Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Severini
Vom Netzwerk:
Alles
in Clara zog sich zusammen. Ohrthors Frequenzschild!
    Sie
blinzelte. Da war noch etwas unten am See, was sie beunruhigte.
    Etwas
Vergleichbares hatte sie noch nie gesehen. Ein schwarzer Quader, hoch wie ein
ausgewachsener Kastanienbaum, seine Oberfläche glänzte wie polierter Stahl. Sie
suchte fieberhaft nach einer Erklärung. ... Ein Tresor, ein riesiger Tresor,
dachte sie.
    Ihre Unruhe
stieg. Sie rührte sich nicht vom Fleck. So sehr der Durst sie auch quälte, das
Wasser des Sees auch lockte, sie traute sich nicht ans Ufer.
    Plötzlich
lösten sich über ihr Steine und polterten den Abhang hinunter. Sie trat zurück
in die Höhle. Hörte über sich Schritte. Es mussten zwei Personen sein, die da
oben liefen. Wenig später tauchten sie in ihrem Blickfeld auf.
    Zwei Männer
jagten hintereinander her. Dragu und Ohrthor! Jetzt riss Dragu Ohrthor zu
Boden, sie verkeilten sich wütend ineinander, schlugen mit den Fäusten
aufeinander ein, rutschten, ohne voneinander abzulassen, den Hang hinunter,
fast bis an das Ufer des Sees. Für eine Sekunde kam Ohrthor frei.
    Clara sah,
wie er zum tödlichen Giftring griff.
    »Nein!« Ihr
Schrei zerriss die Stille.
    Ohrtor
stolperte und fiel auf den Bauch. Im Nu fiel Dragu ihn von hinten an,
verkrallte sich in seinem Hals und drückte ihm mit aller Kraft die Kehle zu.
Ohrthor röchelte, sein Gesicht lief blaurot an.
    Dragu
drückte noch fester zu und presste Ohrthors Gesicht, die Nase voran, bis über
die Ohren in den Sand. Ersticken sollte er! Ohrthor strampelte mit den Beinen,
als läge er in den letzten Zügen.
    »Nein!
Dragu, nein!«, schrie Clara und rannte zu den beiden Männern. »Lass ihn los!«
    Dragu sah
sie verständnislos an. Er zögerte. Lockerte nur widerwillig seinen Griff.
Hastig packte er einen scharfkantigen Stein und umklammerte ihn so krampfhaft,
dass die Knöchel an seiner Hand weiß wurden. Mit dem Stein wollte er Ohrthors
Kopf zertrümmern, sollte der es wagen, Clara auch nur ein Haar zu krümmen.
    Ohrthor kam
schwankend auf die Knie. Er griff an seine Ohrlöcher. Sie bluteten. Benommen
bewegte er den Kopf hin und her, um den Sand aus den Ohrlöchern zu schütteln.
Vergebens. Er betastete seine Ohrwülste, wimmerte auf vor Schmerz. »Mutter!«
    Clara
zuckte zusammen. Was hatte Ohrthor gesagt? Mit der Stimme eines Kindes.
    Er kauerte
vor ihnen auf dem Boden mit dem hilflosen Ausdrucks eines verzweifelten Kindes.
Um seinen Mund zitterte es, wie sie es von ihrem vierjährigen Neffen kannte,
wenn er kurz davor war zu weinen.
    »Nicht die
Ohren, bitte nicht die Ohren!«, sagte er. Er schien alles um sich herum
vergessen zu haben. »Immer quälen sie meine Ohren, Mutter, immer meine Ohren.«
    Er bedeckte
sie schützend mit seinen Händen. »Lächle nicht so grausam, Mutter.«
    Noch immer
redete er wie ein Kind. »Ich verberge mich ja, damit du mich nicht sehen musst,
damit sie mich nicht beglotzen. In der Schule – überall. Ich erspare euch
meinen Anblick. Warum lasst ihr mich nicht in Ruhe?« Immer noch hielt er die
Hände über seine Ohrwülste.
    »Jetzt ist
er total verrückt geworden«, sagte Dragu, den Stein fest umklammernd, jederzeit
bereit, Ohrthor einen tödlichen Schlag zu versetzen. Diese merkwürdige
Verwandlung verunsicherte ihn.
    Auch Clara
war verwirrt. Sie hatte Angst vor diesem Mann, der so großes Unglück über die
Welt gebracht hatte, der Pedro, ihren Pedro so grausam verstümmelt hatte – sie
verabscheute dieses Scheusal. Aber sie konnte sich nicht gegen die Welle von
Mitleid wehren, die in ihr aufstieg. Von den widerstreitenden Gefühlen, die ihr
Herz zerrissen, wurde ihr schwindlig.
    Endlich
überwand sie sich und nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Wir tun dir nichts.« ,
sagte sie und kniete sich neben Ohrthor auf den Boden. »Lass mich deine Ohren
anschauen. Vielleicht kann ich dir helfen?« Behutsam ergriff sie seine Hände,
die er immerfort gegen seine Ohrwülste drückte, eiskalt waren sie.
    Unter
Claras Berührung zuckte er zurück wie unter einem Stromschlag.
    »Du
blutest«, sagte sie.
    Ohrthor
duckte sich, als wollte er gleich aufspringen und die Flucht ergreifen. Sie
schöpfte mit einer Hand Wasser aus dem See. »Ich spül dir den Sand aus den
Ohren«.
    Aus ihren
Worten hörte Ohrthor etwas wie Verständnis und Wärme, ja Mitgefühl heraus. Über
seine Glatze lief ein Schauer, und er neigte den Kopf über ihre Hand.
    Clara
schöpfte mehrmals Wasser, bis sie seine Ohren vom Sand befreit hatte. »Jetzt
sind sie wieder sauber.

Weitere Kostenlose Bücher