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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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klassischen schwarzen Tangos
    Wenn über dir die Möwe stürzt und schreit
    Dennoch die Schwerter vor die Stunde der Welt gehalten zu haben
    Also faktisch durchgehend Dichter gewesen zu sein: Das
    alter Knabe, soll dir erst
    einmal
    jemand
    nachmachen!
    Das Buch
    Ums Buch ist mir nicht bange.
    Das Buch hält sich noch lange.
    Man kann es bei sich tragen
    und überall aufschlagen.
    Sofort und ohne Warten
    kann dann das Lesen starten.
    Im Sitzen, Liegen, Knien
    ganz ohne Batterien.
    Beim Fliegen, Fahren, Gehen,
    ein Buch bleibt niemals stehen.
    Beim Essen, Kochen, Würzen,
    ein Buch kann nicht abstürzen.
    Die meisten andren Medien
    tun sich von selbst erledigen.
    Kaum sind sie eingeschaltet,
    heißts schon: Die sind veraltet!
    Und nicht mehr kompatibel -
    marsch in den Abfallkübel
    Zu Bändern, Filmen, Platten,
    die wir einst gerne hatten,
    Und die nur noch ein Dreck sind.
    Weil die Geräte weg sind
    Und niemals wiederkehren,
    gibts nichts zu sehn, zu hören.
    Es sei denn, man ist klüger
    und hält sich gleich an Bücher,
    Die noch in hundert Jahren
    das sind, was sie stets waren:
    Schön lesbar und beguckbar,
    so stehn sie unverruckbar
    In Schränken und Regalen,
    und die Benutzer strahlen:
    Hab'n die sich gut gehalten!
    Das Buch wird nicht veralten.
    Sonett im Krebs
    Alles zurück! Kommt! Laßt uns Krebse werden!
    Der Krebsgang ist nun mal der Gang der Stunde.
    Ob drunt im Meer, ob auf dem Erdenrunde:
    Wer sich zurückzieht, hindert die Beschwerden,
    ihn dort zu packen, wo sie uns im Grunde
    gern fassen würden: Vorn. An unserm Schlunde.
    Entziehn wir uns! So daß im Fall des Falles
    des Übels Rachen den begehrten Braten
    - und der sind wir! – nach langem Rätselraten
    nicht mehr zu orten weiß. So, wie des Balles
    verstörend Hin und Her; so, wie des Knalles
    verwirrend Echo – so auch wir. Durch Taten
    allein wird man zum Krebs. Auf denn! Durchwaten
    wir Schritt für Schritt, was war: Zurück das alles!
    Als er gefragt wurde,
wie ein gutes Gedicht
beschaffen sein sollte:
    Gut gefühlt
    Gut gefügt
    Gut gedacht
    Gut gemacht.
    Gesang vom Gedicht
    Sieben Strophen pro domo
    Wer nicht mit tausend Zungen begabt,
    Fangs Dichten gar nicht erst an.
    Es macht den wahren Dichter aus,
    Daß er so und auch anders kann.
    Wer nicht von tausend Messern durchbohrt,
    Halte als Dichter den Mund.
    Wems Blut nicht aus tausend Wunden schießt,
    Fehlt zum Dichten die Kraft und der Grund.
    Wer nicht von tausend Furien gehetzt,
    Bringt kein Gedicht aufs Papier.
    Das Gedicht ist schnell wie der Igel mit
    Seinem höhnischen »Ick bün all hier!«
    Wer nicht in tausend Feuern geglüht,
    Ist fürs Gedicht schlicht zu heiß.
    Wer sich darauf keinen Reim machen kann,
    Der wird als Dichter nicht alt.
    Wer nicht auf tausend Hochzeiten tanzt,
    Wird vom Gedicht nicht erwählt.
    Da dies nur jenen zu binden gewillt,
    Der zu den Flüchtigen zählt.
    Wer nicht in tausend Sätteln zuhaus,
    Wage sich nicht aufs Gedicht.
    Jenes Roß, das unter dem Schweren entschwebt
    Und unter dem Leichten zerbricht.
    Wer nicht von tausend Frauen geliebt -
    Wer solchen Satz komplettiert,
    Weiß, wie man Scheiße zu Bonbon macht:
    Er sei zum Dichter gekürt!

IX
    Im Ernst
    So isses
    Esisso: Das meiste ist schon gesagt.
    Esisso: Der Rest kaum sagbar.
    Esisso: Wer dauernd hinterfragt,
    dem wird auch das Fragen fraglich.
    Esisso: Wenn alles fraglich wird,
    dann nicht zuletzt das Esisso.
    Esisso: Wer das bezweifelt, der irrt.
    Gewißheit is nich, gewiß doch.
    Mein Stil
Für Eugen K., Hans A., Horst Eberhard D., Franz R. u.a.
    Es ist nicht mein Stil, zu hassen
    und anderen böse zu sein.
    Mein Stil ist vielmehr, Haß zu lassen,
    zu lieben und zu verzeihn.
    Es ist nicht mein Stil, zu nehmen.
    Schon gar nicht, was andern bestimmt.
    Mein Stil ist vielmehr, mich zu schämen
    für den, der sich so etwas nimmt.
    Es ist nicht mein Stil, zu lügen
    und die Wahrheit zu verdrehn.
    Mein Stil ist vielmehr, sanft zu rügen
    die den Weg zur Wahrheit nicht gehn.
    Es ist nicht mein Stil, zu quälen
    und Menschen Leides zu tun.
    Mein Stil ist vielmehr trösten, heilen
    und manchmal auch beides zu tun.
    Es ist nicht mein Stil, zu klagen,
    das käme mir nie in den Sinn.
    Mein Stil ist vielmehr, still zu tragen,
    daß ich vollkommen bin.
    Ende ohne Schrecken
    Ängstchen sitzt vorm Teller
    Schrecken guckt ums Eck
    Ängstchen plustert sich kurz auf
    Schon ist Schrecken weg.
    Erdgebet
    Himmel, großer Deckel du,
    deck mich kleine Erde zu.
    Hab ich Unrecht heut getan,
    zeige mich bei Gott

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