle.»
    «Ich
getraue mich's nicht! Oh, bitte, bitte, zwingen Sie mich nicht dazu! Ich – ich
will ja gar nicht trotzig sein. Aber vielleicht tut es Jean bereits leid,
daß – daß er mich weggab, und – und er wird versuchen, mich Ihnen wieder
herauszulocken!» Diesmal zupfte er an des Herzogs Ärmel, und Avon entfernte
abermals die verzweifelten Finger.
    «Glaubst du
denn, Jean vermöchte dich mir herauszulocken?» fragte er.
    «N-nein –
ich weiß nicht. Ich dachte, Sie seien vielleicht deshalb böse, weil ich
eingeschlafen bin, und – und ...»
    «Ich habe
dir bereits mitgeteilt, daß dies nicht der Fall ist. Bemühe dich doch, ein
bißchen Vernunft anzunehmen. Und beantworte meine Frage.»
    «Ja,
Monseigneur. Es – es tut mir leid. Jean – Jean wohnt in der Rue Sainte-Marie.
Dort gibt es nur eine einzige Kneipe – 'Zur Armbrust'. Oh, was werden Sie tun,
Monseigneur?»
    «Nichts,
was zu Aufregung Anlaß geben könnte, versichere ich dir. Trockne deine Tränen.»
    Léon
durchsuchte fieberhaft seine zahlreichen Taschen.
    «Ich – ich
habe mein Taschentuch verloren», sagte er, um Verzeihung heischend.
    «Ja, du
bist noch ein richtiges Kind, nicht wahr?» bemerkte Seine Gnaden. «Da muß ich
dir wohl meines borgen.»
    Léon nahm
das feine Spitzentuch aus des Herzogs Hand, schneuzte sich hinein und gab es
ihm dann zurück. Der Herzog faßte es vorsichtig an und beäugte das zerknüllte
Ding durch sein Lorgnon.
    «Danke»,
sagte er. «Gründlich bist du, das muß man dir lassen. Ich glaube, es wäre
besser, wenn du es nun behieltest.»
    Léon
versenkte es strahlend in seine Tasche.
    «Ja,
Monseigneur», sagte er. «Jetzt bin ich wieder glücklich.»
    «Da bin ich
aber froh», sagte der Herzog und stand auf. «Heute vormittag brauche ich dich
nicht mehr.» Er ging, und eine halbe Stunde später saß er bereits in seiner
Kutsche, um in die Rue Sainte-Marie zu fahren.
    Es war eine
sehr enge Gasse, zu beiden Seiten von aller Art Abfall gesäumt; die meist
baufälligen Häuser hatten vom ersten Stockwerk an vorspringende Fronten. Kaum
eines von ihnen besaß intakte Fenster; wo die Scheiben nicht gerade fehlten,
waren sie zersprungen, und wo Vorhänge hingen, waren sie zerfetzt und
schmutzig. Ein halbes Dutzend kaum bekleideter Kinder spielte mitten auf der
Straße und stob nach rechts und links, als die Kutsche auftauchte; auf dem
Gehsteig stehend, verfolgten sie die Fahrt der schönen Equipage mit erstaunten
Augen und aufgeregten Kommentaren.
    Die Taverne
«Zur Armbrust» lag ungefähr in der Mitte der Elendsstraße; aus ihrer
geöffneten Tür drang Küchengeruch und ein Schwall üblen Wassers, das achtlos in
die Gosse geschüttet wurde. Die Kutsche hielt vor dem Haus, und einer der
Lakaien sprang ab, um den Schlag für den Herzog zu öffnen. Dieser zeigte sich
unerschüttert und verriet nur durch ein leichtes Senken des Kinns seine
Emotionen.
    Er stieg
langsam aus der Kutsche, das Taschentuch vor der Nase. Sorgfältig bahnte er
sich seinen Weg durch den Schmutz und die Abfälle zur Kneipentür und betrat
einen Raum, der Küche und Schankzimmer in einem zu sein schien. Ein schmieriges
Weib beugte sich, einen Kochtopf in der Hand, über den Herd, der in einer Ecke
stand; hinter der Theke gegenüber der Tür hielt sich der Mann auf, der vor
einem Monat Léon dem Herzog verkauft hatte.
    Er riß den
Mund auf, als er Avon eintreten sah, ohne ihn im ersten Augenblick zu erkennen.
Unter vielen Bücklingen und sich die Hände reibend trat er näher und wünschte
zu erfahren, womit er Monseigneur zu Diensten sein könne.
    «Ich
glaube, Er kennt mich», sagte Seine Gnaden sanft.
    Bonnard
glotzte ihn an, und plötzlich weiteten sich seine Augen und sein Gesicht nahm
eine grüngraue Farbe an.
    «Léon!
Milor' – ich ...»
    «Eben
deswegen komme ich. Ich möchte privat ein paar Worte mit Ihm reden.»
    Der Mann
blickte ihn furchtsam an, seine Zunge schob sich zwischen die Zähne. «Ich
schwöre bei Gott ...»
    «Danke.
Privat, sagte ich.»
    Das Weib,
das offenen Mundes den Wortwechsel

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