Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
Vom Netzwerk:
um die wartenden Kutschen zu betrachten, und schlenderte
danach an den Palastdienern vorbei, von Léon auf den Fersen gefolgt, der noch
immer Mantel und Stock trug. Avon bedeutete ihm, beides einem aufwartenden
Lakaien zu reichen, und schritt sodann durch verschiedene Vorräume zum Marmorhof,
wo er sich bald in der Menge verlor. Léon folgte ihm, so gut er konnte, während
Avon mit Bekannten Grüße austauschte. Er hatte reichlich Gelegenheit, die
Umwelt auf sich einwirken zu lassen, doch die riesigen Dimensionen des Hofes
und dessen Pracht verwirrten ihn. Nach einer ihm endlos dünkenden Zeitspanne
entdeckte er, daß sie sich nicht mehr im Marmorhof befanden, sondern langsam
aber sicher nach links weiterstrebten. Nun standen sie vor einem großen
marmornen Treppenhaus mit reichen goldenen Verzierungen, in dem sich
Menschenströme dahinschlängelten. Avon begegnete einer sehr stark geschminkten
Dame, der er seinen Arm bot. Sie stiegen Seite an Seite die breite Treppe
hinan, überquerten an ihrem Ende den Vorraum und schritten durch mehrere
Gemächer, bis sie zum altehrwürdigen «Œil
de Bœuf» kamen. Heldenhaft kämpfte Léon seinen Impuls nieder, sich an Avons
fischbeingestrafften Rock zu klammern, und folgte ihm, so knapp er es wagte,
in einen Raum, neben dem alle bisher gesehenen zu einem Nichts verblaßten.
Unten hatte jemand gesagt, das Lever finde in der Spiegelgalerie, in der
Galerie des Glaces, statt, und Léon erkannte nun, daß sie in ihr weilten. Die
ausgedehnte Galerie erschien ihm, mit den unzähligen Kerzen in funkelnden Leuchtern
und den Tausenden in Seide rauschenden Damen und Herren, unendlich groß, bis er
entdeckte, daß die ganze eine Seite mit riesigen Spiegeln bedeckt war. Ihnen
gegenüber befanden sich ebenso viele Fenster; er versuchte sie zu zählen, ließ
aber dann verzweifelt davon ab, denn zeitweise störten Gruppen von Menschen
seine Berechnung. Das Gemach war dumpfig, jedoch kalt; zwei große Aubussonteppiche
bedeckten den Boden. In Anbetracht der vielen Leute schienen Léon nur sehr
wenige Stühle vorhanden zu sein. Der Herzog machte nach links und rechts
Verbeugungen und blieb manchmal stehen, um mit einem Freund einige Worte zu
wechseln, doch dabei arbeitete er sich ständig zum Ende der Galerie durch. Als
sie sich dem Kamin näherten, wurde die Menge schütterer, und endlich vermochte
Léon mehr zu erblicken als nur die Schultern des Vordermanns. Ein untersetzter
Herr in voller Gala und mit Orden reich geschmückt saß neben dem Feuer in einem
vergoldeten Stuhl, viele Kavaliere umringten ihn, und eine schöne Dame saß an
seiner Seite. Die Perücke des Herrn machte einen nahezu grotesken Eindruck, so
groß waren die Lockenrollen, die sie zierten. Sein Rock war aus rosa Satin und
mit goldenen Tressen eingefaßt, allenthalben blitzten Juwelen auf, ein
diamantenbesetzter Degen hing an sei ner Seite, und auf seinem vollen,
geschminkten Gesicht prangten einige Schönheitspflästerchen.
    Avon wandte
sich zu seinem Pagen um und lächelte leicht, als er dessen erstaunten Ausdruck
wahrnahm.
    «Nun hast
du den König gesehen. Erwarte mich dort drüben.» Er deutete auf eine Türnische,
und Léon zog sich mit dem Gefühl zurück, seine einzige Zuflucht und Stütze in
diesem weiten Raum habe ihn verlassen.
    Der Herzog
brachte Ludwig dem Fünfzehnten seine Huldigung dar, ebenso der blassen Königin an
seiner Seite, verweilte noch einige Minuten, um mit dem Dauphin zu sprechen,
und bewegte sich dann in lässiger Haltung auf Armand de Saint-Vire zu, der dem
gegenwärtigen Gefolge des Königs zugeteilt war.
    Armand
umfaßte seine Hände in herzlichem Willkommen.
    «Mon
Dien, wie
wohltuend, wieder einmal dein Gesicht zu sehen, Justin! Ich wußte gar nicht,
daß du in Paris weilst. Seit wann bist du wieder zurück, mon cher?»
    «Seit fast
zwei Monaten. Ja, dies ist eine recht ermüdende Angelegenheit. Ich bin schon durstig,
doch es ist wohl ausgeschlossen, hier zu einem Glas Burgunder zu gelangen?»
    Armands
Augen blitzten mitfühlend auf.
    «In der
Salle de Guerre!» flüsterte er. «Gehen wir zusammen hin. Nein, warte noch, mon
ami, die Pompadour hat dich eräugt. Ach, dieses Lächeln! Welch ein Glück
winkt dir da!»
    «Man könnte
es auch anders nennen», sagte Avon, doch er trat auf die Mätresse des Königs zu
und verneigte sich fast bis zum Boden, als er ihr die Hand küßte. Er verweilte
an ihrer Seite, bis der Comte de Stainville ihr seine Aufwartung machte und es
ihm gelang, seine Flucht

Weitere Kostenlose Bücher