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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sie am Montag von den Ausschweifungen des Sonntags allzu müde war, versetzte sie sich einen heftigen Faustschlag auf die Nase, verließ ihren Schlag unter dem Vorwande, Wasser zu holen, und kroch in die warme Streu zwischen die Tiere. Ihr Vater, der ihr gegenüber sehr schwach war, duldete es auf die Gefahr hin, Verdruß deswegen zu haben.
    Vater Mouque, der eben in den Stall trat, war ein kurzer, kahlköpfiger Mensch mit stark verwitterten Zügen, aber dick von Gestalt, was selten war bei einem ehemaligen Grubenarbeiter von fünfzig Jahren. Seitdem man ihn zum Stallknechte gemacht, kaute er so leidenschaftlich Tabak, daß das Zahnfleisch in seinem schwarzen Maul blutete. Als er neben seiner Tochter die zwei anderen bemerkte, ward er zornig.
    »Was habt ihr da zu suchen? Fort mit euch Dirnen, die ihr mir einen Mann herführet, um in meinem Stroh eure Schweinereien zu treiben.«
    Die Mouquette fand es drollig und hielt sich den Bauch vor Lachen. Etienne aber ging verlegen von dannen, während Katharina ihm zulächelte. Als alle drei nach dem Aufzugssaale zurückkehrten, trafen daselbst eben auch Bebert und Johannes mit einem Kohlenzuge ein. Da es einen kurzen Aufenthalt gab, bis die Förderschalen instandgesetzt wurden, näherte sich Katharina dem Pferde, tätschelte es mit der Hand und sprach mit dem Kameraden von dem Tiere. Es war Bataille, der Älteste in der Grabe, ein Schimmel, der seit zehn Jahren unten arbeitete. Seit zehn Jahren lebte er in diesem Loche, immer in demselben Winkel des Stalles und verrichtete immer dieselbe Arbeit in diesen schwarzen Galerien, ohne jemals das Tageslicht wiedergesehen zu haben. Sehr fett, mit glänzendem Haar und gutmütigem Aussehen schien er das Leben eines Weisen zu führen, bewahrt vor allem Ungemach der Erde. Der Gaul war übrigens hier in der Finsternis sehr schlau geworden. Der Weg, den er befuhr, war ihm schließlich so vertraut geworden, daß er mit dem Kopfe die Lüftungstüren aufstieß und bei den allzu niedrigen Stellen sich bückte, um nicht anzustoßen. Ohne Zweifel wußte er auch, was seine Pflicht sei; denn wenn er die vorgeschriebene Anzahl von Fahrten gemacht hatte, weigerte er sich, noch eine zu machen, und man mußte ihn wieder zur Raufe zurückführen. Jetzt kam das Alter; seine Augen nahmen zuweilen einen trüben Ausdruck an. Vielleicht sah er in seinen dunklen Träumen die Mühle wieder, wo er geboren, eine Mühle in der Nähe von Marchiennes am Ufer der Scarpe, umgeben von breiten Fluren, über die ein frischer Wind dahinfegte. Etwas brannte in der Luft, eine ungeheure Lampe, deren sein Tiergedächtnis sich nicht genau erinnern konnte. So stand er denn mit gesenktem Kopfe zitternd auf seinen alten Füßen da und machte vergebliche Anstrengungen, sich der Sonne zu erinnern.
    Inzwischen dauerten die Manöver in dem Schachte fort; der Signalhammer hatte vier Schläge getan, das Pferd wurde herniedergelassen. Das verursachte immer eine gewisse Aufregung; denn es geschah manchmal, daß das Tier, vom Entsetzen ergriffen, unten tot anlangte. Oben ward es mittelst eines Netzes gefesselt, wogegen es sich verzweifelt wehrte; sobald es keinen Boden mehr unter sich fühlte, war es wie versteinert; so versank es in der Tiefe ohne ein Beben der Haut mit weiten, starren Augen. Das Tier, das heute hinabbefördert werden sollte, war zu groß, um zwischen den Leitpfosten hindurch zu können; man hatte es unterhalb der Förderschale befestigen und den Kopf zur Seite festbinden müssen. Der Abstieg währte nahezu drei Minuten; aus Vorsicht verlangsamte man den Gang der Maschine. Darum stieg unten die Verwunderung immer höher. Was? Will man etwa das Pferd unterwegs in der Luft hängen lassen? Endlich ward es sichtbar, unbeweglich, wie versteinert, die starren Augen vom Entsetzen erweitert. Es war ein Brauner, kaum drei Jahre alt, Trompete mit Namen.
    »Aufgepaßt!« rief Vater Mouque, der das Tier zu übernehmen hatte. »Schafft es her, aber macht es noch nicht los.«
    Trompete wurde wie eine tote Masse auf die eisernen Platten des Fußbodens niedergelegt. Das Tier bewegte sich noch immer nicht; das schier endlose, finstere Loch, durch welches es gekommen, und dieser tiefe, von Geräusch widerhallende Saal: sie lasteten wie ein Alpdruck auf ihm. Man war eben damit beschäftigt, es loszubinden, als Bataille, seit einem Augenblick ausgespannt, sich näherte und den Kopf vorstreckte, um den Gefährten zu beriechen, der so urplötzlich von der Erde daherkam. Die Arbeiter

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