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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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er wenigstens die Möglichkeit, während der Fahrt die Unterlagen zu überfliegen, und konnten herausfinden, wer ihr Täter war. Sie steckten ihre Köpfe über den Papieren zusammen. Die Aufgabenteilung war schnell gefunden. Während Hilde Lutzows medizinische Gutachten durchblätterte, stöberte Oppenheimer in den Akten der beiden Männer nach Übereinstimmungen. Schon nach wenigen Minuten wurde er fündig.
    »Hier haben wir es.« Oppenheimer konnte seine Aufregung kaum zügeln. »Die Verbindung zwischen Ziegler und Lutzow. Hier sind Kopien der Meldeamt-Einträge. Vor dreieinhalb Jahren wohnten sie für einige Monate in Köpenick in derselben Mietskaserne.«
    »Das heißt, sie kennen sich.«
    »Das ist recht wahrscheinlich, lässt sich aber nicht nachweisen. Dazu müsste man schon die ehemaligen Anwohner befragen. Wäre ich noch bei der Kripo, würde ich auch die Akten durchsehen lassen, ob es zu dieser Zeit unaufgeklärte Mordfälle rund um Köpenick gab. Vielleicht sind ihnen schon früher Frauen zum Opfer gefallen.«
    »Quatsch mit Soße. Du bist immer so vorsichtig, Richard. Das sagt einem doch der gesunde Menschenverstand, dass sie sich dort kennengelernt haben.«
    Oppenheimer konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen. »Der gesunde Menschenverstand? Oha! Und das kommt ausgerechnet von dir? Sonst bestehst du doch immer auf Fakten!«
    »Schau mal, vom Alter her passt Lutzow hundertprozentig in das Profil, das wir erarbeitet haben. Wenn wir davon ausgehen, dass die beiden zusammengearbeitet haben, erklärt das auch die unterschiedlichen Verletzungen bei den Opfern. Das hatte mich schon die ganze Zeit über beschäftigt. Ich konnte mir zuerst keinen Reim darauf machen, aber jetzt ist es klar.«
    Noch bevor Hilde weitersprechen konnte, unterbrach Oppenheimer. »Warte mal. Du bist schon drei Schritte weiter.«
    Hilde atmete tief durch. Mit aller Nachsicht, die sie aufbringen konnte, begann sie, ihren Gedankengang zu erklären. »Es ist doch ganz einfach. Gehen wir davon aus, dass Ziegler nur ein Helfer war. Sagen wir mal, er wollte lediglich seine sadistischen Impulse befriedigen. Dann sind die Tonaufnahmen für ihn sicher so eine Art Andenken – Trophäen, wenn du willst. Auf den Schallplatten hört man das Flehen der Opfer, während ihnen die Nägel in die Ohren geschlagen wurden. Das hängt also mit Ziegler zusammen.«
    Oppenheimer nickte. »Gut, das könnte man so sehen. Und was ist mit den herausgeschnittenen Geschlechtsteilen?«
    »Darauf wollte ich gerade kommen. Das muss mit dem zweiten Täter zusammenhängen, mit Lutzow. Den Briefen nach zu urteilen, hasst er Frauen. Seine Motivation ist es, sogenannte Huren unschädlich zu machen. Und genau das tut er. Er tötet sie nicht nur, sondern beraubt sie auch gleich ihres Geschlechtsteils, damit sie nicht mehr gefährlich sind. Auf jeden Fall muss Lutzow derjenige sein, der die Briefe geschrieben hat, Ziegler ist einfach zu blöd dazu. Lutzow hat seine Taten ideologisch verbrämt, ihm geht es um öffentliche Anerkennung, und er geht dabei so weit, die Leichen zur Schau zu stellen. Er ist eindeutig die treibende Kraft bei diesen Morden.«
    »Nun gut, hier ist ein Dokument, demzufolge war Lutzow im letzten Krieg an der Front. Er hat einen Bezug zu dieser Zeit, das stimmt so weit. Eine Auszeichnung wurde ihm wohl nicht verliehen, es finden sich aber auch keine Hinweise darauf, dass man ihn unehrenhaft entlassen hätte.«
    Hilde blickte kurz auf das Schriftstück und zeigte dann mit dem Finger darauf. »Lutzows abnormes Verhalten muss irgendwie mit diesem Zeitabschnitt zusammenhängen. Sonst ergibt es keinen Sinn, dass er die Frauen vor den Denkmälern für den Ersten Weltkrieg präsentiert hat.«
    »Du meinst also, er hat während dieser Zeit eine Erfahrung mit Frauen gemacht, die ihn auf irgendeine Art und Weise geprägt hat?«
    Ein zynisches Lächeln umspielte Hildes Lippen, als sie eines der ärztlichen Gutachten vor Oppenheimers Nase schwenkte. »Weißt du, auf wann das hier datiert wurde? 1920. Lutzow wurde zu dieser Zeit wegen Syphilis behandelt. Schon gelesen?«
    Überrascht schüttelte Oppenheimer den Kopf. »Was hat Lutzows alte Erkrankung damit zu tun?«
    »Ihm ist am eigenen Leib passiert, was er in seinen Briefen beschreibt. Er hat sich bei einer Frau mit Syphilis angesteckt, und Jahre später schwadroniert er davon, dass der Volkskörper durch Huren geschädigt würde. Das spricht doch wohl für sich. Wahrscheinlich hat er irgendeine

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