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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Antwort bekommen, dachte er. Übrigens verpflichtete ihn das zu nichts; er könne ja noch immer weggehen, nachdem er einen Bissen gegessen. Dann wieder verdroß es ihn, daß er nicht nein gesagt, als er die Freude Katharinas sah, die ihm freundschaftlich zulächelte, ganz froh darüber, daß sie ihm zu Hilfe gekommen. Was half ihm aber alldies?
    Als die Maheu ihre Holzschuhe an sich genommen und ihre Fächer verschlossen hatten, verließen sie die Baracke und folgten den Kameraden, die einer nach dem andern sich entfernten, nachdem sie sich erwärmt hatten. Etienne schloß sich ihnen an; Levaque und sein Sohn gingen mit demselben Trupp. Doch im Siebwerke wurden sie durch eine heftige Szene zurückgehalten. Es war in einem geräumigen Schuppen mit einem von Kohlenstaub geschwärzten Gebälk und großen Fensterläden, durch die ein fortwährender Luftzug strich. Die Kohlenhunde kamen unmittelbar aus dem Aufnahmesaale hierher und wurden durch die Auslader auf lange Rutschen aus Eisenblech geleert. Bei den Rutschen standen rechts und links auf erhöhten Stufen die Sichterinnen, mit Schaufel und Rechen ausgerüstet, scharrten die Steine beiseite und stießen die reine Kohle in die Trichter hinab, durch welche sie in die Waggons der Eisenbahn fielen, die unter dem Schuppen hinlief.
    Hier arbeitete Philomene Levaque, ein mageres, bleiches, schwindsüchtiges Mädchen mit einem Schafsgesicht. Den Kopf mit einem blauen Lappen umwickelt, Hände und Arme schwarz bis zu den Ellbogen, oblag sie der Sichtungsarbeit; sie stand unterhalb einer alten Hexe, der Mutter der Frau Pierron, die Brulé genannt, einem schrecklichen Weib mit den Eulenaugen und den eingekniffenen Lippen, die an den Geldbeutel eines Geizigen erinnerten. Sie lagen im Streit miteinander; die Junge beschuldigte die Alte, daß sie ihr die Steine wegnehme, so daß sie in zehn Minuten nicht einen Korb voll zusammenbringe. Man bezahlte sie nämlich nach Körben. Da gab es denn endlosen Zank und Hader; die Zöpfe flogen, die Hände zeichneten sich in schwarzen Flecken auf dem roten Gesichte der Gegnerin ab.
    »Gib ihr doch eins in die Fratze!« rief Zacharias von oben seiner Geliebten zu.
    Alle Sichterinnen lachten. Doch die Brulé wandte sich jetzt giftig gegen den jungen Mann.
    »Du Schweinekerl tätest besser, die zwei Bälge anzuerkennen, die du ihr gemacht hast!... Hat man je so etwas gehört!... Eine Hopfenstange von achtzehn Jahren, die sich kaum auf den Beinen erhalten kann!«
    Maheu mußte seinen Sohn verhindern hinabzugehen, um sich --- wie er sagte --- die Hautfarbe dieses Gerippes anzusehen. Ein Aufseher eilte herbei, die Rechen versenkten sich wieder in die Kohle. Von der Höhe sah man nichts mehr, als die runden Rücken der Weiber, die sich aufs heftigste die Steine streitig machten.
    Draußen hatte der Wind sich plötzlich gelegt; eine feuchte Kälte senkte sich vom grauen Himmel hernieder. Die Grubenarbeiter hoben die Schultern, kreuzten die Arme und gingen in regellosen Gruppen dahin mit einer wiegenden Bewegung der Lenden, die ihre derben Knochen unter der dünnen Leinwandhülle ihrer Kleidung hervortreten ließ. Im Tageslichte sahen sie aus wie eine Bande von Negern, die man in Schmutz getaucht hat. Einige hatten ihren »Ziegel« nicht ganz verzehrt und dieser Brotrest, den sie zwischen Hemd und Jacke zurückbrachten, ließ sie bucklig erscheinen.
    »Schau, da ist Bouteloup«, sagte Zacharias grinsend.
    Ohne stehen zu bleiben, tauschte Levaque zwei Sätze mit seinem Mieter aus, einem kräftigen Burschen von fünfunddreißig Jahren mit sanftem, biederen Antlitz.
    »Ist die Puppe fertig, Louis?«
    »Ich glaube.«
    »So ist das Weib heute gut?«
    »Ja, ich glaube, sie ist gut.«
    Andere Grubenarbeiter kamen, die gruppenweise in dem Schacht verschwanden. Es war die Drei-Uhr-Schicht; neue Männer, welche die Grube verschlang, wo sie anstelle der anderen die Arbeit aufnahmen. Niemals feierte die Grube; Tag und Nacht waren menschliche Käfer da, die sechshundert Meter unter den Rübenfeldern in dem Gestein gruben.
    Indes gingen die jungen Leute voraus. Johannes vertraute Bebert einen verwickelten Plan an, wie man sich für vier Sous Tabak verschaffen könne. Lydia folgte ihnen in einer respektvollen Entfernung. Katharina ging mit Zacharias und Etienne. Niemand sprach. Vor der Gastwirtschaft »Zum wohlfeilen Schoppen« wurden sie von Maheu und Levaque eingeholt.
    »Da ist's«, sagte ersterer. »Wollen Sie eintreten?«
    Man trennte sich. Katharina blieb noch

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