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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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zu huschen, doch die Tür war bereits verschlossen. Von seiner Begleiterin fehlte jede Spur.
    Schritte hallten den Korridor entlang, näherten sich. Schließlich fügte sich Oppenheimer in das Unvermeidliche und blickte die sich nähernde Gestalt an.
    Er erkannte den Herrn sofort wieder. Es war der vierschrötige Mann, den er am Nachmittag im Reichssicherheitshauptamt gesehen hatte, der Mann mit dem blütenweißen Hemd. In seinen Augen funkelte ein Blitzen des Erkennens. Er blieb überrascht stehen und hielt dann direkt auf Oppenheimer zu. Unheilvoll kam er näher. An Flucht war nicht mehr zu denken. Oppenheimer wagte vor Schreck kaum, sich zu bewegen. Es war aus. Er hatte es vermasselt.

28
    Samstag, 24. Juni 1944 – Sonntag, 25. Juni 1944
    N a, so spät noch hier?«, fragte der Mann. Dann fügte er arglos hinzu: »Hatten Sie auch noch eine Einsatzbesprechung?« Oppenheimer stand verloren im Flur und beobachtete, wie der Hüne vor ihm gedankenverloren seine Fingerknöchel rieb.
    Oppenheimer war überrascht. Der Mann sprach so, als halte er ihn für einen seiner Kollegen. Konnte es wirklich sein, dass er keinen Verdacht schöpfte? Oppenheimer nahm sich zusammen. Er musste antworten. »Ach, dieser ewige Papierkrieg«, erwiderte er vage. Er hoffte, dass der Mann das Zittern in seiner Stimme nicht wahrnahm. »Muss alles morgen früh fertig sein. Keine Ahnung, wo die Sekretärin ist. Da habe ich glatt alles selbst tippen müssen.«
    »Sie meinen die Iris? Fräulein Haferkamp? Klasse Weib. Die schiebt ja ein Paar Glocken vor sich her.« Bei diesem Gedanken begann der Mann zu grinsen. »Aber Vorsicht. Leider verheiratet. Und zu allem Überfluss auch noch glücklich. Jemand sollte uns den Gefallen tun und ihren Alten zur Front abschieben, was? Nun ja, wie gesagt, sie ist nicht da. Ich glaube, sie ist gerade zu einer Beerdigung. Bleibt ja heutzutage kaum einem erspart. Was für eine Verschwendung an Menschenmaterial.«
    Oppenheimer beschloss, diese Gelegenheit zu nutzen. Er legte die Stirn in Falten und musterte seinen Gesprächspartner mit eisigem Blick. »Was wollen Sie damit sagen? Üben Sie etwa Kritik an der Handlungsweise des Führers?«
    Angriff erwies sich auch in diesem Fall als die beste Verteidigung. Der Mann riss für den Bruchteil einer Sekunde angsterfüllt seine Augen auf. Es war ausgesprochen heikel, wenn jemand die eigene Linientreue in Frage stellte. Fast jeden Volksgenossen konnte man auf diese Art in die Enge treiben. Zufrieden registrierte Oppenheimer, dass auch Angestellte des SD da keine Ausnahme machten. Umständlich fummelte sein Gesprächspartner nach einem Taschentuch und fuhr sich über die Stirn.
    »Was? Nein, nein, Herr Kollege, ich – keinesfalls«, stotterte er. »Aber natürlich unterstütze ich unseren Führer hun-dert-pro-zen-tig!« Als ihm keine Argumente mehr einfielen, brüllte er plötzlich »Heil Hitler!« und hob seinen Arm zum Deutschen Gruß.
    Oppenheimer imitierte Vogler, knallte zackig seine Hacken zusammen, stand stramm und erwiderte den Gruß. Erschrocken bemerkte er, wie die Hefter, die er unter dem Mantel versteckt hatte, verrutschten. Sein Gesprächspartner durfte dies auf keinen Fall bemerken. Wenn er argwöhnte, dass Oppenheimer Unterlagen herausschmuggeln wollte, dann war das Spiel aus. Er presste krampfhaft die Papiere gegen seinen Körper. Um davon abzulenken, klopfte er dem Mann jovial auf die Schulter.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch, Herr Kollege. Ich wollte Sie nicht kritisieren. Einige Ihrer Gedanken kann ich durchaus nachvollziehen. Heutzutage muss man jedoch vorsichtig sein, solche Äußerungen könnte man leicht als wehrkraftzersetzend verstehen. Ihre Meinung in allen Ehren, doch seien Sie lieber vorsichtig, wem gegenüber Sie dies äußern.«
    Erleichtert atmete der Mann auf. »Na ja, ich verstehe schon. Recht so. Recht so. Mein Name ist übrigens Holm, Peter Holm.«
    »Richard«, erwiderte Oppenheimer. Und nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Richard … Opel.«
    Als der Mann namens Holm stutzte, fiel Oppenheimer auf, welch dämlichen Namen er auf die Schnelle gewählt hatte.
    »Opel? Oh, wie der Autobauer? Irgendwie verwandt?«
    »Leider nicht.«
    Sie gaben sich die Hand. Oppenheimer musste aufpassen, dass die Hefter nicht noch mehr verrutschten. Nach dieser kurzen Vorstellung zog Holm seinen Mantel an und setzte sich in Bewegung. Oppenheimer entschied, dass es unauffälliger war, ihn zu begleiten.
    »So, so. Sie sind auch auf dem

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