Geraeuschkiller - Mutige Liebe
machte ihr mehr Angst als alles andere. Sie beschloss auf den
Ellenbogen durch das seichte Wasser zu robben.
Die
Felswände, die sie zu beiden Seiten ertastete, gaben die Richtung vor. Dass
ihre Hände, Arme und Beine sich wund schürften und brannten, spürte sie nicht
mehr. Nur Durst! Brennenden Durst! Sie leckte gierig das Wasser. Salzwasser!
Sie spuckte es aus. Beißender Modergeschmack im Mund.
Sie
schleppte sich weiter, begleitet vom Echo des glucksenden Wassers, das von den
Höhlenwänden widerhallte.
Wirre
Gedanken und Bilder überfielen sie. Wellensittiche, die nicht mehr tschilpten. Ein
semmelblonder Hund mit schwarzen Schlappohren, der lautlos bellte.
Menschenohren hinter Glas. Erinnerungsfetzen. Ein Junge, marmorweiß und entstellt. Goldene Lippen.
Grausame.
Das
Plätschern und Gluckern schwoll in ihrem Kopf zu einem unerträglichen Dröhnen
an. Ich komme hier nie mehr raus. Ich werde hier sterben, flüsterte sie.
Sterben … Sterben … echote es von den
Wänden.
Schattenhaft
sah sie den Tag, an dem alles begonnen hatte. Geräuschtheater am Holzschuppen, Beifall
und unbeschwertes Lachen. Erinnerungsblitze. Eine gläserne Schnecke, darin ein
Kind, schön wie ein blühender Sommertag, lautlose Worte perlten von seinen
Lippen - du bist aus Gold, lass es von niemandem beschmutzen.
Den grünen
Lichtschein, der plötzlich auf dem Wasser schimmerte, bemerkte sie kaum. Es
fiel ihr nur auf, dass es plötzlich sehr streng nach Fisch roch. Erst als alles
um sie herum in ein grünes Leuchten getaucht war, hob sie den Kopf.
Über ihr
öffnete sich eine riesige Spalte in der Felswand. Von dort kam das smaragdgrüne
Licht. Sie war zu erschöpft, um sich zu wundern. Dort war Licht! Dort war
Rettung! Sie robbte auf die Felsspalte zu.
Doch was
sie da sah, ließ sie auf der Stelle umkehren.
Sie duckte
sich hinter einen Felsvorsprung. Erst nach einer Weile traute sie sich aus
ihrem Versteck in den Spalt zu spähen.
Eine Höhle
vom Durchmesser eines Dorfteichs schnitt sich in den zerklüfteten Felsen, hoch
wie ein Turm. In ihrem Inneren wuchs etwas Unvorstellbares. Es leuchtete
intensiv smaragdgrün. Wie ein gewaltiger Fischlaich sah es aus. Riesige
glasklare Waben klebten wie Fischeier aneinander. Das Ding schien sich mit
Macht nach oben an die Felsendecke zu drängen. Es füllte die Höhle fast ganz
aus.
In den
Waben steckte etwas. Clara zwang sich, genauer hin zu sehen und alles Blut wich
aus ihrem Hirn vor Entsetzen.
In jedem
Fischei steckte ein Mensch! Bis zum Hals eingesponnen in einen silbrig grünen
Kokon. Einer Frau wuchsen Hundeohren aus dem Kopf, einer anderen Tentakel. Ein
Mann hatte Fledermausohren. Bei einem Mädchen sah sie antennenlange
Insektenfühler, ein anderes hatte die Ohren einer Waldeule und ein Junge hatte
Luchsohren.
An die
fünfzig Menschen waren in dem Fischlaich eingeschlossen! Aus jedem Kokon wuchs
eine silbrig grüne Schnur, dort wo sich die Brust befand. Andere Fischeier
waren leer, sie leuchteten intensiver grün.
Clara
glaubte sich übergeben zu müssen. Sie schloss die Augen. Das konnte nur eine
Sinnestäuschung sein. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Die schreckliche Höhle
war immer noch da. Irgendwo hatte sie diese armseligen Kreaturen schon einmal
gesehen. Sie wusste nur nicht wo.
Der
Fischlaich schloss die Höhle nach oben ab, einem gallertigen Pfropfen gleich.
In der Felsendecke, das glaubte Clara durch die Waben hindurch zu erkennen,
öffnete sich ein riesiges Loch. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen
zu können. Das war Wasser! Über dem Fischlaich dehnte sich smaragdgrünes
Wasser. Da oben musste ein See sein. Und der Fischlaich bildete seinen Grund.
Claras Hirn
arbeitete fieberhaft. Schloss der grausige Fischlaich die Höhle nach oben
wasserdicht ab? Das alles ging über ihren Verstand. Ihre Gedanken verwirrten
sich, und sie wusste nur noch eines sicher: Sie musste weg hier.
Gerade als
sie umkehren wollte, fiel ihr ein totenbleiches Gesicht auf, umrahmt von
feuchten schwarzen Locken. Wie all die anderen ragte es aus einem Kokon heraus.
Ein Junge. Sein Gesicht kam ihr seltsam vertraut vor. Aber wie sah er aus! Aus
einem Kopf wuchsen die Ohren wie die eines schwarzen Panthers! Und doch lag
eine geheimnisvolle Schönheit auf seinem Gesicht, die sie tief anrührte.
Pedro!
Claras Hirn wollte explodieren. Pedro …? Wo sie den Namen hin stecken sollte,
wusste sie nicht. Ihre Erinnerung versagte. Aber eine stürmische Zuneigung zog
sie unwiderstehlich zu
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