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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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heimlich trauren.
    So folgen Worte Worten,
    wo Geister Leben hauchen.
    Durch alle Töne tönet
    im bunten Erdentraume
    ein leiser Ton gezogen
    für den, der heimlich lauschet.
    II
Die Geräusche
Nach Friedrich Schlegel
    Es wehet kühl und leise
    die Luft durch dunkle Auen,
    und nur der Himmel lächelt
    aus tausend hellen Augen.
    Da hebt wohl manche Seele
    verwundert ihre Brauen:
    Woher tönt durch die Stille
    dies unbestimmte Brausen?
    Das rührt von harten Herzen,
    die Schönheit läßt sie tauen.
    Wes Herz nicht daran teilnimmt,
    wird nicht zur Liebe taugen.
    Durch alles Leben tönet
    von Anbeginn ein Grauen.
    Was nicht in Nacht geschmolzen,
    packt eines Tags das Grausen.
    Das Attentat
ODER
ein Streich von Pat und Doris
ODER
eine Wilhelm-Busch-Paraphrase
    Ach, was muß man oft von bösen
    Mädchen hören oder lesen!
    So zum Beispiel hier von diesen,
    Welche Pat und Doris hießen.
    Die, anstatt durch weise Lehren
    Sich zum Guten zu bekehren,
    Oftmals noch darüber lachten
    Und sich heimlich lustig machten. -
    Aber wehe, wehe, wehe,
    Wenn ich auf das Ende sehe!
    Drum ist hier, was sie getrieben,
    Auszugsweise aufgeschrieben:
    Also lautet der Beschluß,
    Daß der Mensch was lernen muß.
    Nicht allein das Abc
    Bringt das Mädchen in die Höh',
    Sondern auch der Weisheit Lehren
    Muß man mit Vergnügen hören.
    Daß dies mit Verstand geschah,
    War Professor Teddie da.
    Pat und Doris, diese beiden,
    Mochten ihn darum nicht leiden.
    War's, weil sie in Seminaren
    Nicht die allerbravsten waren,
    War's, weil sie zu wissen wähnten,
    Wonach sich die Massen sehnten–:
    Was der Prof da von sich gab,
    Klang in ihren Ohren schlapp,
    Abgefuckt und inhaltsleer,
    Konterrevolutionär,
    Bourgeois und theoretisch,
    Stetes Kreisen um den Fetisch
    Ratio – und so was rächt sich,
    Denn noch schrieb man Neunundsechzig,
    Und da sann man unverdrossen
    Mal auf Go-ins, mal auf Possen,
    Um die Profs zu demaskieren
    Und der Welt zu demonstrieren,
    Daß sie unter den Talaren
    Machtgeil, stur und muffig waren,
    Grade dann, wenn sie in Worten
    Jederzeit und allerorten
    Das Bestehende verdammten
    Und der Schicht, aus der sie stammten,
    Feurig die Leviten lasen:
    Haltet ein! Bald deckt der Rasen
    Euch und eure schwarzen Taten.
    Die tagtäglich das verraten,
    Was ihr sonst an Werten predigt -
    Glaubt Karl Marx! Ihr seid erledigt!
    Denn es kann im falschen Leben
    Niemals nie kein richtigs geben!
    Meister im Levitenlesen
    Aber war der Prof, an dessen
    Widersprüchen sich die »lieben«
    Mädchen Pat und Doris rieben.
    Darum sei sogleich verraten,
    Was sie mit Adorno taten.
    Nun war dieser große Lehrer
    Von den Damen ein Verehrer,
    Was man ohne alle Frage
    Nach des Denkens Müh' und Plage
    Einem guten, alten Mann
    Auch von Herzen gönnen kann.
    Nicht so unsre beiden Kinder,
    Die im Weiberrat und in der
    Wohngemeinschaft voll einbrachten,
    Was sie von dem Denker dachten:
    Macho, liberaler Scheißer,
    Sprücheklopfer, Fraunaufreißer,
    Ein im Widerspruch verstrickter
    Objektiv dem Volk entrückter
    Tui, der subjektiv nicht raffe,
    Daß er nichts als eine Waffe
    Sei der Scheiß-Reaktion -
    Das genügte. Denn bald schon
    Riet der ganze Weiberrat
    Dergestalt zur raschen Tat,
    Daß die beiden lachend schrien:
    »Schwestern, stimmt: Da pack'n mer ihn!«
    Tags darauf in Unifluren
    Treffen wir die zwei Figuren,
    Die, das sei nicht übersehen,
    Aus sehr viel Figur bestehen,
    Da sie nackt, ohn alle Stützen,
    Unterm Hemde das besitzen,
    Was die jungen wie die reifen
    Herren liebend gern begreifen.
    Eben strebt in sanfter Ruh
    Adorno seinem Hörsaal zu,
    Und mit Buch und Lesungsheften
    Zu gewohnten Denkgeschäften
    Lenkt er freudig seine Schritte
    In der jungen Menschen Mitte,
    Und voll Dankbarkeit sodann
    Schaut er Pat und Doris an,
    Die, wie ihm zu applaudieren,
    Vollreif seinen Weg spalieren.
    »Ach!« denkt er, »die größte Freud
    Ist doch die Begrifflichkeit!«
    Rums! Da ziehn die beiden los,
    Und vier Brüste schrecklich groß,
    jäh befreit von allen Stoffen,
    Herrlich bloß und gänzlich offen,
    Nackig, unbeschreiblich weiblich,
    Knackig, unbegreiflich leiblich,
    Lockend, drängend, wogend, prangend,
    Einen ganzen Mann verlangend,
    Ragend, dräuend, drohend, schwellend,
    Allen Geist in Frage stellend,
    Recken sich dem Prof entgegen,
    Welcher stumm erst, dann verlegen,
    Dann erschreckt das Weite sucht
    Und bei sich den Tag verflucht,
    Da er dieser Busen Licht -
    Doch so weit sind wir noch nicht.
    Bleiben wir bei unsern Rangen,
    Die sich eiligst

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