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Gepaeckschein 666

Gepaeckschein 666

Titel: Gepaeckschein 666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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der Paddelbootanzeige.“
    „Pagen gesucht?“
    Mutter Pfannroth nickte und las den Text vor.
    „Jungen im Alter von 14 bis 15 Jahren, die Umgangsformen besitzen und in der Hotelbranche eine erstklassige Ausbildung erhalten wollen, werden als Pagen in Lehre genommen. Persönliche Bewerbung täglich von elf bis dreizehn Uhr bei der Direktion des ,ATLANTIC-Hotels’.“
    Peter sah seine Mutter an. Dann las er selbst die Anzeige, ebenfalls laut. Als er damit fertig war, saß Frau Pfannroth bereits hinter der Nähmaschine, um das Schubertsche Konfirmationskleid zusammenzuschneidern.
    „Woher hast du das?“ fragte Peter und hockte sich wie ein Beduine vor der Nähmaschine auf den Kokosteppich. Da Frau Pfannroth eigentlich immer hinter ihrer Nähmaschine saß, war das für Peter die übliche Art, sich mit seiner Mutter zu unterhalten.
    „Zufall. Frau Sauerbier hat mir den Blumenkohl darin eingepackt. Und als ich es wegwerfen wollte, sprang es mir plötzlich in die Augen: Pagen gesucht!“
    „Da ist ja von Umgangsformen die Rede“, meinte Peter bedenklich.
    „Dank deiner Mutter hast du welche.“
    „Hotel ATLANTIC - das ist doch der riesige Steinkasten an der Alster, nicht wahr?“
    „So ziemlich das vornehmste und beste Hotel überhaupt, mit einer Unmenge Zimmer und bestimmt alle mit Balkon und dicken Teppichen.“ Mutter Pfannroth saß mit gebeugtem Rücken und trat ihre Nähmaschine wie ein Fahrrad.
    „Bis Weihnachten muß ich das Geld für einen Motor zusammen haben“, dachte Peter. „Ich kann das einfach nicht mehr mit ansehen.“
    „Pagen in großen Hotels haben richtige Uniformen mit goldenen Knöpfen. Du würdest aussehen wie ein Eisprinz oder so was Ähnliches.“
    „Ja - meinst du wirklich, daß ich —?“
    Das Geräusch der Nähmaschine verstummte, und Mutter Pfannroth lehnte sich zurück. „Ich meine, daß du jetzt in das Alter kommst, in dem man einen richtigen Beruf ergreifen muß. Deine Schuhputzerei war schön und gut. Du hast uns damit auch viel geholfen. Aber das ist keine Grundlage für ein ganzes Leben.“
    „Und wenn ich es aufgebe? Lehrlinge bekommen so ziemlich überall im Monat höchstens zwanzig oder fünfundzwanzig Mark. Das wird in einem Hotel nicht anders sein. Wenn es noch so groß und vornehm ist.“
    „Damit habe ich gerechnet. Wir werden uns eben noch mehr einschränken, und ich muß vielleicht jeden Abend noch eine Stunde länger arbeiten als bisher. Aber das geht halt nicht anders. Wenn dein Vater noch leben würde, hätten wir dich auf irgendeine Schule schicken können. Allein schaffe ich das nicht. Aber das kriegen wir noch hin, daß du einen Beruf erlernen kannst, der dir Freude macht und in dem du es einmal zu etwas bringen kannst.“
    „Aber Mutter, ich laß dich doch nicht allein das ganze Geld verdienen. Und um dir dabei zuzusehen, zieh’ ich mir dann noch eine Uniform mit lauter Goldknöpfen an. Soweit kommt das.“
    „Papperlapapp“, sagte Frau Pfannroth nur und fing wieder an, ihre Nähmaschine zu treten. Ihre Augen waren plötzlich ganz feucht. „Hoffentlich merkt der Junge nichts“, dachte sie.
    Peter sah vor sich hin. Eigentlich hatte seine Mutter recht. Aber so, wie sie es sich dachte, ging es eben nicht. Noch länger arbeiten müssen, als sie dies bisher schon getan hat - und das alles nur für den Herrn Sohn. Peter war es zum Heulen zumute. Er senkte schnell den Kopf. „Hoffentlich merkt sie nichts“, dachte er.
    „Hättest du denn Lust, in so einem Hotel zu arbeiten?“ fragte Frau Pfannroth.
    „Wir haben ja schon mal darüber gesprochen“, meinte Peter.
    „Buchhalter oder Büro, das willst du doch nicht, andererseits bist du nicht gerade auf den Mund gefallen. Die vielen Menschen stören dich also nicht. Im Gegenteil, das macht dir sogar Spaß, wie ich dich kenne. Nach dem Pagen kommt dann später der Oberkellner oder sogar der Portier oder Empfangschef. So ein bißchen weiß ich, wie es in diesen Hotels zugeht. Und am Ende - wenn du Glück hast - machst du selbst irgend etwas auf. Na, ist das nichts?“ Frau Pfannroth kam hinter ihrer Nähmaschine hervor. „Du kannst dir mal das Konfirmationskleid überziehen, dann seh’ ich schon das Gröbste. Die junge Schubert hat fast die gleiche Figur.“
    Fünf Minuten später stand Peter in dem blütenweißen Schubertschen Konfirmationskleid auf einem Stuhl mitten im Zimmer, und Frau Pfannroth steckte die Rocklänge ab. „Was denken Sie, junge Dame?“ fragte sie.
    „Was wohl der Sheriff oder die

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