Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
ge
lesen? Den
letzten von
Walser? Vom
Brunnen, der
springt?
Ist dir beim
Lesen nicht
auch so ge
wesen, als
ob er es
diesmal ganz
ordentlich
bringt?
Wasserburg, Bodensee
Gastwirtschaft, Nazizeit
Mutterleid, Vaterland
Bestseller, Bestseller
Hast du das
letzte Ge
spräch schon ge
lesen? Der
Walser trifft
Augstein, da
hebt der Mann
ab!
Ist dir beim
Lesen nicht
auch so ge
wesen, als
sei er ein
klein wenig
neben der
Kapp?
Wirklichkeit, Speicherung
Wasserburg, Birkenau
Meinungsdienst, Zwangsmoral
Auswandern, auswandern
Hast du den
letzten Skan
dal schon ver
nommen? Die
Rede von
Walser zu
Frankfurt am
Main?
Ist auch bei
dir das Ge
fühl aufge
kommen, das
Schweigen sei
Silber, doch
Reden sei
Stein?
Paulskirche, Buchhandel
Holocaust, Monument
Fußballfeld, alptraumhaft
Schuldkultur, Ritual
Wegschauen, wegdenken
Brandstiftung, Unverstand,
Mißverstand, Widerstand
Bösartig, weghören
Friedenspreis, Friedenpreis
Ein Leseabend bei Gernhardts, welcher mit der ersten Stophe des Gedichts »Ein Abend bei Hartmanns« von Ror Wolf beginnt, um mit einer Gratulation zum siebzigsten Geburtstag des Dichters zu enden
rauchend stark und mit den händen winkend.
tief mit der zigarre im gesicht,
rief er was, doch ich verstand es nicht
und ich ging vorbei, die klinken klinkend,
ging mit festem schritt und lautlos wetternd,
daß ich ihn schon fände diesen band.
und so kams natürlich auch, ich fand
den ror wolf und las in blättern blätternd
so entrückt wie einst, weil er mich lesend,
der ror wolf, sofort erneut entführte
in tranchirers welt. was daher rührte,
daß er zaubern kann. auf besen pesend,
nicht von dieser welt, gehts ständig steigend
fort von erde, schwere, kraft und ziel
hin zu abenteuer, spiel und stil
auf des reimes schwingen. geigen geigend
unerhörter art erreicht er spielend,
der ror wolf, daß sein sound überdauert.
weil er swingt und nicht auf dauer lauert.
doch die andern! wer nach zielen schielend
dicke bücher schrieb, vernimmt heut schallend:
»mann, dein zeug hört sich so gräßlich alt an
wie ganz anders doch ror wolfs hans waldmann!»
ja, so tönt durch alle hallen hallend
laut das lob ror wolfs. ihm herzlich winkend
stell ich das gelesene zurück,
wünsch dem dichterjubilar viel glück
und entferne mich, die klinken klinkend.
Einige Worte zum Bild
»Die brennende Giraffe«
von Salvador Dali
ODER
warum man besagtes Bild
nicht schlechtmachen kann
Da sind zunächst zwei Frauen.
Aus einer ragen Laden.
Die Laden alle leer.
Das kann der Frau nicht schaden.
Hat nämlich kein Gesicht.
Dafür ganz viel Gestütze
Allein: Sie fällt ja nicht.
Die Stützen sind nichts nütze.
Die zweite dürre Frau
vergessen wir mal lieber.
Sie winkt mit einem Tuch
zu der Giraffe rüber.
Das arme Tier, es brennt.
Wobei »arm« noch geprahlt ist.
Es leidet wie ein Hund,
weil es so schlecht gemalt ist.
Der Maler heißt Dali.
Von ihm gibt's gute Sachen.
Doch dieses Bild ist schlecht -
da ist nichts schlecht zu machen.
Ein Staatsdichter verkündet
das Ende der Literatur
Wir haben Literatur gespielt,
ich gab in dem Spiel den Dichter.
Wir haben in Moll und in Dur gespielt,
mit Chuzpe, Know-how und Bravour gespielt:
Kein Schmock kam uns je auf den Trichter.
Wir haben in Sendung und Kunst gemacht,
ich brachte den Willy Wichtig.
Wir haben viel Weihrauch und Dunst entfacht,
in Opfer, Blendung und Brunst gemacht:
Und immer lagen wir richtig.
Wir haben das Spielchen ausgereizt,
nun lass' ich die Hosen runter.
Wir haben Katze und Maus gereizt,
doch die haben nie mit Applaus gegeizt:
Erst Reize machten die munter.
Kollegen, hiermit wird Schluß gemacht!
Ich persönlich hafte als Schließer.
Ich hab aus der Kunst nie ein Muß gemacht,
und bevor ein Bourgeois meinen Stuß verlacht,
sag ich: Ciao und leckts mich, ihr Spießer!
Der grosse und
der kleine Dichter
Sind so große Dichter
Schreiben und schreiben und schreiben
Ist aber längst das Urteil gefällt:
Nichts davon wird bleiben!
Krebst so ein kleiner Reimer
Zögert lang, eh er schreibt:
»Gehmer oder bleimer?«
Das, tönt's vom Richterstuhl, bleibt!
Im Namen der Hellen und Schnellen
Haben auch wir unsere Dunkelheiten.
Lassen sie allerdings im Hellen.
Wirken auf die Schnelle wie gar nicht vorhanden,
bis auf jene unauslöschlichen Stellen,
die auch die strahlendste Helligkeit nicht tilgen kann,
jene mit bloßem Auge kaum sichtbaren
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