Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
forschend, klar und mild
aufs und aus dem Spiegelbild,
leuchten wie zwei Edelsteine -
sind das überhaupt noch meine?
Tagesbefehl
Leute, bitte geht nach Haus,
hier bricht um zwölf der Friede aus,
dann wird nicht mehr geschossen.
Dann hat es sich mit dem Bummbumm,
wer tot ist, falle sofort um,
der Krieg wird gleich geschlossen.
Leute, bitte gebt jetzt Ruh.
Ich mach schon mal den Krieg hier zu,
man kann nicht immer meucheln.
Nein, Bäcker, jetzt wird Brot gemacht,
jetzt wird kein Feind mehr totgemacht,
jetzt heißt es Freundschaft heucheln.
Leute, bitte macht jetzt Schluß,
der nächste ist der letzte Schuß.
Nun seid nicht gleich beleidigt.
Hört auf, sonst gibts eins vor den Bug,
ihr habt hier wirklich lang genug
das Abendland verteidigt.
Die Welt und ich
Hab der Welt ein Buch geschrieben
ist im Laden gestanden
waren da viele, die es fanden
hat's aber keiner kaufen wollen.
Hab der Welt ein Bild gemalt
ist in einer Galerie gehangen
sind viele Leute daran vorbeigegangen
haben es nicht einmal angeschaut.
Hab ein Lied erdacht für mich
hab's nur so vor mich hingesummt
sind alle ringsum verstummt
haben geschrien: Aufhören!
Der große und der
kleine Künstler
Der große Künstler
sieht die Dinge größer,
nicht so, wie sie der
kleine Künstler sieht.
Der kleine, ach, sieht statt des Kopfs nur Ohren,
statt Ohren Haut und statt der Haut die Poren -
der kleine Künstler.
Doch der große -
Der große sieht statt eines Dorns die Rose,
statt einer Rose Flammen, statt der Flammen Brände,
hebt auch die Mitwelt aufgeschreckt die Hände -
das zählte schon seit je zu seinem Lose.
Klein sieht der kleine Künstler,
groß der große.
Und naht sich eines Tages der Erlöser,
und denkt der kleine Künstler
»Was'n das für einer?«
Wie sieht der große Künstler ihn?
Sieht er ihn dünner?
Sieht er ihn dicker? Breiter? Oder kleiner?
Geschnitten!
Nein! Er sieht ihn größer!
So sieht der große Künstler den Erlöser.
Indessen sieht der kleine Künstler nur das eine.
Groß ist der große Künstler.
Klein der kleine.
Einmal hin und zurück
Kopf, Kopf, Kopf
so hart und rund
war nicht irgendwo ein Mund?
Na, vielleicht auf dem Rückweg
Hals, Hals, Hals
so weiß und weich
wie hieß das darunter gleich?
Schlüsselbein, wenn ich nicht irre
Brust, Brust, Brust,
so fest und klein
das kann doch nicht alles sein -
Richtig! Da geht's weiter
Bauch, Bauch, Bauch
so weich und weiß
wärmer, wärmer, wärmer, heiß -
Na, wer sagt's denn
Bein, Bein, Bein
o so viel Bein
wird es je zuende sein?
Schau, da hat's ja noch Füße
Fuß, Fuß, Fuß
darfst weiter ruhn
ich hab oben noch zu tun:
Hallo, Haare.
Welt, Raum und Zeit
In den Köpfen der betagten Katzen
spiegelt sich die Welt in starken Bildern:
Mäusetürme ragen steil ins Blaue,
Nierentische stehn in ihren Hallen,
Leberhaken ragen aus den Wänden,
all das wartet nur auf ihre Tatzen
in den Köpfen der betagten Katzen.
In den hochbetagten Katzenköpfen
gliedert sich der Raum in klare Zonen:
Fauladelphia, Ratzibor und Essen
sind die einz'gen Städte, die sie kennen,
doch Paris liegt für sie an der Sahne,
und die malt sich breit, nicht auszuschöpfen
in den hochbetagten Katzenköpfen.
In den Köpfen der betagten Katzen
fächert sich die Zeit in reine Takte:
Heißt der erste Tag der Woche Mordtag,
fällt der Sommeranfang in den Jauli,
schreiben wir schon bald das Jahr Zweimausend,
und die Stunden fliehn dahin wie Spatzen
in den Köpfen der betagten Katzen.
Der wilde Hans
Ach runzel nur die Knie, Marie
mußt sie ja dennoch spreiten
mein wilder Hans wird sie, Marie
von nun an stets begleiten.
Ach rümpf nur deine Stirn, Marie
die Mühe tut nicht lohnen
es wird in deinem Hirn, Marie
mein wilder Hans jetzt wohnen.
Ach roll nur mit den Ohrn, Marie
kannst dich nicht lang betrügen
bist schon an ihn verlorn, Marie
mein wilder Hans wird siegen.
Ach sträube nur den Arm, Marie
folgst ihm ja doch zum Tänzchen!
Mein wilder Hans ist warm, Marie
was machst du Hans? Alarm, Marie
Hans bleib, hier ist dein Schwarm, Marie
Hans! Hännes! Hansi! Hänschen
Nach Paris
Der Wanderer
nimmt seinen Hut
und sagt zur Wandrerin:
Nun gut.
Ich hielt dich für
gestählt und zäh,
du bist es nicht
wie ich jetzt seh.
Wir wollten nach
Paris und zwar
zu Fuß, das war
von Anfang klar.
Doch du bliebst schon
in Peine stehn -
so wirst du nie
die Seine sehn.
Hier stehen wir
seit einem Jahr;
Marie
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