Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
vergnügt an. Was? Sie hatte auch Geld?!
    »Nein, nein,« sagte er; »ich habe einen Schoppen getrunken, das genügt.«
    Er begann langsam die Suppe auszulöffeln, einen Brei von Brotschnitten, Kartoffeln, Sauerampfer und Lauch; er aß sie aus einem Napfe, der ihm als Teller diente. Die Maheu war, ohne Estelle von der Hand zu lassen, Alzire behilflich, damit es ihm an nichts fehle, schob ihm die Butter und den Fleischkäse hin, und stellte seinen Kaffee ans Feuer, damit er recht heiß bleibe.
    Inzwischen begann neben dem Ofen die Waschung; die Hälfte eines Fasses diente ihnen als Waschbottich. Katharina, die den Anfang machte, hatte ihn mit lauem Wasser gefüllt und entkleidete sich ruhig; sie legte Haube, Kittel und Hose ab und zog zuletzt auch das Hemd aus; sie war seit ihrem achten Jahre daran gewöhnt und war dabei aufgewachsen, ohne etwas Schlimmes darin zu sehen. Sie wandte sich nur um, mit dem Bauch zum Feuer, und rieb sich kräftig mit schwarzer Seife. Niemand schaute hin; selbst Leonore und Heinrich waren nicht mehr neugierig zu sehen, wie sie geschaffen sei. Als sie sich gereinigt hatte, ging sie ganz nackt die Treppe hinauf und ließ das nasse Hemd und ihre anderen Kleidungsstücke in einem Haufen auf den Fliesen zurück. Doch jetzt brach ein Streit zwischen den zwei Brüdern los: Johannes hatte sich beeilt, in den Bottich, zu springen, unter dem Vorwande, daß Zacharias noch esse; dieser stieß ihn, forderte, daß er selbst an die Reihe komme, und schrie, es sei doch artig genug von ihm, daß er Katharina den Vortritt gelassen; er wolle nicht im Schmutze des Jungen baden; nach Johannes könne man mit dem Wasser die Tintenfässer in der Schule füllen.
    Schließlich wuschen sie sich zusammen, gleichfalls zum Feuer gewendet, waren sogar einander behilflich und rieben sich gegenseitig den Rücken. Dann verschwanden sie gleich ihrer Schwester, indem sie nackt die Treppe hinanliefen.
    »Machen die aber ein Durcheinander!« murmelte Frau Maheu, indem sie die Kleider vom Boden auflas, um sie zum Trocknen aufzuhängen. »Alzire, wasche doch ein wenig auf!«
    Doch sie ward durch ein Gepolter unterbrochen, das plötzlich aus dem Nachbarhause hörbar wurde. Es waren die Flüche eines Mannes und das Weinen einer Frau, ein Getümmel und ein Gestampfe, dazwischen dumpfe Hiebe, die hohl klangen wie Stöße an einen leeren Kürbis.
    »Die Levaque bekommt ihren Tanz«, stellte Maheu ganz ruhig fest, indem er mit dem Löffel den letzten Rest der Suppe aus dem Topfe kratzte. »Das ist drollig; Bouteloup behauptete, die Suppe sei fertig.«
    »Ach freilich, fertig!« sagte die Maheu. »Ich sah die Gemüse noch ungereinigt auf dem Tische liegen.«
    Man hörte ein neues, heftiges Geschrei und ein furchtbares Ringen und Stoßen, das die Mauer erschütterte. Dann ward alles still. Maheu schluckte den letzten Löffel Suppe und schloß mit ruhiger Miene:
    »Ja, wenn die Suppe nicht fertig ist, dann ist's begreiflich.«
    Er trank ein volles Glas Wasser und machte sich dann an den Fleischkäse. Er schnitt viereckige Stücke davon ab, die er mit seinem Messer aufspießte und auf seinem Brote aß, ohne eine Gabel zu gebrauchen. Wenn der Vater aß, wurde nicht gesprochen. Er selbst aß schweigend; er erkannte nicht das gewöhnliche Wurstzeug Maigrats, es mußte von anderwärts kommen, doch richtete er an sein Weib keine Frage. Er fragte bloß, ob der Alte oben noch immer schlafe. Nein, der Großvater war schon ausgegangen, um seinen gewohnten Spaziergang zu machen. Abermals trat Stille ein.
    Doch der Geruch, des Fleisches ließ Leonore und Heinrich aufblicken, die sich am Boden sitzend die Zeit damit vertrieben, daß sie aus dem verschütteten Wasser Bäche ableiteten. Beide Kinder stellten sich zum Vater hin, das kleinere voran. Ihre Blicke folgten jedem Stücke, sahen hoffnungsvoll, wie es vom Teller geholt wurde, und sahen dann mit bestürzten Mienen, wie es im Munde des Vaters verschwand. Dieser bemerkte schließlich die Gier, von der sie erblaßten und ihnen der Mund wässerig wurde.
    »Haben die Kinder davon bekommen?« fragte er.
    Als sein Weib mit der Antwort zögerte, fügte er hinzu:
    »Du weißt, ich mag kein Unrecht. Es benimmt mir den Appetit, wenn sie mich da umstellen und nach einem Bissen lechzen.«
    »Aber ja, sie haben bekommen!« rief sie zornig. »Wenn du auf sie hören willst, kannst du ihnen deinen Teil geben und den Teil der anderen, sie werden sich vollstopfen, bis sie platzen. Nicht wahr, Alzire, wir alle haben

Weitere Kostenlose Bücher