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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Theuriet
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Stimme.
    Dabei drückte sie seine Hand heftig ... Die ganze Welt verschwand vor den Augen des beglückten Gérard; er erhob die kleine Hand, die in der seinen zuckte und wollte sie an seine Lippen führen. Der Saal war leer, niemand konnte sie sehen ... Wenigstens glaubte er dies; aber die der Garderobe gegenüberliegende Thüre des Billardsaales öffnete sich von Zeit zu Zeit, und das verschmitzte Gesicht der kleinen Regina, welche durch diesen langen Aufenthalt hier neugierig gemacht worden war, sah verstohlen herein, um die jungen Leute zu beobachten. Die Schneiderin hatte jene leidenschaftliche Gebärde Gérards im Fluge erblickt.
    »Ich bitte Sie,« stotterte Helene, die selbst ihre Kaltblütigkeit zu verlieren begann. Sie machte einige Mazurkaschritte und zog ihren Tänzer fort. »Wir wollen die paar letzten Takte noch benutzen, denn wir werden heute abend nicht mehr miteinander tanzen.«
    »Ich werde überhaupt mit niemand mehr tanzen,« antworteteGérard, als die letzten Klänge der Mazurka verrauscht waren.
    Er entfernte sich wie unsinnig. Helene war unbeweglich, in Gedanken versunken, in der Mitte des Saales stehen geblieben, als sie plötzlich am Arm die Berührung eines Fächers fühlte. »Nun,« flüsterte Georgine hinter ihr, »haben Sie mit ihm von mir gesprochen?«
    Helene schrak zusammen und begnügte sich durch eine bejahende Kopfbewegung zu antworten.
    »Sie haben mich hoffentlich recht gelobt,« fuhr Fräulein Grandfief fort.
    »Gewiß ... Ja.«
    »Was hat er darauf geantwortet?«
    Ueberlegung war noch nie eine der hervorragendsten Eigenschaften Helenens gewesen, und Georgine quälte sie mit ihren Fragen in einem jener Augenblicke, in denen der Geist in anderen Regionen weilt, und die Lippen Worte aussprechen, von welchen der Redende selbst kaum etwas weiß.
    Noch halb in Träumerei verloren, murmelte sie unüberlegt: »Er sagte nur, ich sei eine sehr warme Freundin.« An dem verblüfften Gesicht des Fräulein Grandfief merkte sie, daß sie eine Dummheit gesagt hatte, und wollte dies schnell wieder gut machen. Allein sie konnte ihre verlegene Erklärung hervorstottern wie sie wollte, der Schlag hatte getroffen.
    »Ah,« rief Georgine wütend, »sehr gut! ... wie er will! ... Es ist einerlei,« dabei entfernte sie sich schon, »es ist einfach abgeschmackt!«
    Doch die Stunden enteilten. Der junge Gymnasiast Anatol war der Hitze und dem Punsch erlegen und auf einer gepolsterten Bank im Billardsaal sanft entschlummert. Auf den belebten Tanz folgte das geräuschvolle Nachtessen. Zwischen das Klingen der Gläser und das Geklapper des Silbers hinein knallten die Champagnerpfropfen. Rings um den langen Tisch im Speisesaal erklang das silberne Lachen der jungen Damen; ins Ohr geflüsterte Scherzworte, fröhlicheZurufe kreisten um den Tisch mit dem funkelnden, perlenden Wein. Von Zeit zu Zeit fuhren die lustigen Einfälle des jungen Laheyrard wie Raketen in das Gesumme der allgemeinen Unterhaltung. Marius hatte sich ohne weiteres neben Georgine gesetzt und sprach ihr hinterlistig zu, ihre Lippen in den Champagnerschaum zu tauchen. Sie schien Geschmack an der Sache zu finden und sich über die Gleichgültigkeit Gérards zu trösten. Als die Geigen das Zeichen zum Kotillon gaben, nahm sie den dargebotenen Arm des Dichters und tanzte, ohne sich um die weisen Ermahnungen der Mutter zu kümmern, aufs neue mit ihrem fröhlichen Tischnachbar. Die Menge hatte sich vermindert, die Gruppen lichteten sich langsam, draußen fuhren die Wagen vor. Auch der von Frau Laheyrard war gekommen und sie winkte ihrer Tochter und Marius. In demselben Augenblick sprang Gérard vor und führte Helene am Arm in die Garderobe. Dort legte er ihr selbst das warme Tuch um die Schultern, das sie gegen die Morgenkühle schützen sollte und geleitete die Damen bis an den Wagen. »Auf baldiges Wiedersehen!« rief ihm Helene zu, als sie leicht zu ihrer Mutter in den Wagen hüpfte.
    Marius warf den Schlag zu und rief dem Kutscher mit einer majestätischen Gebärde zu: »Vorwärts! ich komme zu Fuß mit meinem Freund Gérard;
    Baden will ich mein Herz im frischen Taue des Morgens,
Wie man in Chambertin taucht öfters ein süßes Biskuit.«
    Es war vier Uhr. Schon verkündigte ein Purpurstreifen im Osten über den Weinbergen das Nahen des Tages, schon ließen die Lerchen ihr Lied ertönen, Marius, dessen Kopf vom Champagner warm geworden war, summte eine Walzermelodie, während er seinen Ueberrock anzog, »Brrr ...« sagte der junge Laheyrard,

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