Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
klassischen schwarzen Tangos
Wenn über dir die Möwe stürzt und schreit
Dennoch die Schwerter vor die Stunde der Welt gehalten zu haben
Also faktisch durchgehend Dichter gewesen zu sein: Das
alter Knabe, soll dir erst
einmal
jemand
nachmachen!
Das Buch
Ums Buch ist mir nicht bange.
Das Buch hält sich noch lange.
Man kann es bei sich tragen
und überall aufschlagen.
Sofort und ohne Warten
kann dann das Lesen starten.
Im Sitzen, Liegen, Knien
ganz ohne Batterien.
Beim Fliegen, Fahren, Gehen,
ein Buch bleibt niemals stehen.
Beim Essen, Kochen, Würzen,
ein Buch kann nicht abstürzen.
Die meisten andren Medien
tun sich von selbst erledigen.
Kaum sind sie eingeschaltet,
heißts schon: Die sind veraltet!
Und nicht mehr kompatibel -
marsch in den Abfallkübel
Zu Bändern, Filmen, Platten,
die wir einst gerne hatten,
Und die nur noch ein Dreck sind.
Weil die Geräte weg sind
Und niemals wiederkehren,
gibts nichts zu sehn, zu hören.
Es sei denn, man ist klüger
und hält sich gleich an Bücher,
Die noch in hundert Jahren
das sind, was sie stets waren:
Schön lesbar und beguckbar,
so stehn sie unverruckbar
In Schränken und Regalen,
und die Benutzer strahlen:
Hab'n die sich gut gehalten!
Das Buch wird nicht veralten.
Sonett im Krebs
Alles zurück! Kommt! Laßt uns Krebse werden!
Der Krebsgang ist nun mal der Gang der Stunde.
Ob drunt im Meer, ob auf dem Erdenrunde:
Wer sich zurückzieht, hindert die Beschwerden,
ihn dort zu packen, wo sie uns im Grunde
gern fassen würden: Vorn. An unserm Schlunde.
Entziehn wir uns! So daß im Fall des Falles
des Übels Rachen den begehrten Braten
- und der sind wir! – nach langem Rätselraten
nicht mehr zu orten weiß. So, wie des Balles
verstörend Hin und Her; so, wie des Knalles
verwirrend Echo – so auch wir. Durch Taten
allein wird man zum Krebs. Auf denn! Durchwaten
wir Schritt für Schritt, was war: Zurück das alles!
Als er gefragt wurde,
wie ein gutes Gedicht
beschaffen sein sollte:
Gut gefühlt
Gut gefügt
Gut gedacht
Gut gemacht.
Gesang vom Gedicht
Sieben Strophen pro domo
Wer nicht mit tausend Zungen begabt,
Fangs Dichten gar nicht erst an.
Es macht den wahren Dichter aus,
Daß er so und auch anders kann.
Wer nicht von tausend Messern durchbohrt,
Halte als Dichter den Mund.
Wems Blut nicht aus tausend Wunden schießt,
Fehlt zum Dichten die Kraft und der Grund.
Wer nicht von tausend Furien gehetzt,
Bringt kein Gedicht aufs Papier.
Das Gedicht ist schnell wie der Igel mit
Seinem höhnischen »Ick bün all hier!«
Wer nicht in tausend Feuern geglüht,
Ist fürs Gedicht schlicht zu heiß.
Wer sich darauf keinen Reim machen kann,
Der wird als Dichter nicht alt.
Wer nicht auf tausend Hochzeiten tanzt,
Wird vom Gedicht nicht erwählt.
Da dies nur jenen zu binden gewillt,
Der zu den Flüchtigen zählt.
Wer nicht in tausend Sätteln zuhaus,
Wage sich nicht aufs Gedicht.
Jenes Roß, das unter dem Schweren entschwebt
Und unter dem Leichten zerbricht.
Wer nicht von tausend Frauen geliebt -
Wer solchen Satz komplettiert,
Weiß, wie man Scheiße zu Bonbon macht:
Er sei zum Dichter gekürt!
IX
Im Ernst
So isses
Esisso: Das meiste ist schon gesagt.
Esisso: Der Rest kaum sagbar.
Esisso: Wer dauernd hinterfragt,
dem wird auch das Fragen fraglich.
Esisso: Wenn alles fraglich wird,
dann nicht zuletzt das Esisso.
Esisso: Wer das bezweifelt, der irrt.
Gewißheit is nich, gewiß doch.
Mein Stil
Für Eugen K., Hans A., Horst Eberhard D., Franz R. u.a.
Es ist nicht mein Stil, zu hassen
und anderen böse zu sein.
Mein Stil ist vielmehr, Haß zu lassen,
zu lieben und zu verzeihn.
Es ist nicht mein Stil, zu nehmen.
Schon gar nicht, was andern bestimmt.
Mein Stil ist vielmehr, mich zu schämen
für den, der sich so etwas nimmt.
Es ist nicht mein Stil, zu lügen
und die Wahrheit zu verdrehn.
Mein Stil ist vielmehr, sanft zu rügen
die den Weg zur Wahrheit nicht gehn.
Es ist nicht mein Stil, zu quälen
und Menschen Leides zu tun.
Mein Stil ist vielmehr trösten, heilen
und manchmal auch beides zu tun.
Es ist nicht mein Stil, zu klagen,
das käme mir nie in den Sinn.
Mein Stil ist vielmehr, still zu tragen,
daß ich vollkommen bin.
Ende ohne Schrecken
Ängstchen sitzt vorm Teller
Schrecken guckt ums Eck
Ängstchen plustert sich kurz auf
Schon ist Schrecken weg.
Erdgebet
Himmel, großer Deckel du,
deck mich kleine Erde zu.
Hab ich Unrecht heut getan,
zeige mich bei Gott
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