Georgette Heyer
Geist erfüllte es; sie zog die
schweren Vorhänge zurück und verbannte die massiven Wandschirme in die
Rumpelkammer. Fenster wurden aufgerissen, um die Wintersonne einzulassen, und
so verschwand allmählich die drückende Feierlichkeit. Léonie zeigte nicht ein
Quentchen von dem Geiste nüchternen Ordnungssinnes, der sonst hier zu herrschen
pflegte. Sie brachte die steifen Kissen durcheinander, rückte die Stühle von
ihrem Platz und ließ Bücher auf Ziertischen liegen, ohne der schockierten Proteste
Madam Fields zu achten. Justin ließ sie frei schalten und walten; es belustigte
ihn, diesen Wirbelwind zu beobachten, und er hörte sie mit Vergnügen den
ausdruckslos dreinblickenden Lakaien Befehle erteilen. Das Befehlen lag ihr
sichtlich; mochte das, was sie verlangte, auch manchmal ungewöhnlich sein,
ließ sie es doch nie an gutem Tone mangeln.
Bald wurden
ihre Kenntnisse einer Prüfung unterzogen. So sagte Avon eines Tages plötzlich: «Nehmen wir
an, Léonie, ich sei die Herzogin von Queensberry, und du wurdest
mir eben vorgestellt. Zeige mir, wie du knicksen würdest.»
«Aber Sie
können doch keine Herzogin sein, Monseigneur», wandte sie ein.
«Das ist ja lächerlich! Sie sehen nicht wie eine Herzogin aus!
Nehmen wir
an, Sie seien der Herzog von Queensberry.»
«Die
Herzogin. Zeige mir deinen Knicks.»
Léonie sank
tiefer und tiefer.
«So wie
jetzt: tief, jedoch nicht so tief wie vor der Königin. Das ist doch ein
recht guter Knicks, n'est-ce pas?»
«Wir wollen
hoffen, daß du nicht die ganze Zeit dabei redest», sagte Seine
Gnaden. «Breite deine Röcke aus und halte den Fächer nicht so wie jetzt. Noch
einmal.»
Léonie
gehorchte demütig.
«Es ist
furchtbar schwer, sich alles zu merken», klagte sie. «Nun lassen Sie uns
doch Piquet spielen, Monseigneur.»
«Sofort.
Knickse jetzt vor – Mr. Davenant.»
Königlich
ließ sie ihre Röcke rauschen und streckte hoch erhobenen Hauptes
ihre schmale Hand aus. Avon lächelte.
«Hugh wird
höchlichst erstaunt sein», bemerkte er. «Sehr gut, ma fille.
Nun knickse
vor mir.»
Darauf sank
sie geneigten Hauptes nieder und führte seine Hand an die Lippen.
«Nein mein
Kind.»
Sie erhob
sich.
«Ich tue es
eben in dieser Art. So gefällt es mir.»
«Dies ist
nicht korrekt. Nochmals, in der richtigen Tiefe. Früher hast du wie vor
dem König geknickst. Ich bin nur ein gewöhnlicher Sterblicher, merke
dir das.»
Léonie
suchte nach einer passenden Antwort.
«Quatsch!»
sagte sie schließlich undeutlich.
Seine
Gnaden erstarrte und seine Lippen preßten sich zusammen.
«Wie – bitte?»
«Quatsch»,
wiederholte Léonie unmißverständlich.
«Ich höre
es.» Seiner Gnaden Stimme war kalt.
«Rachel
sagte so», erdreistete sich Léonie mit einem scheuen Blick auf ihn. «Lady
Fannys Mädchen, wissen Sie. Das gefällt Ihnen nicht?»
«Nein. Ich
wäre dir zu Dank verbunden, wenn du davon Abstand nähmest,
Lady Fannys Mädchen als Vorbild für deine Konversation zu wählen.»
«Ja,
Monseigneur. Bitte, was heißt es denn?»
«Keine
Ahnung. Es ist ein vulgärer Ausdruck. Es gibt viele Sünden, ma
belle, jedoch nur
eine, die nicht zu vergeben ist. Und das ist Vulgarität.»
«Ich will's
nicht wieder sagen», versprach Léonie. «Statt dessen will ich – tiens, wie heißt es doch gleich? – Larifari sagen.»
«Ich bitte
dich, auch hiervon abzusehen, ma fille. Wenn du schon durchaus in
Kraftausdrücken schwelgen willst, beschränke dich auf 'Herrje' oder auch
einfach 'O weh!'»
«O weh? Ja,
das ist nett. Das gefällt mir. Obgleich mir 'Quatsch' immer noch am besten
behagt. Monseigneur ist doch nicht zornig?»
«Ich bin nie zornig», erwiderte
Avon.
Ein
andermal focht er mit ihr, und dies gefiel ihr am allermeisten. Sie legte für
diesen Zeitvertreib Hemd und Hose an und entfaltete keine geringen Fähigkeiten
in der Fechtkunst. Sie hatte einen schnellen Blick und ein geschmeidiges
Handgelenk und beherrschte sehr bald die Grundelemente dieser männlichen
Übung. Der Herzog galt als einer der ersten Fechter seiner Zeit, doch Léonie
brachte dies keineswegs aus der Fassung. Er unterwies sie in der italienischen
Manier und zeigte ihr eine Menge kunstreiche Ausfälle, die er im Ausland
erlernt hatte. Sie versuchte sich in einem davon, und da Seiner Gnaden Deckung
in diesem Augenblick etwas nachlässig war, durchbrach sie sie. Die abgeschützte
Spitze ihres Floretts berührte ihn unterhalb der linken Schulter.
«Touché», sagte Avon. «Das
war schon
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