Germinal
zeigte. Sie wiederholte ihm immer wieder, daß bei den Reibungen mit der Gesellschaft nichts zu gewinnen sei. Dann erzählte sie ihm von dem Besuche der Frau Hennebeau; darüber waren beide stolz, ohne es zu sagen.
»Kann man hinunterkommen?« fragte Katharina von der Höhe der Treppe.
»Ja, ja; dein Vater trocknet sich ab.«
Das Mädchen hatte ihren Sonntagsstaat angelegt, ein altes Kleid von blauer Popeline, in den Falten schon verblaßt und abgenützt. Auf dem Kopfe trug sie ein einfaches Häubchen von schwarzem Tüll.
»Schau, du hast dich angekleidet ... Wohin gehst du denn?«
»Ich gehe nach Montsou, um ein Band für meine Haube zu kaufen. Ich habe das alte weggerissen; es war zu schmutzig.«
»Hast du denn Geld?«
»Nein; die Mouquette hat mir versprochen, mir zehn Sous zu leihen.«
Die Mutter ließ sie ziehen; doch als Katharina schon bei der Tür war, rief sie ihr nach:
»Höre einmal: kaufe dein Band nicht bei Maigrat ... Er betrügt dich und könnte glauben, daß wir im Golde wühlen.«
Der Vater, der sich vor dem Feuer niedergehockt hatte, um Nacken und Achselhöhlen rascher zu trocknen, begnügte sich hinzuzufügen:
»Lauf des Nachts nicht auf den Straßen herum.«
Am Nachmittag arbeitete Maheu in seinem Garten. Er hatte daselbst schon Kartoffeln, Bohnen und Erbsen gesät; auch hatte er sich gestern Kohl und Lattich zum Setzen bereitgestellt. Dieser Winkel des Gartens versorgte sie mit Gemüsen, Kartoffeln ausgenommen, von denen sie nie genug haben konnten. Er war im Gartenbau sehr bewandert und zog selbst Artischocken, was von den Nachbarn als Großtuerei angesehen wurde. Eben als er sich anschickte, die Pflanzen zu versetzen, erschien Levaque, seine Pfeife rauchend, in seinem Gärtchen und betrachtete die Salatpflänzchen, die Bouteloup am Morgen gesetzt hatte; denn hätte nicht der Mieter in dem Gärtchen einiges gearbeitet, wäre es von Brennesseln überwuchert. Die beiden begannen ein Gespräch über den Gartenzaun hinweg. Levaque, noch müde und aufgeregt von den Prügeln, die er seiner Frau verabreicht hatte, machte vergebliche Anstrengungen, Maheu in die Schenke Rasseneurs zu locken. Sollte er vor einem Schoppen erschrecken? Man werde eine Kegelpartie machen, dann mit den Kameraden eine Weile herumstreichen und schließlich zum Abendessen heimkehren. So lebten die Arbeiter, wenn sie die Grube verlassen hatten. Es sei gewiß nichts Übles dabei; allein Maheu weigerte sich; er müsse seine Pflänzlein versetzen, sagte er. Im Grunde weigerte er sich aus kluger Vorsicht; er wollte nicht einen Heller von dem verlangen, was seinem Weibe von den hundert Sous noch übrig geblieben war.
Es schlug fünf Uhr, als Frau Pierron kam, um zu fragen, ob ihre Lydia nicht mit Johannes fortgegangen sei. Levague erwiderte, es müsse ungefähr so sein, da Bebert gleichfalls verschwunden sei und diese drei immer zusammen ihre schlimmen Streiche machten. Nachdem Maheu sie beruhigt hatte, indem er erzählte, daß die Kinder Löwenzahn zum Abendsalat suchen gegangen seien, begannen er und der Nachbar mit gutmütiger Ungebundenheit die Frau Pierron zu necken. Sie wurde ärgerlich, ging aber nicht weg, im Grunde dermaßen gekitzelt durch die derben Worte, daß sie in ein kreischendes Gelächter ausbrach und sich den Bauch hielt. Ihr kam eine magere Frau zu Hilfe, deren stammelnder Zorn dem Glucksen einer Henne glich. Andere Hausfrauen erschienen gleichfalls vor der Tür und zeigten eine gelinde Entrüstung. Jetzt war auch die Schule aus; die Kinder lungerten auf dem Straßenpflaster herum, es war ein Gewimmel von kleinen Wesen, die da zwitschernd sich am Boden wälzten und balgten, während die Väter, die nicht in der Schenke waren, in Gruppen zu drei und vier auf ihren Fersen hockten wie in der Grube und im Schatten einer Mauer ihre Pfeife rauchten. Endlich entfernte sich Frau Pierron wütend, als Levaque sie betasten wollte, um zu sehen, ob sie feste Schenkel habe; er selbst entschloß sich, allein zu Rasseneur zu gehen, während Maheu fortfuhr, seinen Salat zu pflanzen.
Das Abenddunkel brach plötzlich herein; Frau Maheu zündete die Lampe an, verdrossen darüber, daß weder die Tochter noch die Jungen heimkehrten. Sie hätte darauf wetten können: es wollte nie gelingen, zusammen die einzige Mahlzeit einzunehmen, bei der man sich rings um den Tisch hätte versammeln können. Dann wieder war es der Löwenzahnsalat, auf den sie wartete. Was konnte denn der Schlingel in der pechfinsteren Nacht noch
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