Gérards Heirat
Geschmack anbelangt, so sind die Meinungen darüber sehr geteilt.«
»Dies ist die meine,« antwortete Gérard trocken.
»So!« sagte Georgine ärgerlich; dann fuhr sie immer aufgeregter fort: »Da Sie zu ihren Freunden gehören, soraten Sie ihr doch, sich keine Schmetterlinge mehr auf die Schulter zu setzen.«
»Ich werde mich wohl hüten, Fräulein Laheyrard braucht in Beziehung auf Geschmack von niemand einen Rat; dafür ist sie viel zu sehr Pariserin.«
»Und viel zu kokett, um auf etwas zu verzichten, was alle Blicke auf sie zieht.«
Der Kampf war eröffnet. Bittere Worte flogen wie Pfeile hinüber und herüber.
Unter den Mispelbäumen des Gartens erhob auch der Fluß seine Stimme immer lauter, als ob er mit den Streitenden Schritt halten wollte.
»Sie ist hübsch genug,« entgegnete Gérard, »um auf das Kokettieren verzichten zu können.«
»Mit welchem Feuer Sie sie verteidigen!« rief boshaft Fräulein Grandfief, welcher die Eifersucht zum erstenmal in ihrem Leben Geist verlieh. »Sie sind ein sehr warmer Freund!«
»Das ist mehr, als Fräulein Laheyrard von mancher ihrer Freundinnen behaupten könnte.«
»Der Vorwurf trifft mich nicht ... Fräulein Laheyrard ist nicht meine Freundin. Gott sei Dank! ich weiß meine Freundschaft besser anzubringen!«
»Jeder verfügt über sein Herz so, wie er kann,« erwiderte Gérard, der nun auch böse wurde, »ich liebe sie und werde nicht dulden, daß man sie in meiner Gegenwart angreift ...«
Dies war der Tropfen Bitterkeit, der das Gefäß vollends zum Ueberlaufen brachte. Fräulein Georgine erhob sich mit funkelnden Augen und schrie: »Mir das zu sagen! mir! Das ist denn doch zu stark!« – Als die Worte ihr vor Wut versagten, griff sie zum letzten Hilfsmittel der Frauen, wenn sie in die Enge getrieben werden, und fing an in Thränen zu zerfließen.
Frau Grandfief, welche die ganze Zeit hinter der Thüreauf der Lauer gelegen hatte, erschien rasch auf der Schwelle des Wohnzimmers und rief:
»Herr von Seigneulles, Ihr Benehmen ist unwürdig ... Ich bereue es bitter, Ihnen mein Haus geöffnet zu haben ...«
»Gnädige Frau,« sagte Gérard, während er seinen Hut nahm und sich verbeugte, »ich werde Ihnen künftig diese Reue zu ersparen wissen.«
Er ging. Von diesem Kampfe noch ganz erhitzt, atmete er nicht ohne ein gewisses Vergnügen die linde Luft draußen und schlug raschen Schrittes den Weg nach der oberen Stadt ein.
Während Gérard seinen Staatsstreich in Salvanches ausführte, hatte Frank Finoël, der es auf seiner Kanzlei nicht mehr aushalten konnte, beschlossen, im Hause Laheyrard einen Besuch abzustatten. Er hatte von dem Balle in Salvanches bis jetzt erst ganz unbestimmte Nachrichten, da Regina seit der Festlichkeit nicht zu ihrer Tante zurückgekommen war; man hatte sie in Salvanches zurückbehalten, um alles in Ordnung bringen zu helfen, und sie hatte auch dort übernachtet. Wahrend der kleine Bucklige in die obere Stadt hinaufging, schien er große Pläne in seinem Kopf zu wälzen; sein ausdrucksvolles Gesicht war noch bleicher als gewöhnlich und sein eiliger Gang verriet eine fieberhafte Angst. Ehe er die Schwelle des Hauses überschritt, blieb er auf den Treppenstufen stehen, um sich die Schweißtropfen abzuwischen, die auf seiner Stirne perlten. Im Garten, wo die ganze Familie unter dem Maulbeerbaum versammelt war, erwartete ihn ein Anblick, der ganz dazu gemacht war, seine aufgeregten Nerven zu beruhigen. Auf einem Kohlenbecken dampfte ein Kessel aus rotem Kupfer voll kochenden Zuckersafts; goldfarbene Mirabellen waren in Körben aufgetürmt und Frau Laheyrard entsteinte dieselben vorsichtig und legte dann eine um die andere in große Steingutschüsseln, von denen der appetitliche Geruch reifer, gequetschter Früchte ausströmte. Zur Rechten und Linken überwachten Benjamin und Toni, mit gefräßigen, mit Eingemachtem beschmierten Gesichtern und lautemGelächter, die Vorbereitungen. Helene, mit einer weißen Latzschürze geschmückt, mit bis zum Ellbogen aufgestülpten Aermeln, stand vor dem Kessel und rührte mit einem langen Spatel den Inhalt desselben um: von Zeit zu Zeit ließ sie die perlenden Tropfen des Saftes in der Sonne glänzen. Sobald sie Finoël bemerkte, rief sie ihm entgegen:
»Kommen Sie! Sie müssen dem großen Werk des Einmachens beiwohnen; man soll noch einmal sagen, ich sei keine Frau fürs Haus! Sahen Sie je eine geschäftigere Hausfrau als mich?« Sie war sehr munter; die Hitze des Kohlenbeckens hatte Stirne
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