Germania: Roman (German Edition)
ohne im Blumenbeet verräterische Spuren zu hinterlassen. Und trotzdem regte sich nichts.
Oppenheimer füllte seine Lungen mit der kühlen Nachtluft und fluchte in sich hinein. In dieser verhängnisvollen Situation schien alles denkbar zu sein. Vielleicht war der Verbindungsmann aufgeflogen. Oder sie hatten sich bei der Zeit geirrt. Oder der SD hatte schon längst alle liquidiert, und nur ihn hatten sie vergessen.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Das Fenster über seinem Kopf öffnete sich. Oppenheimer zuckte zusammen, als ein Seil auf ihm landete. Droben beugte sich jemand aus dem Fenster. Ein Wispern in der Nacht. »Hallo? Sind Sie da, Schiller?«
Fast zu spät erinnerte sich Oppenheimer daran, dass dies sein Deckname war.
»Hier«, flüsterte Oppenheimer gerade noch rechtzeitig, ehe das Seil wieder hochgezogen wurde. Dummerweise war er nicht geübt darin, Häuserwände emporzuklettern. Ächzend hangelte er sich an dem Strick hinauf. Er kam nur langsam voran. Eine Hand griff nach ihm und zog ihn die letzten Zentimeter ins Gebäudeinnere.
Er befand sich in einem langen Korridor mit vielen Türen. Eine einzelne Deckenleuchte im nächstgelegenen Gang warf lange Schatten über den Boden. Im Zwielicht starrte Oppenheimer die Gestalt vor ihm an. Er stutzte, als er eine Frau mittleren Alters erkannte. »Sind Sie etwa der Kontaktmann?«, fragte er verblüfft.
»Bei der Abwehr kennen sie nur die männliche Bezeichnung für jemanden in meiner Funktion«, murmelte sie, während sie das Seil wieder zusammenrollte, vom Heizungskörper losband und das Fenster schloss. »Keine Ahnung, weswegen. Hier drinnen gibt es keine Wachen. Wenn Sie jemandem begegnen, einfach normal verhalten, nur nicht auffallen. Es gibt einige Leute, die hier auch nachts arbeiten. Aber kommen Sie, wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen.«
Sie drückte ihm das Seil in die Hände und lief durch den Gang, Oppenheimer hinterher. So sehr er auch versuchte, leise zu sein, der Klang seiner Schritte schien hundertfach verstärkt zu werden. Zum Glück war es bis zu Voglers Büro nicht weit. Die Frau holte einen metallisch blitzenden Gegenstand hervor und steckte ihn ins Schlüsselloch. Das Schloss klickte, und seine Begleiterin öffnete die Tür. Oppenheimer war bereits im Begriff, den Raum zu betreten, als er erstarrte.
»Was ist?«, wisperte die Frau, die sein Zögern bemerkte. Schließlich verlor sie die Geduld mit Oppenheimer und schob ihn kurzerhand in das Zimmer. Vom Klang der sich schließenden Tür bekam er kaum etwas mit. Gebannt starrte er auf die Holztafel direkt gegenüber.
Während der Untersuchung hatte er stets geglaubt, dass sich niemand so genau darum kümmerte, was er tat, solange er Resultate lieferte. Zwar wurde er beschattet, doch Oppenheimer war immer davon ausgegangen, dass dies die einzige Überwachungsmaßnahme war. Jetzt erkannte er, dass diese Annahme eine Illusion gewesen war.
Vogler hatte hier in seinem Büro offenbar versucht, jeden einzelnen von Oppenheimers Gedanken nachzuvollziehen. Ohne große Mühe erkannte er die beschriebenen Zettel auf der Tafel wieder, die nur für Oppenheimer ein Muster ergaben. Vogler oder einer seiner Mitarbeiter hatte sich die Mühe gemacht, sie hier exakt so anzuordnen wie im Zehlendorfer Häuschen. Vor ihm hingen die Ergebnisse der letzten Wochen, das Resultat seiner Arbeit, bevor sie Karl Zieglers habhaft geworden waren.
»Was ist?«, flüsterte seine Begleiterin ungeduldig.
Oppenheimers Mund fühlte sich eigenartig trocken an. »Nichts«, brachte er schließlich hervor.
»Dort hinten.« Die Frau zeigte auf einen Schreibtisch, der in der Ecke stand. »Die Unterlagen auf der Tischplatte sind neu.«
Es kostete Oppenheimer eine gewisse Anstrengung, sich nach dieser Überraschung wieder auf seine eigentliche Mission zu konzentrieren. Er riss seinen Blick von der Tafel los und wandte sich den Mappen zu, die auf dem Schreibtisch lagen.
Hastig blätterte er durch die Unterlagen, aber es war zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Er wagte nur, die Tischlampe anzuknipsen, um die Schriftstücke zu sichten. Ganz oben lag ein Vernehmungsprotokoll. Oppenheimer blätterte eilig darin, immer auf der Suche nach einem Namen oder einer Adresse, nach Hinweisen, wer der zweite Täter war und wo sie die entführten Frauen hingebracht hatten. Doch schon bald kam er zu dem Schluss, dass dieses Geständnis gefälscht sein musste. Ziegler gestand darin, die Frauen allein entführt und gequält zu
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