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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Theuriet
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Regen auf die Bäume herab und schluchzte in den überströmenden Dachrinnen. Mitten durch seine wirren, bitteren Gedanken erhob sich vor ihm, wie die Erscheinung eines verlorenen Paradieses, das verführerische blonde Bild Helenens und neben ihr das siegesfrohe Antlitz Gérards von Seigneulles. Seine Wut verdoppelte sich. »O! ich werde mich noch rächen! ich werde mich rächen!« schrie er und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    Ein leichtes Geräusch veranlaßte ihn, sich umzudrehen; er sah Regina Lecomte hinter sich stehen. Die Nähterin kam von Salvanches zurück und das unbezwingliche Verlangen, alles zu erzählen, was sie wußte, hatte sie veranlaßt; bei Finoël einzutreten. Als sie seinen Ausruf hörte und seine verstörten Züge sah, glaubte sie, er habe die Einzelheiten der Ereignisse auf dem Balle schon erfahren und nahm eine teilnehmende Miene an.
    »Nun,« sagte sie »mein armer Frank, habe ich nicht recht gehabt, als ich sagte, Sie sollten dieser Pariserin nicht trauen? Sie wissen doch, was auf dem Ball geschehen ist?«
    »Was? was ist geschehen?« schrie Finoël und blickte sie zornig an.
    »Wirklich? Sie wissen noch gar nichts! ... Die ganze Stadt spricht ja davon ... Fräulein Laheyrard und Herr von Seigneulles haben sich den ganzen Abend nicht voneinander getrennt, und ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie sie sich zärtlich die Hand drückten.«
    Sie schilderte nun die Begebenheit im Billardzimmer mit den nötigen Uebertreibungen.
    »Jedermann hat es bemerkt wie ich,« fügte sie hinzu, »und ich bin sicher, daß die Heirat Fräulein Grandfiefs zu Wasser geworden ist ... Man hat sich über Sie lustig gemacht, Frank, und Sie haben ganz einfach als Deckmantel gedient, um das Spiel dieser beiden Liebenden zu verbergen.«
    Finoël biß sich in die Lippen. Seine fahlen Augen schleuderten Blitze.
    »Aber nur Geduld,« fuhr die kleine Regina fort, »Vater Seigneulles läßt nicht mit sich spaßen und wird einen schönen Spektakel machen, wenn er die Neuigkeit erfährt, und die Pariserin hat ihr Ziel noch lange nicht erreicht.«
    »Glauben Sie, daß er seinen Sohn verhindern wird, sie zu heiraten?«
    »Ich bin dessen gewiß, und wenn Sie meinem Rat folgen wollten ... Sehen Sie, Frank, ich bin gutmütig, ich trage Ihnen Ihre Unfreundlichkeiten nicht nach: schließen wir Frieden!«
    Sie streckte ihre Hand aus und ergriff, halb gegen seinen Willen, die langen, mageren Finger Finoëls, der sie mit ängstlich fragendem Blick betrachtete. »Lassen Sie uns wieder Freunde sein,« sagte die Nähterin, ihm die Hand drückend, »und ich werde Ihnen helfen, sich zu rächen!«

Zehntes Kapitel.
    Als Gérard nach Hause kam, erfuhr er von Marien, daß der Chevalier sich soeben nach Groß-Allard begeben habe. Herr von Seigneulles besaß, zwei Meilen von Juvigny entfernt, inmitten der Wälder des großen Jura, eine schöne Meierei, für die er Sorge trug und die er liebte wie seinen Augapfel. Er hielt sich oft ganze Wochen dort auf und wohnte in einem kaum eingerichteten, ärmlichen Zimmer, aß mit den Taglöhnern und verschmähte es nicht, selbst den Pflug zu lenken oder den Dreschflegel zu schwingen. Diesmal war er hingegangen, um das Dreschen seines Getreides zu beaufsichtigen und wollte acht Tage dort bleiben. Als Gérard diese Nachricht erhielt, fühlte er eine wesentliche Erleichterung. Der Bruch mit der Familie Grandfief hatte seinen Mut erschöpft, und er warglücklich über den Aufschub von einer Woche, dessen er sich erfreuen durfte, ehe er dem Anprall des väterlichen Zornes standhalten mußte. Sobald er gespeist hatte, begab er sich zu Helenen, die er allein im Atelier fand.
    Sie drückte, noch ergriffen von dem Besuch Frank Finoëls, schweigend Gérards Hand.
    »Ich bin sofort nach Salvanches gegangen,« begann er, »und habe dort gesprochen, wie ich mußte. Jetzt ist die Sachlage ganz klar, und ich setze keinen Fuß mehr in dies Haus. Mein Herz ist frei, Helene, und gehört ganz Ihnen.«
    Sie legte einen Finger auf ihre Lippen.
    »Bst!« machte sie lächelnd, »und was haben Sie Ihrem Vater gesagt?«
    »Noch nichts,« sagte er ein wenig verlegen, er ist heute abend nach Groß-Allard gegangen; sobald er aber zurück ist, soll er alles erfahren.«
    Einen Augenblick schwiegen beide, und eine leichte Wolke glitt über die Stirne des jungen Mädchens.
    »Es scheint mir,« begann sie wieder, »als hätten Sie mit dem Ende angefangen; Sie hätten zuerst mit Herrn von Seigneulles sprechen

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