Geraubte Erinnerung
Raketenstarts um ein Versehen gehandelt haben.«
»Ich denke, das ist es auch. Trinity hat verschiedene Computer überall auf der Welt so programmiert, dass sie auf Angriffe gegen den Prototypen reagieren, indem sie das russische Toter-Mann-System auslösen. Diese Computer nahmen Trinitys plötzliche Verwirrung als einen Angriff wahr und verhielten sich gemäß ihrer Programmierung. Ich denke, wenn Trinity sich rechtzeitig erholt, wird es alles unternehmen, um diese Raketen daran zu hindern, ihre Ziele zu erreichen.«
»General Bauer«, sagte Jackson. »Ich möchte, dass Dr. Tennant in diesem Prototyp-Komplex ist, wenn Trinity aus seinem Koma erwacht, oder was immer es ist. Irgendjemand muss dem verdammten Ding sagen, was passiert ist, und Tennant ist der richtige Mann an der richtigen Stelle.«
Ich wandte mich zur Tür.
»Einen Augenblick noch, Doktor!«, rief General Bauer.
Zwei Soldaten traten mir in den Weg.
»Lassen Sie diesen Mann passieren!«, brüllte Senator Jackson.
Die Soldaten rührten sich nicht, bis Bauer mit einem Nicken seine Zustimmung erteilte. Ich eilte zum Ausgang, doch die Stimme des Senators hinter mir fuhr im gleichen Tonfall fort. »Vergessen Sie nicht, wer hier das Sagen hat, General Bauer. Wie lange noch bis zum ersten Einschlag?«
»Corporal?«, leitete Bauer die Frage an einen Techniker weiter.
»Dreiundzwanzig Minuten, Sir.«
»Wo ist Ihr Bomber, General?«, fragte Jackson.
»Arcangel wird in vierzig Minuten seinen Einsatzort erreicht haben. Allerdings können wir die Vulcan bereits in zwanzig Minuten starten, falls es sein muss.«
»General Bauer«, sagte Jackson mit eisiger Stimme, »Sie werden diese Waffe nicht ohne direkten Befehl dieses Komitees abfeuern. Haben Sie verstanden? Kein EMP-Schlag ohne einen direkten Befehl.«
Ich hörte keine Antwort.
Das Prototyp-Gebäude war ein runder Bau aus armiertem Stahlbeton und in das grelle Licht mehrerer Scheinwerfer getaucht. Die Soldaten, die den Bau bewachten, forderten mich auf, mit erhobenen Händen zum Eingang zu gehen. Kurz bevor ich die schwarze Tür aus Panzerstahl erreicht hatte, glitt sie zur Seite, und Zach Levin erschien. Er winkte mich heran.
Ich trat an dem hohlwangigen Ingenieur vorbei in einedämmerige Welt. Ich hatte etwas Ähnliches wie den Komplex in North Carolina erwartet, ein Labyrinth aus Räumlichkeiten mit überall verstreuten Maschinen und Elektronik. Der Unterschied hätte größer nicht sein können.
Das Innere des Komplexes sah aus wie ein Filmset aus Stanley Kubricks 2001. Zu meiner Linken stand eine massive Barriere, die ich als einen magnetischen Schild erkannte. Er war drei Meter hoch und über einen Meter dick und teilte den Raum in zwei gleich große Bereiche, von denen ich nur einen sehen konnte. Auf der rechten Seite der Barriere stand die gewaltige Super-MRI-Apparatur mit der Kontrollkonsole an der rückwärtigen Wand. Diese Apparatur in Verbindung mit einem Supercomputer produzierte die Neuromodelle, die im Trinity-Computer animiert werden konnten.
Levin führte mich auf die andere Seite der Abschirmung. Was ich hier sah, raubte mir den Atem. Der gesamte freie Raum wurde von einer riesigen schwarzen Kugel eingenommen, die auf einer massiven Basis aus Stahl ruhte. Als ich mich der Kugel näherte, stellte ich fest, dass sie nicht massiv war, sondern ein ineinander verwobenes Geflecht von Nanoröhrchen aus Kohlenstoff, einem Material, das ein effizienterer Halbleiter war als Silizium und stärker als Stahl. Das Geflecht war so dicht, dass man kaum hindurchsehen konnte, und doch war es transparent genug, um die Vorgänge in seinem Innern zu erkennen. Tausende nadeldünne blaue Laserstrahlen verliefen blitzend von den Innenwänden der Kugel in Richtung Zentrum, in solch atemberaubendem Tempo, dass mir allein der Versuch, ihnen zu folgen, Kopfschmerzen bereitete.
In der runden Außenwand der Kugel befand sich ein Loch mit einem Durchmesser von etwa einem Meter. Durch dieses Loch sah ich das Ziel der Laser, einen sphärischen Kristall ähnlich dem Knopf an Fieldings Taschenuhr, nur besaß dieser Kristall hier die Größe eines Fußballs. Das äußere Geflecht von Nanoröhrchen war die Prozesseinheit Trinitys, und die Kristallkugel war der Speicher. Die Laser entlang der Innenwände waren dieWerkzeuge, mit denen die Daten in den Kristallmolekülen manipuliert wurden. Die Daten selbst waren holographisch gespeichert, in Form von optischen Interferenzmustern, die von den Lasern nach Belieben
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