Georgette Heyer
Monseigneur.»
«Das kann
man wohl sagen. Schläfst du stets wie erschlagen?»
«N-nein. Das heißt – ich
weiß es nicht, Monseigneur. Ich wurde in meiner vollen Kleidung zu Bett
gebracht.»
«Ja, das
war ich. Nachdem ich zehn Minuten mit dem Versuch vergeudet hatte, dich
aufzuwecken, glaubte ich, es wäre noch das einfachste, dich ins Bett zu tragen.
Keine reine Freude, mein Kind.»
«Das tut
mir schrecklich leid, Monseigneur; Sie hätten mich mit Gewalt aufwecken
sollen.»
«Wenn du
mir mitteilst, auf welche Weise dies zu bewerkstelligen ist, werde ich es bei
nächster Gelegenheit tun. Hugh, wenn du schon blutiges Rindfleisch essen mußt,
schwinge es bitte nicht gerade zu dieser Stunde in mein Gesicht.»
Davenant,
dessen Gabel noch immer mittwegs zwischen Teller und Mund schwebte, lachte und
fuhr im Essen fort.
Justin
begann die Briefe zu sortieren, die neben seinem Teller lagen. Einige warf er
weg, andere ließ er in seine Tasche gleiten. Einer, der mehrere Blätter
umfaßte, war aus England eingetroffen. Er faltete sie auseinander und begann
das Gekritzel zu entziffern.
«Von
Fanny», sagte er. «Rupert scheint doch noch nicht eingesperrt worden zu sein.
Er schmachtet zu Mrs. Carsbys Füßen. Als ich ihn letztesmal sah, war er wie
toll in Julia Falkner verschossen. Er fällt von einem Extrem ins andere.» Er
wandte die Seite um. «Nein, wie interessant! Der liebe Edward hat Fanny eine
schokoladenfarbene Kutsche mit hellblauen Kissen geschenkt. Weizenblondes Haar
hebt sich von Blau besonders gut ab.» Er hielt das Blatt in Armeslänge von
sich. «So mercwürdig es klingt, aber Fanny hat zweifellos recht. Endlos lang
bin ich nicht mehr in England gewesen – Oh, bitte um Entschuldigung! Du wirst
mit Freuden vernehmen, mein lieber Hugh, daß der Weizen in England gedeiht wie
eh und je. Das Blau der Kutschenräder hebt sich gut von ihm ab. Ballentor hat
schon wieder einmal ein Duell ausgefochten, und Fanny hat neulich fünfzig
Guineen beim Spiel gewonnen. John weilt auf dem Lande, weil ihm die Stadtluft
nicht gut anschlägt. Ist nun John ihr Schoßhund oder ihr Papagei?»
«Ihr Sohn»,
sagte Davenant.
«Oh,
wirklich? Ja, ich glaube, du hast recht. Was weiter? Wenn es mir gelingt, ihr
einen französischen Koch aufzutreiben, schwört sie, mich mehr denn je zu
lieben. Léon, sage Walker, er soll nach einem französischen Koch suchen. – Sie
wünscht mich zu besuchen, wie ich es ihr vorzeiten vorgeschlagen habe – wie
voreilig von mir! –, doch es ist leider ausgeschlossen, da sie ihren süßen
Edward nicht allein lassen kann und fürchtet, er würde ihr nicht in meine
Stallwohnung folgen. Meine Stallwohnung! Nicht sehr höflich von Fanny. Muß sie
mir einmal ernstlich vornehmen.»
«Stadtwohnung»,
schlug Hugh vor.
«Wieder
einmal hast du recht. Stadtwohnung soll's wohl heißen. Der Rest dieser fesselnden
Mitteilungen betrifft Fannys Toiletten. Will's später lesen. Oh, du bist
fertig?»
«Fertig und
schon fort», erwiderte Davenant, indem er aufstand. «Ich reite mit d'Anvau aus.
Auf Wiedersehen.» Er ging.
Avon
stützte die Arme auf den Tisch und das Kinn auf die verschräncten Hände. «Léon,
wo wohnt dein liebenswerter Bruder?»
Léon schrak
zusammen und trat einen Schritt zurück.
«Mein –
Monseigneur?»
«Wo
befindet sich seine Kneipe?»
Léon brach
plötzlich neben Avons Stuhl in die Knie und klammerte sich verzweifelt an des
Herzogs Ärmel. Er wandte sein bleiches und angstverzerrtes Antlitz zu ihm
empor, seine großen Augen schwammen in Tränen.
«O nein,
nein, nein, Monseigneur! Sie werden mich doch nicht – O bitte, tun Sie's nicht!
Ich – ich will nie wieder einschlafen! Bitte, bitte, vergeben Sie mir!
Monseigneur! Monseigneur!»
Mit
hochgezogenen Brauen starrte Avon auf ihn nieder. Léon hatte die Stirn an den
Arm seines Herrn gepreßt, sein Leib warf sich in unterdrücktem Schluchzen hin
und her.
«Du
versetzest mich in Bestürzung», klagte der Herzog. «Was soll ich denn nicht
tun, und warum willst du nie wieder einschlafen?»
«Geben –
geben Sie mich nicht Jean zurück!» flehte Léon und klammerte sich noch fester
an ihn. «Versprechen Sie's mir, versprechen Sie's!»
Avon löste die in seinen
Ärmel verkrallten Finger.
«Mein
lieber Léon, ich richte die inständige Bitte an dich, diesen Rock nicht mit
deinen Tränen zu ruinieren. Ich habe nicht die Absicht, dich Jean, oder wem
sonst immer, zu geben. Steh auf und mache nicht einen Narren aus dir.»
«Sie müssen
es
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