Geraeuschkiller - Mutige Liebe
geschah
lautlos.
Da fiel es
ihr siedend heiß ein –das grüne Smaragg mit dem roten Siegel! Sie hatte sein
Geheimnis nicht erraten. Sie hatte versagt! Ohrthor! Dragu! Allmählich begann
ihr Gedächtnis wieder klar zu arbeiten.
Die Stille.
Die furchtbare Stille. Sie war noch da.
Beinahe
sehnte sie sich nach dem schrecklichen Haus mit seinen Geräuschen zurück. Wie
lange war sie dort gefangen gewesen? Sie wusste es nicht – oder war alles nur
ein Traum, ein böser Traum?
Die
blauroten Druckstellen an ihren Armen, die Blutergüsse, die Ohrthors Zangengriff
hinterlassen hatte, sagten ihr, dass sie nicht träumte.
Beklommen
beobachtete sie eine Möwe, die auf dem Wind dahinsegelte und dann pfeilschnell
ins Wasser stieß. Sie musterte die bizarren weißen Felsen, die steil nach unten
abfielen und sich hoch über ihr erhoben. Zacken-Polly! Von hier aus konnte sie
zwar das Festland nicht sehen, aber sie wusste hundertprozentig, ihr Zuhause
war ganz nah! Ihr Herz hüpfte vor Freude.
An das, was
Knut immer über die turmhohe Kreideinsel erzählt hatte, wollte sie jetzt lieber
nicht denken: »Keiner, der die Insel betreten hat, wurde jemals wieder gesehen!«
Ganz schnell wollte sie hinüber schwimmen ans Land und Knuts Warnung vor den
gefährlichen Meeresströmungen in den Wind schlagen.
Erst jetzt
spürte sie, dass sie hungrig und furchtbar durstig war. Am Fuß von Zacken-Polly
wuchsen Miesmuscheln, die wollte sie erst mal pflücken und dann losschwimmen.
Sie schaute
sich um, die Felsen fielen senkrecht ab in schwindelnde Tiefe, von hier aus
konnte sie unmöglich hinunterklettern! Und sie war zu müde um auch nur noch
einen Schritt zu gehen, und so rollte sie sich in einer kleinen Kuhle auf dem
Felsenvorsprung zusammen und schlief sofort ein.
Die Sonne
versank hinter dem Horizont und färbte das Wasser golden, gab Claras Haut und
ihrem zerzausten Haar einen goldenen Glanz.
Zacken-Polly
Etwas
klatschte gegen ihr Bein. Clara fuhr auf.
Es dauerte
eine Weile, bis sie begriff, wo sie war. Ein Windstoß hatte das T-Shirt zu ihr
herübergeweht. Das hatte sie aufgeschreckt. Es war steif von Salzwasser, Sand
und getrocknetem Schlamm wie ihre Jeans. Sie zog sich an, schüttelte sich, weil
der Stoff auf der Haut kratzte.
Da
entdeckte sie tief unter sich, verborgen in einem Felsspalt, ein Motorboot.
Obwohl es ungewöhnlich groß war, hätte sie es fast nicht bemerkt, seine
meergrüne Farbe hob sich kaum vom Wasser ab. Gut getarnt, dachte sie. Gehörte
es Ohrthor? Hatte er damit vom Meer aus sein Versteck bezogen? Aus dieser
Gegend war es jedenfalls nicht.
Vielleicht
könnte sie mit dem Boot an die Küste gelangen, aber eine Klettertour von hier
aus bedeutete den sicheren Tod.
Sie
seufzte, es blieb ihr nichts anderes übrig als zum Höhengang zurück zu gehen.
Ohrthors Logbucheintrag kam ihr in den Sinn: vom Meer aus hatte er sein Labor,
seine Motorräder, alles, was er besaß durch einen Höhlengang zum Schloss des
Fürsten gebracht.
Sie äugte
schaudernd in den schwarzen Schlund, machte ein paar Schritte hinein. Die Angst
schlug zu wie eine Raubtierpranke. Aber sie hatte keine andere Wahl.
Nur langsam
gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie bemerkte, dass der
Felsengang sich gabelte. Von da unten war sie gekommen, dorthin wollte sie um
keinen Preis mehr zurück. Es blieb ihr nur der Weg, der in die entgegen
gesetzte Richtung führte.
Im Höhlengang
wirkte offenbar wieder Ohrthors Schutzschild, denn die Steine knirschten unter
ihren Füssen, und ihre Schritte hallten von den Felswänden wider.
Sie wusste
nicht, wie lange sie schon durch die Dunkelheit stolperte, es kam ihr ewig vor,
aber wahrscheinlich waren es nur eine 10 Minuten, da sah sie es in der Ferne
wieder heller werden.
Sie ging
langsamer weiter, drückte sich an die Felswand, wagte nicht, ins Freie
hinauszutreten. Das Tageslicht tat ihren Augen weh, vorsichtig lugte sie nach
draußen – und brauchte einen Moment, bis sie sich fasste.
Vor ihr
erstreckte sich ein kleines Tal, umgeben von einem Kranz aus steil aufragenden
Kreidefelsen. Dunkles fettes Grün wuchs an den Hängen, üppige feuerrote und
violette Blüten leuchteten daraus hervor. Nie hatte sie von diesem Ort gehört!
Feiner
weißer Sand bedeckte den Talgrund und in der Mitte glänzte smaragdgrün ein
kleiner See. Der Abendhimmel malte golden leuchtende Wölkchen auf das
spiegelglatte Wasser.
Eine
friedliche Welt. Wäre da nicht über allem das Flirren der Luft gewesen.
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