Geraeuschkiller - Mutige Liebe
oder grün, wenn sie
den Tränen nahe war. Er senkte rasch die Lider und nickte.
Niemand
hatte ein so feines Gehör wie Clara. Er bewunderte sie dafür. Geräusche und
Töne machten sie neugierig und faszinierten sie. Und jedes neu entdeckte
Geräusch ahmte sie mit dem Mund so lange nach, bis sie es naturgetreu
wiedergeben konnte.
Anfangs
hatte er das crazy gefunden, denn es sah irgendwie schräg aus, wie sie die
Laute und Klänge mit den Lippen formte. Dabei hat sie einen hübschen weichen
Mund, zum Verlieben, dachte er. Dass sie ein Saxophon, ein Klavier, ein
Schlagzeug oder meine Gitarre so nachmacht, dass ich sie nicht vom Original
unterscheiden kann, das ist genial – und, dass sie das bei jedem Instrument hinkriegt,
das ist megastark.
Mit einem
kleinen Aufnahmegerät sammelte sie sogar Klänge und Töne für ihr Tonarchiv.
»Geräusch-Safari« nannte sie das.
Sein
Blick streifte ihre Ohren. Zierlich und rund waren sie. Er mochte ihre Ohren,
besonders den winzigen runden Leberfleck auf ihrem rechten Ohrläppchen.
Irgendwann werde ich sie dort küssen, dachte er.
Clara
fing seinen Blick auf und lächelte. Pedro war der einzige, der ihre Welt
verstand, mit ihm fühlte sie sich geborgen. Sie steckte ihre schulterlangen
Locken mit einer sonnengelben Kralle nach hinten. Eine feine Strähne kringelte
sich unterhalb des Ohrläppchens, feucht vom Schwitzen. Pedro hätte sie ihr gern
in den Nacken geschoben, ganz sanft. Aber er traute sich nicht.
»Die Tiere
sind unter sich«, flüsterte Clara. »Hörst du, sie unterhalten sich.«
Er horchte.
Sie hatte Recht. Die Affen schienen miteinander zu plaudern. Es war ein Murmeln
und Raunen und Wispern. Es klang entspannt, nicht wie das aufgeregte Geschrei,
wenn der Tierpark voll war von Besuchern. Sie schlenderten an dem kleinen Bach
entlang, der sich durch den Zoo schlängelte. Yobo, der Braunbär, kam
verschlafen aus seinem Bau gekrochen, tappte bedächtig zum Bach und fischte mit
geschicktem Prankenschlag eine Forelle aus dem Wasser.
»Ich
glaube, sie erholen sich«, sagte Pedro leise. »Es stresst sie bestimmt, wenn so
viele Leute sie anstarren.«
Die
Elefanten rollten mit ihren Rüsseln Heu zu ordentlichen kleinen Bündeln
zusammen und stopften sie sich ins Maul. Numbi, das Elefantenbaby blies mit
seinem Rüsselchen immerzu in eine Pfütze und beobachtete neugierig, wie das
Wasser dabei Blasen schlug. Chandra, die Elefantenmutter stand dicht bei ihm und wachte
darüber, dass keiner ihrem Jungen zu nahe kam.
Allmählich
brach die Dämmerung herein. Die Tiere legten sich schlafen. Es wurde still im
Zoo. Über den Bäumen stieg der Mond auf. Vollmond. Keine Wolke verdeckte den
Sternenhimmel. Die Taschenlampe brauchten sie jetzt nicht.
»Komm zum
Affenhaus!«, flüsterte Clara.
Sie
huschten über die mondbeschienenen Wege hinüber zu dem orientalisch
verschnörkelten Haus. Die Schimpansen schliefen eng aneinander geschmiegt in
einer Ecke des Käfigs. Eine Schimpansin hielt ihr Junges zärtlich in den Armen.
Clara und
Pedro setzten sich auf die Bank vor dem Affenhaus und lauschten in die Nacht.
Sie hörten, wie die Tiere in der Stille atmeten und sich räusperten, wie sie
sich kratzten und räkelten. Wie sie mit einem Seufzen aufwachten, schlaftrunken
zum Trog tappten und Wasser schlürften.
Sie
schlichen sich an das Gehege der Auerochsen heran, die mit einem gleichmäßigen
Malmen wiederkäuten und angenehm nach Heu rochen. Mit jedem Laut wurden ihnen
die Tiere vertrauter, wie ein guter Freund, mit dem man ein paar Tage zeltet
und dessen Atemzüge man nachts belauscht.
Jeder Laut
verriet ihnen eine Geschichte.
Wenn der
Gepard im Schlaf stöhnte, als streifte er im Traum durch die Savanne, wenn der
Löwe im Schlaf gähnte und ächzte, als langweilte er sich fürchterlich in dieser
Welt hinter Gittern.
»Lass uns
zum Panther gehen«, sagte Clara leise.
Auf dem Weg
dorthin kamen sie am kleinen See vorbei. Im schwarzen Wasser spiegelte sich der
Mond. Sie setzten sich auf die Kieselsteine, die das Ufer säumten, zogen Schuhe
und Strümpfe aus und tauchten ihre Füße ins Wasser. Ein sanfter Wind kam auf
und trieb kleine Wellen über den See. In der nächtlichen Stille gluckerte er,
als wollte er sich mit dem Mond unterhalten.
»Hörst du
das auch?«, flüsterte Clara.
»Was?«
»Das
Wasser.«
»Das
Wasser? Klar hör ich das Wasser. Wieso?«
»Psst. Hör
doch. Es plätschert anders als sonst.«
»Anders als
sonst?«
»Hör doch
mal genau hin«,
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