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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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sein»,
erwiderte Merivale grimmig.
    «M'sieur»,
entgegnete Léonie mit großer Würde, «es ist nicht klug, mir gegenüber
solcherart von Monseigneur zu sprechen. Er ist der einzige Mensch auf Erden,
der sich meiner annimmt. Und so werde ich niemanden anhören, der mich vor ihm
zu warnen versucht, verstehen Sie. Da werde ich innerlich ganz heiß und
zornig.»
    «Mademoiselle»,
sagte Merivale, «ich bitte Sie kniefällig um Entschuldigung.»
    «Danke,
M'sieur», erwiderte sie ernst.
    Danach kam
sie oft zu Besuch nach Merivale, und einmal aß sie dort auch mit Madam Field zu
Abend, der die gespannten Verhältnisse zwischen Avon und Merivale unbekannt
waren.
    Vierzehn
Tage verstrichen, ohne daß eine Nachricht von Justin eingetroffen wäre, doch
dann fuhr in Merivale eine hoch mit Gepäck beladene Reisekutsche vor, der ein
schlanker junger Stutzer entstieg. Jennifer empfing ihn; lachend streckte sie
ihm beide Hände entgegen.
    «Sieh da,
Rupert! Bleiben Sie bei uns?»
    Er küßte
ihr die Hände und dann die Wange.
    «Hol mich
der Teufel, Jenny, Sie werden immer hübscher, meiner Seel! Himmel, da kommt
Anthony! Hoffentlich hat er uns nicht ertappt!»
    Merivale
ergriff seine Hand.
    «An einem
dieser Tage werde ich dir eine Lektion erteilen», drohte er. «Was soll dies? Du
hast Gepäck für drei Leute bei dir?»
    «Gepäck?
Unsinn, Mensch! Sind doch nur ein paar Kleinigkeiten, auf Ehre! Man muß doch
was am Leibe haben, weißt du, man muß was am Leibe haben. Anthony, was soll all
der Klimbim heißen, den man um Justin macht? Fanny tut verteufelt
geheimnisvoll, aber die ganze Stadt spricht davon, daß er ein Mädel adoptiert
hat! Ich laß mich hängen, wenn nicht ...» Er brach ab, sich Jennifers Anwesenheit
erinnernd. «Bin hierhergekommen, um mich mit eigenen Augen zu überzeugen. Weiß
der Himmel, wo Justin ist! Ich weiß es jedenfalls nicht.» Er faßte Merivale
scharf ins Auge, während sein Gesicht einen bestürzten Ausdruck annahm. «Er
ist doch nicht in Avon, nicht wahr?»
    «Beruhige
dich», sprach ihm Merivale zu. «Er ist nicht hier.»
    «Der Herr
sei gepriesen. Wer ist das Mädel?»
    «Ein hübsches
Kind», antwortete Merivale zurückhaltend.
    «Na, das
hätte ich mir denken können. Justin hatte immer einen guten Geschmack bei ...»
Abermals hielt er inne. «Donner und Doria, bitte um Entschuldigung, Jennifer!
Hab ganz vergessen! Verdammt unbedacht von mir!» Zerknirscht blickte er
Merivale an. «Ich muß doch immer danebenhauen, Tony. Bin ja doch ein rechter
Wirrkopf! Und wie wär's mit einem Fläschchen ...?»
    Merivale
führte ihn in die Bibliothek, ein Lakai brachte sogleich Wein herein. Rupert
ließ sich der Länge nach in einen Lehnstuhl sinken und machte einen tiefen Zug.
    «Aufrichtig
gesagt, Tony», gestand er vertraulich, «mir ist viel wohler zumute, wenn keine
Damen anwesend sind. Meine Zunge geht mir einfach durch, verflucht! Nicht daß
Jenny nicht ein verteufeltes Prachtweib wäre», fügte er eilends hinzu. «Ich
wundere mich wirklich, daß ihr mich in euer Haus aufnehmt. Bedenkt man, daß
mein Bruder mit Jenny durchbrannte ...» In komischer Verzweiflung schüttelte er
den Kopf.
    «Du bist
uns stets willkommen», lächelte Merivale. «Ich habe keine Angst, daß du Jenny
zu entführen versuchen willst.»
    «Beim
Himmel, nein! Möchte zwar nicht sagen, daß ich nicht da und dort den Weibern
schöne Augen gemacht hab – so etwas muß man einfach, weißt du. Das verlangt
die Ehre, Junge – aber einen richtigen Geschmack gewinn ich ihnen nicht ab,
Tony, aber schon gar nicht.» Er füllte sein Glas nach. «Komische Sache, wenn
man länger darüber nachdenkt. Da bin ich, ein Alastair, und kein einziger
Ehrenhandel hängt mir an. Manchmal kommt es mir vor», seufzte er, «als wär ich
kein richtiger Alastair. Kein einziger von uns allen ...»
    «Mich würde
nicht so sehr nach dem Laster verlangen, Rupert», meinte Merivale trocken.
    «Oh, ich
weiß nicht! Da ist nun Justin, und wo immer er ist, findet sich irgendein
Frauenzimmer ein. Ich will ja nichts gegen ihn sagen, versteh mich recht, aber
übermäßig lieben wir einander nicht gerade. Ein Ding muß ich ihm jedoch zugute
halten: er ist kein Geizhals. Du wirst's mir nicht glauben, Tony, aber seit er
zu diesem Vermögen gekommen ist, bin ich kein einziges Mal in Schuldhaft
gesessen.» Von einigem Stolz geschwellt, blickte er auf. «Kein einziges Mal.»
    «Phantastisch»,
bestätigte Merivale. «Und bist du wirklich hergekommen, um Léonie zu

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