Germinal
nichts bei Maigrat, was denn? Doch schon hatte sie, wie sie es gewöhnlich tat, die Ärmel aufgeschürzt, um ihm den Rücken und jene Teile des Körpers zu waschen, die er selbst nicht leicht erreichen konnte. Er liebte es übrigens, daß sie ihn einseifte, daß sie ihn überall rieb, bis die Handknöchel sie schmerzten. Sie nahm die Seife und bearbeitete ihm die Schultern, während er sich in die Höhe reckte, um stramm auszuhalten.
»Ich bin dann zu Maigrat zurückgegangen und habe ihm Worte gesagt, feine Worte! ... Es müsse einer kein Herz im Leibe haben, um so zu handeln, und es müsse ihm schlimm ergehen, wenn es noch eine Gerechtigkeit gebe ... Das ging ihm an die Kehle; er wandte den Kopf weg und wäre am liebsten durchgegangen ...«
Vom Rücken ging sie zu den Hinterbacken hinab; als sie einmal im Zuge war, ging sie weiter, suchte die Falten auf und ließ nicht ein Plätzchen am Körper, ohne es blank zu scheuern, wie ihre Schüsseln bei der großen Samstagsreinigung. Sie geriet in Schweiß bei diesem heftigen Auf und Nieder der Arme und kam dermaßen außer Atem, daß ihr die Worte fehlten.
»Schließlich hat er mich eine alte Klette geheißen ... Doch wir werden Brot haben bis zum Samstag, und das Schönste ist, daß er mir auch hundert Sous geliehen hat ... Ich nahm bei ihm noch die Butter, den Kaffee, die Zichorie; ich wollte auch Wurstzeug und Kartoffeln nehmen, doch da begann er zu brummen ... Für sieben Sous Fleischkäse, für achtzehn Sous Kartoffeln; es blieben mir drei Franken und fünfundsiebzig Centimes für ein Ragout und ein Suppenfleisch ... Ich glaube, meinen Vormittag ganz gut genutzt zu haben.«
Jetzt trocknete sie ihn ab und tupfte ihn mit einem Lappen an den Stellen, wo er nicht gleich trocken werden wollte. Er war froh, dachte nicht daran, daß die Schuld auch bezahlt werden müsse, brach in ein helles Lachen aus und schloß sie in seine Arme.
»Laß doch, Narr! Du bist noch ganz naß und wirst mich auch naß machen ... Aber,« fügte sie hinzu, »ich glaube, Maigrat hat gewisse Absichten ...«
Sie wollte von Katharina reden, hielt aber inne. Wozu sollte sie den Vater beunruhigen? Das gäbe wieder Geschichten ohne Ende.
»Was für Absichten?« fragte er.
»Die Absicht, uns zu betrügen. Katharina muß seine Rechnung genau prüfen müssen.«
Er faßte sie abermals und ließ sie nicht mehr los. Das Bad endete immer so. Es erfrischte und kräftigte ihn, wenn sie ihn so stark rieb und überall mit dem Linnen herankam, das ihm die Haare an Brust und Armen kitzelte. Dies war übrigens auch in den anderen Häusern des Arbeiterdorfes die Stunde der Liebestorheiten, in welcher Kinder gemacht wurden, mehr als man wollte. In der Nacht hatte man die Familie am Halse. Er drängte sie zum Tische und trieb seine Possen als wackerer Mann, der sich des einzigen frohen Augenblicks am Tage freut und dies »seinen Nachtisch nehmen« nannte, einen Nachtisch, der nichts kostete. Sie, mit ihrer vollen Gestalt und ihrem üppigen Busen, wehrte sich zum Spaß ein wenig.
»Bist du aber ein Narr! ... Estelle sieht uns zu! Wart', ich will ihr doch wenigstens den Kopf wegwenden.«
»Ach, was weiß denn ein Kind mit drei Monaten!«
Als Maheu sich wieder erhob, zog er bloß ein trockenes Beinkleid an. Wenn er sauber war und mit seinem Weibe geschäkert hatte, war es sein Vergnügen, eine Weile mit nacktem Rumpfe zu bleiben. An seiner Haut, die so weiß war wie bei blutleeren Mädchen, gab es allerlei Ritze und Einschnitte, die von der Kohle herrührten; die Grubenarbeiter nannten dies »Augen«. Er tat ganz stolz, zeigte seine dicken Arme, seine breite Brust, die schimmerten wie blau geäderter Marmor. Zur Sommerszeit konnte man alle Grubenarbeiter so vor ihren Haustüren sehen. Er ging auch jetzt einen Augenblick hinaus, trotz des feuchten Wetters, und rief ein gepfeffertes Wort einem Kameraden hinüber, der jenseits der Gärten, gleichfalls mit nackter Brust, auf der Straße stand. Es kamen noch andere heraus; und die Kinder, die auf dem Trottoir spielten, schauten auf und stimmten lachend mit ein in die Freude über all das müde Fleisch der Arbeiter, das in die freie Luft gebracht wurde.
Während er seinen Kaffee trank -- ehe er noch sein Hemd übergeworfen hatte -- erzählte Maheu seinem Weibe von dem Zorn des Ingenieurs wegen der Verholzung. Er war jetzt ruhig und gelassen und hörte mit zustimmendem Kopfnicken die weisen Ratschläge seines Weibes an, das in diesen Dingen sehr viel gesunden Sinn
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