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Gerechtigkeit fuer Igel

Gerechtigkeit fuer Igel

Titel: Gerechtigkeit fuer Igel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Dworkin
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sogenannte Problem der Willensfreiheit eingehen, sondern auch auf traditionellere Probleme der Ethik, der Moralphilosophie und der Rechtstheorie. Der Grundgedanke, dem der Titel dieses Buches geschuldet ist, erfreut sich gegenwärtig keiner großen Beliebtheit – der Fuchs beherrscht nun schon seit einigen Jahrzehnten die akademische und literarische Philosophie, insbesondere in der anglo-amerikanischen Tradition.
 2 Anhänger des Igels werden als naiv oder als Quacksalber betrachtet, die unter Umständen sogar gefährlich sein könnten. Ich werde versuchen, die Wurzeln dieser Einschätzung herauszuarbeiten, indem ich die Annahmen identifiziere, die diesem Argwohn zugrunde liegen. In diesem einleitenden Kapitel will ich den Gang der Argumentation vorzeichnen, der uns zeigen wird, wo wir diese Wurzeln meines Erachtens zu suchen haben.
    Eine solche vorgreifende Zusammenfassung könnte im Prinzip an jedem Kapitel ansetzen und von dort ausfächernd die Implikationen jenes Kapitels für den Rest des Buches ausbuchstabieren. Mir scheint es jedoch am besten zu sein, vom Ende des Buches her zu beginnen, mit den Fragen der politischen Moral und der Gerechtigkeit, um vor allem den an politischen Fragen interessierten Leserinnen und Lesern ein Vorverständnis davon zu ermöglichen, warum ich der Meinung bin, daß bestimmte eher abstrakte philosophische Überlegungen nötig sind, um zu einer Erörterung der für sie interessanten Fragen zu kommen. Zugleich kann eine solche Zusammenfassung hoffentlich dazu beitragen, jenen Leserinnen und Lesern, die
15 sich vor allem für klassische philosophische Fragen etwa der Metaethik, der Metaphysik und der Theorie der Bedeutung interessieren, die ihnen vielleicht abstrus erscheinende praktische Bedeutung jener abstrakten Probleme näherzubringen.
    Gerechtigkeit
    Gleichheit . Um legitim zu sein, muß eine Regierung sich an zwei übergeordnete Prinzipien halten. Sie muß zum einen das Schicksal aller ihr unterstehenden Personen gleichermaßen berücksichtigen und zum anderen der Verantwortung und dem Recht einer jeden Person, selbst zu entscheiden, wie sie ihrem Leben Wert verleihen will, höchste Achtung zollen. Mit Hilfe dieser Leitprinzipien lassen sich jene Theorien der distributiven Gerechtigkeit – also Theorien, die festlegen, welche Ressourcen und Chancen eine Regierung den von ihr beherrschten Menschen zur Verfügung stellen sollte – auszeichnen, die plausibel sind. Ich formuliere das Problem auf diese Art – was sollte eine Regierung tun? –, weil die Verteilung von Ressourcen immer die Folge öffentlicher Gesetze und politischer Maßnahmen ist. Es gibt keine politisch neutrale Verteilung. Über welche Ressourcen und Chancen ein Mensch mit einer bestimmten Kombination persönlicher Merkmale wie Talent, Persönlichkeit und Glück letztendlich verfügt, hängt immer von den Gesetzen des Staates ab, in dem er lebt. Aus diesem Grund muß jede konkrete Verteilung gerechtfertigt werden, indem gezeigt wird, inwiefern das Handeln der Regierung den beiden Grundprinzipien der gleichen Berücksichtigung aller und der umfassenden Achtung der individuellen Verantwortung gerecht wird.
    In einem dem Laisser-faire-Prinzip folgenden Wirtschaftssystem wird nichts unternommen, um die Folgen eines freien Markts zu beeinflussen, auf dem Menschen entsprechend ihrer Wünsche und Möglichkeiten mit Waren und Arbeitskraft handeln. Ein solches System ist keineswegs Ausdruck einer glei
16 chen Berücksichtigung aller. Jeder, der aufgrund eines solchen Systems verarmt, ist dazu berechtigt, die folgende Frage zu stellen: »In einer anderen Rechtsordnung, die stärker reguliert und umverteilt, hätte ich bessere Chancen gehabt. Wie kann meine Regierung behaupten, daß dieses System sich gleichermaßen um meine Belange schert?« Hier einfach zu antworten, daß jeder Verantwortung für sein eigenes Los übernehmen müsse, greift zu kurz. Die Stellung des einzelnen in einem solchen Wirtschaftssystem wird von vielen Faktoren bestimmt, für die wir nicht verantwortlich sind, etwa von der genetischen Ausstattung, angeborenen Talenten sowie all jenen glücklichen Fügungen und all dem Pech, vom dem man im Laufe eines Lebens betroffen ist. Das obenerwähnte zweite Prinzip, das die persönliche Verantwortung betont, gibt einer Regierung keineswegs das Recht, dies zu leugnen.
    Andererseits könnte man sich auch eine Regierung vorstellen, die für das andere Extrem optiert und dafür sorgt, daß alle

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