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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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pflücken? Ein Salat sei eine schöne Zutat zu dem Gemüse, das sie bereitete, eine Mischung von Kartoffeln, Sauerampfer, Lauch und geschmorten Zwiebeln. Das ganze Haus war mit dem Wohlgeruch der geschmorten Zwiebeln angefüllt, diesem Geruch, der so schnell ranzig wird und mit einem solchen Gestank durch die Ziegelwände dieser Arbeiterhäuser dringt, daß man schon weit draußen im Freien an diesem Mißdufte der armen Küchen die Nähe des Arbeiterdorfes erkennen kann.
    Als Maheu bei eingetretener Dunkelheit den Garten verließ, schlief er sogleich auf einem Sessel ein, den Kopf an die Wand gelehnt. Sobald er des Abends sich setzte, schlief er auch ein. Die Kuckucksuhr schlug die siebente Abendstunde; Heinrich und Leonore zerbrachen einen Teller, weil sie sich es in den Kopf gesetzt hatten, Alzire bei dem Tischdecken zu helfen. Jetzt kam Vater Bonnemort als erster nach Hause; er wollte rasch essen, um zur Grube zurückzukehren. Frau Maheu weckte ihren Mann.
    »Laß uns essen; um so schlimmer für die Rangen! ... Sie sind groß genug, um den Weg nach Hause zu finden. Es ist nur schade, daß wir keinen Salat haben.«
     

Fünftes Kapitel
    Etienne war, nachdem er in Rasseneurs Herberge eine Suppe gegessen, in die ihm angewiesene schmale Dachkammer hinaufgegangen und daselbst todmüde, völlig angekleidet, auf sein Bett gesunken. In zwei Tagen hatte er nicht vier Stunden geschlafen. Als er in der Abenddämmerung erwachte, war er eine Weile betäubt und erkannte den Ort nicht, wo er sich befand. Er fühlte ein solches Unbehagen, eine solche Schwere des Kopfes, daß er sich mühsam aufrichtete, um ein wenig frische Luft zu schöpfen, bevor er sein Abendessen einnahm und sein Nachtlager aufsuchte.
    Das Wetter draußen heiterte sich immer mehr auf; der bisher tiefschwarze Himmel bedeckte sich mit kupferroten Wolken, die mit einem jener lang andauernden Regen beladen waren, wie sie in Nordfrankreich häufig sind; der Regen kündete durch die feuchte Wärme der Luft seine Nähe an. Die Nacht brach schnell herein und hüllte die verschwimmenden Fernen der Ebene in tiefe Finsternis. Über diesem unermeßlichen Meer von rötlichen Feldern schien der tief hängende Himmel in schwarzem Staube zu zerfließen, und nicht der leiseste Windhauch belebte die nächtliche Finsternis. Es war die stille, fahle Trübsal eines Kirchhofes.
    Etienne ging geradeaus vor sich hin; er hatte keinen andern Zweck, als sein Fieber abzuschütteln. Als er bei dem Voreuxschachte vorbeikam, der dunkel in seiner Vertiefung lag, und wo noch keine Lampe angezündet war, blieb er einen Augenblick stehen, um den Auszug der Tagarbeiter mit anzusehen. Ohne Zweifel war sechs Uhr vorüber; Karrenschieber, Verlader, Pferdewärter kamen gruppenweise heraus, dazwischen auch Mädchen vom Sichtungswerke, deren undeutliche Gestalten sich im Dunkel entfernten.
    Zuerst erschien die Brulé mit ihrem Schwiegersohn Pierron. Sie zankte ihn aus, weil er sie in einem Streite, den sie mit einem Aufseher wegen ihrer Arbeitsleistung gehabt, nicht unterstüzt hatte.
    »Du bist ein Schwächling! Wie kann ein Mann sich so ducken vor einem dieser Saukerle, die uns das Mark aus den Knochen saugen!«
    Pierron folgte ihr ruhig, ohne zu antworten. Schließlich sagte er:
    »Hätte ich vielleicht Händel mit ihm anfangen sollen? Ich danke für solchen Verdruß.«
    »Ja, halte ihm nur den Hintern hin!« schrie sie. »Herrgott! Wenn meine Tochter mir gehorcht hätte! ... Ist es nicht genug, daß sie mir den Mann getötet; soll ich mich bei ihnen etwa noch bedanken? Nein, wahrhaftig, wenn ich ein Mann wäre, ich würde sie schinden!«
    Ihre Stimmen verloren sich. Etienne sah die Alte sich entfernen mit ihrer Adlernase, ihrem fliegenden, weißen Haar, ihren mageren, langen Armen, die wütend herumfuchtelten. Doch jetzt ward er auf das Gespräch von zwei jungen Leuten aufmerksam, die hinter ihm herkamen. Er erkannte Zacharias, der hier auf seinen Freund Mouquet gewartet hatte.
    »Bist du da?« fragte dieser. »Wir wollen rasch essen und dann zum »Vulkan« gehen.«
    »Sogleich; ich habe zu tun.«
    »Was denn?«
    Er wandte sich um und bemerkte Philomene, die aus dem Sichtungswerke kam. Er schien zu begreifen.
    »Ach so! ... Gut, ich gehe voraus.«
    »Ja, ich komme nach.«
    Als Mouquet ging, begegnete er seinem Vater, dem alten Mouque, der ebenfalls aus dem Voreuxschachte kam; die beiden Männer sagten einander gute Nacht, dann ging der Sohn auf der Straße fort, während der Vater längs des

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