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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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wieder fangen,
    So geschwind, daß niemand klar ist,
    Was hier Einbildung, was wahr ist,
    Wer hier was warum entblößte -
    Fest steht nur: 's kann auch der größte
    Denker nicht in Frieden leben,
    Wenn Mädchen ihre Hemdchen heben.
    All das geschah vor langer Zeit,
    Doch ist es nicht Vergangenheit.
    Das Busen-Attentat gab zwar
    Dem Prof den Rest–: Im gleichen Jahr
    Verstarb der Philosoph, jedoch
    Pat und Doris gibt es noch.
    Die eine forscht, die andre lehrt,
    Und beide sind gottlob bekehrt
    Von den Ideen ihrer Jugend:
    Heute decken Halter, Stoff und Tugend
    Verläßlich, was den Prof einst schreckte,
    Als es ihm blank entgegenbleckte…
    Mit der Zeit wird alles heil,
    Nur der Teddie hat sein Teil.
    Der Tag des Herrn
    Eine Rainer-Matthäus-Rilke-Phantasie
    Und es war Morgen, als die Frau ihn fragte,
    Ob er denn wirklich glaube, was er sagte:
    »Nu mal im Ernst – Sie sind der Welterlöser?!«
    Da schwoll sein Zorn an. Und sein Zorn war größer
    Als der auf Satan. Und erheblich böser
    Als der von Kain. Schon griff die Hand zum Stößer.
    Und fehlte viel nicht, daß der Herr sie schlug,
    Die frug.
    Und es war Mittag, als der Mann herantrat
    Und schmunzelnd um ein Wort von Mann zu Mann bat:
    »Darf man beim Barte seiner Mutter schwören?«
    Da brach aus abertausend Teufelschören
    Solch infernalisch gutgelauntes Röhren,
    Daß niemand war, den Spott zu überhören.
    Und fehlte viel nicht, daß der Herr den trat,
    Der bat.
    Und es war Abend, als das Kind ihm zurief,
    Indes es armewedelnd auf ihn zulief:
    »Guck! Onkel Satan sagt, ich könne fliegen!«
    Da sprach er bitter: »Hättest du geschwiegen!
    Willst du nicht hier und gleich die Krätze kriegen,
    Mußt du zur Strafe zehnmal in die Knie gehn!«
    Und fehlte viel nicht, daß der Herr bespie,
    Was schrie.
    ICE Kassel – Fulda
    Eine Gottfried-Benn-Phantasie
    Manchmal an Ufern von Flüssen,
    wenn der Blick ihrem Lauf folgen tut,
    fällt von uns ab Zwang und Müssen,
    steigt jäh auf Sehnsucht nach Flut.
    Tief unter Vogelflügen,
    über verdämmerndem Land,
    sitzen wir fröstelnd in Zügen -
    ICE, Bordrestaurant–:
    Chiffren! Und Süddurst entfacht sich.
    »Weißwein vom Gardasee
    1 Flasche 12,80«.
    Preiswert: Mediterranée.
    »Garçon, bring me un vino!«
    »Herr, ich verstehe Sie nicht!
    Hier ist nicht Portofino,
    wo man in Vielsprachen spricht,
    Hier, Herr, ist immer noch Hessen.
    Uraltes Deutschredeland,
    seit sich einst halboffnen Fressen
    ein erstes ›Ei wie dann?‹ entwand:
    Was also, Herr, darf ich bringen?«
    Die Frage zielt mitten ins Sein.
    Allez! Laß die Antwort gelingen:
    »Ei Gude, isch möchte e Wein!«
    Schiffbruch im Coop von Cavriglia
Mutter, binde mir die Schürze!
Die Schürze wird gebunden.
Bertolt Brecht
    Bitte hundert Gramm vom Parmaschinken!
    Der Schinken wird geschnitten.
    Und ein schönes Stück Parmesan bitte!
    Der Käse wird gestochen.
    Haben Sie bitteschön auch Holzofenbrot?
    Das Brot wird gereicht.
    Was noch? Hundert Gramm vom hausgemachten Pesto bitte!
    Der Pesto wird geschöpft.
    Als letztes bitte vier Scheiben Mortadella!
    Die Scheiben werden gezählt.
    Und was bitte kostet die ganze bellezza?
    Fünfundzwanzigtausend Lire!
    Mutter, begleiche mir die Rechnung!
    Die Rechnung ist bis heute nicht beglichen worden.
    An taube Ohren der Gerechten
    Nach Peter Huchel für Dieter E. Zimmer
    Es war ein Land mit hundert Brunnen.
    Es war ein Land mit rund hundert Brunnen.
    Nehmt für zwei Wochen Wasser mit.
    Nehmt für gut zwei Wochen Wasser mit.
    Füllt es in wohlverschloßne Gefäße.
    Verschließt euer Herz mit festerem Mantel.
    Verschließt euer Herz mit noch festerem Mantel.
    Der Weg ist leer, der Baum verbrannt.
    Nach Meilen noch ein toter Fluß.
    Gefahr aber droht von lebendigen Menschen,
    Gefahr aber droht vom noch lebendigen Menschen.
    Wenn eine Haut von Grünspan schließt
    Das Wasserloch voll faulen Kupfers.
    Zwei Hände fahren gierig drein.
    Im Grünspanspiegel erblickt sich der Durstige.
    Im Grünspanspiegel erblickt sich der Verdurstende.
    Beschleunigt den Schritt, gleich wird er aufschaun.
    Sein Blick fällt auf euer gesichertes Wasser.
    Verschließt euer Herz mit noch festerem Mantel.
    Verschließt euer Herz mit festerem Mantel.
    Verschließt eure Ohrn. Geht zügig den Weg lang.
    Der Weg ist leer, der Baum verbrannt.
    Ihr nahmt für zwei Wochen Wasser mit.
    Die reichten fürs Land mit den hundert Brunnen.
    Aber doch nicht auch noch für den einen Menschen.
    Der letzte Walser
    Hast du den
    letzten Ro
    man schon

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