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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Männer pfeifen auf Frauen, die
    »alles« haben und zeigen.
    Mach heißer die Hitz,
    Mutter Natur,
    und die Frauen noch nackter -
    sie zeigen nur Fleisch, jedoch
    wir Männer zeigen Charakter.
    Charakter meint auch,
    Mutter Natur,
    den Blick nicht zu wenden,
    wenn du uns mit Zitzen kommst, mit
    Bauchfleisch und blendenden Lenden.
    Stark ist,
    Mutter Natur,
    nur der, dem bewußt ist,
    daß, wer die Lust nicht kennt, nicht
    Herr der Lust ist.
    Also zeig sie uns,
    Mutter Natur,
    die Lust und die Lüste.
    Nur so packen wir sie: Die
    Brunst und die Bräute.
    Will sagen,
    Mutter Natur,
    nur so kann es glücken,
    all diese Luder so richtig durchzu -
    will sagen: zu durchschauen.
    Was ich meine, ist,
    Mutter Natur,
    ich finde die Frauen,
    die sich so gehenlassen, schon mal
    per se zum Kotzen.
    Alles zurück,
    Mutter Natur,
    solang ich noch ganz bin,
    glaube mir bitte, daß ich nicht
    gänzlich Schwan bin.
    Sagte ich Schwan,
    Mutter Natur?
    Ich meinte Schweif, nein:
    Was ich meine, ist: Soll er schon rein, dann
    muß er auch stramm sein.
    Rede ich mich,
    Mutter Natur,
    um Kopf und Gekröse?
    Ist mir egal, gute Frau, ran
    an die Madam.
    Titte sei mir,
    Mutter Natur,
    nicht möse, äh: busen -
    Es ist schon arsch, muß der Mann
    immer nur wegsehn.
    Geil ist,
    Mutter Natur,
    deiner Erfickung Pracht:
    Loch mich nicht aus, kleine Maus,
    die Hitz heut hält kein Schwanz aus -
    Schon was vor für die Nacht?
    Unworte. Optisch
    Nach Motiven von Johann Wolfgang Goethes Gedicht
»Urworte. Orphisch«
    Dämon, Trash
    Seit jenem Tag, da Pfiffige begriffen,
    Der Bilder Flut werd' alle Dämme brechen,
    War zugleich klar: Auf Anstand ist gepfiffen.
    Die Welt will Dreck. Nun soll sie dafür blechen.
    Und wenn dabei Herz, Seele, Aug' und Hirn versiffen -
    Das Bild bringt Geld. Und das gehört den Frechen.
    Denn keine Zeit und keine Macht entwickelt
    Entseelten Sinn, von Bubenhand zerstückelt.
    Das Zufällige, Talk
    Am Anfang war der Tratsch. Den zu beklatschen
    Blieb freilich uns Schlawinern vorbehalten.
    Wer andern dabei zuschaut, wie sie quatschen,
    Zählt selber zu der Herde der Beknallten,
    Die rastlos jeden Rest von Zweck zermatschen,
    Dem Redekünste frührer Zeiten galten.
    Ratsch! Bricht das weg, worauf Gespräch gegründet,
    Wenn nur noch zählt, was als Gerede zündet.
    Liebe, Peep
    »Mann, ruf mich an!« »Meinst mi? Da legst di nieder!
    Welch geiler Arsch! Und was für scharfe Titten!«
    Der Mann ist Hahn. Wild sträubt sich sein Gefieder.
    Die Frau ist Huhn. Das muß nicht lange bitten.
    Per Telefon langt er ihr an das Mieder,
    Dann wird das Hühnchen virtuell beritten.
    Versagt der Schwanz vorm Zugriff echter Frauen,
    Entflieht der Mann ins Hören oder Schauen.
    Nötigung, Fun
    Als die Verdammten konnten, wie sie wollten,
    Da einte Jung und Alt der feste Wille,
    Daß Trauer, Schmerz und Angst verschwinden sollten
    Samt Langsamkeit, Bedächtigkeit und Stille.
    Wer nicht vergnügt war, wurde weggescholten,
    Schon Abseitsstehen galt als trübe Grille -
    Humor war Trumpf und sorgte mit den Jahren
    Dafür, daß alle elend gut drauf waren.
    Hoffnung, Show
    Doch all des Schwachsinns widerwärtge Mauer
    Wird dem durch zarte Zauberhand entriegelt,
    Der sich eins klarmacht: Nichts ist hier von Dauer.
    Das flirrt und flackert scheinbar ungezügelt,
    Und ist doch Show nur, welche den Beschauer,
    Der auf sich sieht, zum Abschalten beflügelt:
    Man zappt noch einmal quer durch alle Zonen,
    Ein Fingerdruck – und hinter uns Äh-Bäh-Onen.
    »Was bedeutet ihnen Goethe heute?«
    Antwort auf eine Umfrage
anläßlich des 250sten Geburtstages des Dichters
    Ihr fragt, was mir Goethe heute bedeute?
    Das kann ich euch verraten, Leute!
    Er ist:
    Der Dichter, der sich ständig erneute,
    wann immer der Teufel »Stillstand« dräute.
    Der Mann, den sein Bettschatz Christiane so freute,
    daß er weder Klatsch noch Skandale scheute.
    Der Geist, der dem Leser kaltlächelnd einbläute:
    Du hast nur die Wahl zwischen Meute und Beute.
    Der werbende Greis, dem die letzte der Bräute
    das Jawort versagte samt Kirchengeläute.
    All das fällt mir heute zu Goethe ein,
    schon morgen könnt's etwas anderes sein.
    Aber das war ja nicht das Thema.
    Schlegel und Regel
    I
Die Gebüsche
Von Friedrich Schlegel
    Es wehet kühl und leise
    die Luft durch dunkle Auen,
    und nur der Himmel lächelt
    aus tausend hellen Augen.
    Es regt nur eine Seele
    sich in der Meere Brausen
    und in den leisen Worten,
    die durch die Blätter rauschen.
    So tönt in Welle Welle,
    wo Geister

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