Gerris Freunde als Detektive
uns nicht“, rief Max. „Sie müssen den Schlaf wiederhergeben.“
„Ich denke nicht daran“, sagte Herr Pfefferkorn.
„Dann rufen wir die Polizei.“ Max war jetzt mutig geworden.
„Die Polizei!“ höhnte Herr Pfefferkorn. „Warum nicht gleich die Feuerwehr! Seid froh, wenn ich nicht die Polizei hole, ihr Strolche. Aber ich will meine Ruhe. Deshalb lasse ich euch laufen. Nur macht, daß ihr jetzt schleunigst verschwindet.“
„Nicht ohne Gerris Schlaf“, sagte Max. Jetzt hatte Herr Pfefferkorn genug. Er winkte Karl und Friedrich: „Schafft sie aus dem Hause!“
Da klammerte sich Lotte an Herrn Pfefferkorns Arm und sagte flehentlich: „Bitte, Herr Pfefferkorn, hören Sie mich an! Gerri wird krank. Er kann nicht mehr schlafen.“
„Ich bin auch krank, ich kann auch nicht mehr schlafen“, sagte Herr Pfefferkorn und schüttelte Lotte ab. Aber sie gab nicht auf.
„Gerri ist doch erst neun! Neun Jahre, und Sie sind doch schon...“ eigentlich wollte sie sagen „alt“, aber es fiel ihr gerade noch ein, daß das unhöflich wäre, und deshalb schloß sie zögernd „...älter.“
Herr Pfefferkorn blickte Lotte an, und es war zu spüren, daß etwas in ihm vorging. Er dachte nämlich einen Augenblick daran, wie er selbst als Neunjähriger gewesen war, rotbäckig und gesund. Damals hatte er geschlafen wie ein Murmeltier. Damals. - -
Alle sahen, daß sich Herrn Pfefferkorns Gesicht veränderte, daß sein Blick an ihnen vorbeiging, in die Ferne. „Erst neun“, murmelte er.
,Ja“, sagte Martin. „Und er kann nicht mehr lachen. Er ist ganz komisch geworden.“
„Er kann nicht mehr lachen?“ wiederholte Herr Pfefferkorn. „Wo ist dieser Gerri denn überhaupt?“
„Im Kleiderschrank“, sagte Max.
Und dann holten sie Gerri aus dem Kleiderschrank. Blaß und verstört stand er vor dem wuchtigen Herrn Pfefferkorn. Der schaute ihn genau an und knurrte ein bißchen. Es klang beinahe mitleidig. Aber dann sagte er streng: „Du wolltest mich also bestehlen.“
Er wartete, ob Gerri etwas erwidern würde. Als Gerri aber die Lippen zusammenpreßte und den Kopf senkte, fuhr er fort: „So ist das! Erst große Rosinen im Kopf, seinen Schlaf verkaufen, und dann, wenn’s nicht so wird, wie man sich’s vorgestellt hat, alles wieder rückgängig machen wollen.“ Er schaute Gerri wieder durchdringend an. „Aber da wird nichts draus, meine Sohn. Ich hab’ ein Vermögen bezahlt für das da.“ Er deutete auf das blaue Glas.
Gerri schluchzte auf.
„Fang bloß nicht zu heulen an. Ist mir lästig.“ Herr Pfefferkorn zog peinlich berührt die Schultern hoch. Heulerei konnte er jetzt nicht vertragen.
Ob er selbst früher oft geheult hatte? Er wußte es nicht mehr. Er blickte auf Gerri, der seine Tränen hinunterschluckte, und dann suchte er wieder weit in der Vergangenheit den kleinen Jungen, der rotbackig und gesund gewesen war, der einen Schlaf gehabt hatte wie ein Murmeltier. —
„Eine dumme Geschichte ist das“, sagte er langsam. „Ich kann mir schon vorstellen, wie es gekommen ist. Ich war ja auch mal neun. Aber es geht nicht, daß du jetzt einfach daherkommst und deinen Schlaf zurückverlangst. Den habe ich rechtmäßig gekauft. Ich kann ja nicht sechzigtausend Mark in den Wind blasen.“ Er dachte nach und sagte dann: „Wenn es mir dein Vater wenigstens ersetzen würde.“
„Sechzigtausend Mark“, sagte Gerri erschüttert. „Ich habe keinen Vater mehr, und meine Mutter hat nicht soviel Geld.“
Herr Pfefferkorn wurde schon wieder sehr nachdenklich. Gerri hatte keinen Vater mehr. Herr Pfefferkorn wußte, was das heißt; er hatte seinen Vater auch früh verloren. Er nickte leise mit dem Kopf, und seine Augen blickten plötzlich so freundlich, daß Gerri seine Angst überwand.
„Helfen Sie mir, Herr Pfefferkorn, bitte“, sagte er.
Herr Pfefferkorn antwortete nicht gleich. Er legte die Hand über seine Augen. Helfen, dachte er. Es hatte ihn schon lange keiner mehr um Hilfe gebeten. Alle wußten, daß er ein Geizkragen war, und einen Geizkragen bittet man nicht um Hilfe.
Er nahm das Glas mit dem blauen Schlaf aus Karls Händen und betrachtete es lange. — Schlafen! Er hätte auch gerne wieder echt und tief geschlafen. Aber da stand Gerri mit seinen neun Jahren. Und Gerris Mutter war nicht reich wie er.
Mit einer plötzlichen Bewegung drückte er Gerri das Glas in die Hand: „Da, Gerri, es gehört dir.“ Und dann fügte er noch hinzu: „Ein bißchen schuld bin ich ja schließlich
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