Gerade noch ein Patt
wollte, von dem sie abstammten.
Er benutzte Flugkarten, die Genifer besorgt hatte, und flog mit einem Can-American-Kurzstreckenflug zum Balt-Wash-Flughafen. Wie die Urlaubsgenehmigung waren auch die im voraus bezahlten Flugkarten vollendete Tatsachen. Genifers Stil. Sie wußte, daß er einen Armeetransporter nach Andrews vorgezogen hätte, und auch, daß er den Flug mit dem Armeetransporter nicht trotzdem arrangieren und sich das Geld für die Flugkarten nicht ausbezahlen lassen würde. Sie kannten einander zu gut, weshalb er auch sicher war, daß sie ihn beim Verlassen der Maschine in Empfang nehmen würde.
Was sie auch tat.
Er sah sie inmitten der Traube von Leuten vor der Sicherheitsschranke. Ihr Haar konnte er gar nicht übersehen. Sie hatte dasselbe rabenschwarze Haar wie er, obwohl sie es viel länger trug, und sie trug immer noch die graue Strähne, die sie sich in ihrer rebellischen Phase nach dem Tod ihrer Mutter gefärbt hatte. Der Anblick weckte Erinnerungen.
Genifer war im ersten Jahr nach dem Tod ihrer Mutter in der Nacht des Zorns im Jahre '39 kaum zu ertragen gewesen. Sie hatten bei ihren Großeltern gewohnt, seit ihr Vater seine Familie verlassen hatte. Doch mit Moms Tod änderten sich die Dinge. Großmutter war an Genifers oft beschworener Absicht, die Schule hinzuwerfen und auf der Straße zu leben, sobald sie volljährig war, fast verzweifelt und war nicht müde geworden, immer wieder zu versichern, daß Genifer sie noch ins Grab bringen würde. Großvater hatte bei derartigen Gewittern immer nur schweigend genickt, wenngleich er Tom einmal im Vertrauen gestanden hatte, er glaube, daß Genifer einfach nur den Tod ihrer Mutter etwas zu schwer nahm. Großvater hatte nicht viel übrig für die Hysterie der weiblichen Familienmitglieder. »Genifer hat etwas vom Blut ihres Vaters«, hatte der alte Mann gesagt. »Und dieses Blut wird sich bemerkbar machen.« Aber der General hatte sich geirrt - natürlich nicht in bezug auf ihre Abstammung, sondern hinsichtlich des zwangsläufigen Resultats. Weder in Genifer noch in Tom hatte sich je das Blut ihres Vaters bemerkbar gemacht. Sie blieben Un-Verwandelte, normale Leute.
Vor der Verwandlung hatte sich Tom jahrelang gefürchtet. Sein Vater war ein Ork geworden, und seine Mutter wäre fast daran gestorben. Die Verwandlung hatte die Ehe ihrer Eltern zerstört. Glücklicherweise hatten Toms Großeltern seine Mutter und ihre Kinder aufgenommen, und so war Tom in einer guten, intakten Familie aufgewachsen — was nicht Matthew Walkers, seines Vaters, Verdienst war. Der betrunkene Ork war an Toms elftem Geburtstag aufgetaucht und hatte Toms Glauben zerstört, sein Vater sei tot. Für Tom war das der Beginn von elf Jahren voller Alpträume gewesen, da er auf seine Goblinisierung wartete. Erst, als er ein Jahr älter war als Matthew bei seiner Goblinisierung,. war Tom sicher gewesen, daß ihm dieses Schicksal erspart bleiben würde. Dafür dankte er seitdem, seit fast fünfzehn Jahren, jeden Tag dem Herrgott. Er mochte immer noch keine Orks - geschweige denn seinen Vater.
Doch alte Alpträume waren an einem schönen, heißen Sommertag unangebracht. Er sah, wie sich Ge-nifers Miene aufhellte, als sie ihn inmitten der anderen Passagiere ausmachte. Er setzte ein Lächeln für sie auf.
»Hallo, Tommy.«
Die noch aus ihrer Kindheit stammende Koseform seines Namens ließ er ihr durchgehen. Sie haßte jede Koseform ihres Namens, also benutzte Tom nur dann eine, wenn er sie wütend machen wollte. Dies war dafür weder die richtige Zeit noch der richtige Ort.
»Es ist lange her, Genifer.«
»Zu lange, Tom.«
Sie wirkte zögerlich und unsicher. Er kam zu dem Schluß, daß sie etwas brauchten, was das Eis brach. »Du siehst gut aus - für eine ältere Schwester, meine ich.«
»Was weißt du schon davon, Soldatenbubi?« fragte sie, indem sie seinen neckenden Tonfall aufnahm. »Wie ich höre, denkt euresgleichen, alles mit der richtigen Ausstattung sieht gut aus.«
»Du hast den falschen Leuten zugehört. Ich habe einigen Scharfblick, weißt du. Kannst du die Uniform sehen?«
»Ich sehe sie.«
»Ja? Wie kannst du mich dann mit der Marine verwechseln?«
Sie runzelte in gespieltem Ärger die Stirn und versuchte ihm einen Schlag auf die Schulter zu verpassen. Er wich ihm aus und umarmte sie ganz fest. Sie erwiderte die Umarmimg. Ungeachtet seines Scherzes sah sie tatsächlich gut aus, und er war froh, daß sie gekommen war, um ihn abzuholen. Vielleicht war er
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