Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

höchstens
    drei bis vier Jahre.«
    »Trink eine Metaxas, Frankie! Die drei bis vier Jahre
    kannst noch viel Spaß habe!« »Jorgo laß das!
    Hol die zwei Piccolos und bring Frankie das Wasser!«
    »Und mir noch« – hier unterbrech ich, da Frankie mich anschaut,
    »ein Viertel!« fahre ich fort und halte der Sehnsucht
    stand im Blick des Manns mit den Leberwerten,
    die sechsfach erhöht sind.
    Die Vögel
    Manchmal da denke ich an die Vögel Floridas.
    An die vier Pelikane im Aufwind zum Beispiel,
    minutenlang ohne Flügelschlag in stets gleicher Höhe
    vor dem dreizehnten Stockwerk des Marriott's Beach Hotel.
    Wer da aus dem dreizehnten Stockwerk hinausgeschaut hätte,
    der hätte den vieren Aug in Aug dabei zuschaun können,
    wie sie ins dreizehnte Stockwerk hereingeschaut hätten,
    minutenlang.
    Oder der Fischadler überm Sunrise Boulevard.
    In den Klauen den frischgefangenen, noch zappelnden Fisch,
    flog er zielstrebig Richtung Norden. Als käme er
    vom Einkauf, wie wir, die wir uns gerade im Supermarket
    mit Junk-food eingedeckt hatten, mit pappigem Brot,
    faden Tomaten, wäßrigem Obst, Muffins im Dutzend,
    mäßigem Weißwein und Dosensuppen. Wieviel verlockender doch
    catch of the day.
    Nicht zu vergessen den Großen blauen Reiher.
    Nach ganzen elf Jahren sah ich ihn wieder fliegen.
    Kaum daß ich bei Royals Palms die Everglades betreten hatte,
    war er zur Stelle. Wie damals, als wir fast ergriffen
    uns anstießen: Da fliegt doch der Große blaue Reiher!
    Nun flog er wieder, doch nichts war wie damals:
    Es sind die Toten, ach, es ist die Tote
    nicht zu vergessen.
    Die Katze
    Als sie spürte, daß es ans Sterben ging,
    kam die Katze noch mal ins Haus.
    Sie lag und schnurrte und stank bis zur Mittagsstunde,
    dann holte der Tierarzt sie ab.
    Drei Stunden später rief er an:
    Da sei leider nichts zu machen.
    Die Würmer bereits in Lunge und Kopf -
    ob er ihr die Spritze geben dürfe?
    Vier Stunden danach im Abendlicht
    hoben die beiden das Grab aus.
    Er konnte nicht umhin, zu bemerken,
    daß die Erde dem Spaten leicht sei.
    Eine Stunde am heißesten Abend des Jahres
    warteten sie auf den Tierarzt.
    Sie wusch ab, der einsame Nachbarhund bellte,
    er rieb sich die schmerzende Hand.
    Er sagte: »Wir haben getan, was wir konnten.«
    Sie sagte: »Die arme Schimmi!«
    Dann hörten sie beide Motorengeräusch
    zur angesagten Stunde.
    In den Plastiksack seien Löcher zu schneiden,
    wegen der Leichengase.
    Die träten nach einigen Stunden aus -
    Er griff nach dem Sack, sie zur Schere.
    Der Gestank im Auto sei erschreckend gewesen,
    der Arzt sagte »allucinante«,
    jetzt noch, nach Stunden rieche er ihn.
    Den beiden ging es genauso.
    Das Gesetz in Italien sehe vor,
    tote Tiere entsorgen zu lassen.
    Aber schöner sei doch ein Grab auf dem Land -
    »Das wartet seit einer Stunde.«
    Die Nacht war warm. Noch stundenlang
    erinnerten sie sich der Katze,
    ihres jahrelangen Kommens und Gehens
    bei gleichbleibender Grandezza.
    »Vor vier Tagen war am Hals noch nichts offen.«
    »Wir konnten ihr Leiden verkürzen.«
    »Daß sie zu uns kam in der letzten Stunde!«
    »Als wollte sie sagen: Macht was!«
    Er erinnerte sich all seiner Katzenbegräbnisse:
    »Drei hier und zwei in Deutschland.«
    Sie erinnerte sich anderer letzter Katzenstunden.
    An den Gestank erinnerte keiner.
    Sie ging zu Bett. Er leerte die Flasche,
    da fiel sein Blick auf sein Knie.
    Dieses glatte Fleisch! Er würde es
    mit anderen Augen sehen von Stund an.
    Der Hund
    Vollkommen war er, der Hund, sein Körper
    vollkommen gebaut. Ums Knochengerüst,
    vollkommen gebildet, legten sich Muskeln
    so vollkommen zweckmäßig, daß wer ihn ansah,
    den Hund, vollkommen bezaubert war.
    Denn über die Knochen des Hundes, vollkommen,
    und über die Muskeln, vollkommen sichtbar,
    spannte sich Haut, vollkommen unsichtbar,
    da sie von kurzem, schwarzglänzendem Haar
    vollkommen bedeckt war. Bis auf die Pfoten.
    Vollkommen ungewöhnliche Pfoten.
    Schneeweiß grundiert und ebenholzschwarz
    marmoriert. Kein Wunder, daß diese Hündin,
    vollkommene Circe, auch jene nicht kaltließ,
    denen Hunde sonst vollkommen gleichgültig waren.
    Wie erst die andern! Die waren vollkommen
    teils aus dem Häuschen, teils einer Ansicht:
    Schön, etwas so vollkommen Schönes
    sehen zu dürfen! Sie riefen es aus,
    sich niederbeugend und dann: Was ist das hier?
    Das da? Der Fleck? Das begann vor vier Wochen,
    vollkommen harmlos, vielleicht mit der Zecke.
    Vollgesogen zuerst, dann vertrocknet,
    es schnippte