Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Bild entpuppen wird.
In der Tat – es ist ein Bild,
es zeigt ein Reklameschild,
worauf sich zwei Frauen räkeln,
die an einem Lappen häkeln,
der zum Teil ein Kind verbirgt,
das recht ungewöhnlich wirkt:
Viele Sommersprossen sind
auf dem Kinde, doch das Kind…
Trost im Gedicht
Denk dir ein Trüffelschwein,
denk's wieder weg:
Wird es auch noch so klein,
wird nie verschwunden sein,
bleibt doch als Fleck.
Was je ein Mensch gedacht,
läßt eine Spur.
Wirkt als verborgne Macht,
und erst die letzte Nacht
löscht die Kontur.
Hat auch der Schein sein Sein
und seinen Sinn.
Mußt ihm nur Sein verleihn:
Denk dir kein Trüffelschwein,
denk's wieder hin.
Der Somme in Montaio
Stimmungsgedichte
Juniabend (29.6.79)
Vom Tal her steigt Rauch auf.
Ich drehe den Schlauch zu,
gleich gibt's was zu essen.
Der Mond steht als Sichel.
Ich setz mich und trinke,
um zu erinnern.
Wie grün jetzt der Wald ist.
Ein Licht, das sehr kalt wirkt,
strahlt rings aus den Dingen.
Ich zieh mir ein Hemd an.
Der Berg sieht so fremd aus.
Die Waldvögel schweigen.
25.7.79
Das ist ja witzig, wie die Wolke sich zerfieselt.
Grad eben war sie noch kompakt, nun rieselt
so eine dunkle, schlierenhafte Molke
quer übern weiß der Himmel, is was Wolke?
26.7.79
Mensch Meier, fliegt die Schwalbe tief!
Das geht mir ehrlich an die Nieren.
Sie scheint die Gräser zu schwalbieren -
so würde ich es formulieren,
wär dieser Ausdruck nicht so abgenutzt und schief.
29.7.79
Der Lorbeer hat die Blätter hochgeklappt,
doch in das Filigran der Zweige schwappt
vollrohr der Fallwind, der vom Hügel düst
und nun das Tal mit »Schwapp die Ehre« grüßt.
30.7.79
Da dengelt jemand – oder sagt man dangelt?
im Tale seine Sense, und es drangelt
sich der Vergleich auf – oder sagt man drängelt?
daß es so klingt, als wenn wer wo was dengelt.
1.8.79
Wenn ich die Hügel beschreiben müßte,
was ich nicht muß,
ich wartete, bis die Muse mich küßte
und gäb' ihr, bevor ich mich stiekum verpißte,
die Feder und sagte: Tu du's.
4.8.79
Siehst du den Löw' dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rot und dumm.
(Der Löwe ist aus lauter Ton.
Halb zudeckt ihn der Efeu schon,
bald rankt er ihn ganz um.)
7.8.79
Wie klar sie sind – das Licht, die Luft;
die Regenfront ist schnell verpufft,
so daß die Sonne wieder sticht.
Du – alles klar, die Luft, das Licht.
10.8.79
Rot ist der Wein aus Grimoli,
rot glänzt das Dorf im Tale,
rot wird mein Liebchen, wenn ich sie
mit Kadmium bemale.
18.8.79
Ach seht, schon ist der Regen aus,
die letzten Hunde bell'n nach Haus,
kaum kann ich mir verkneifen,
das Lied »Schon ist der Regen aus,
die letzten Hunde bell'n nach Haus«
quer durch die Nacht zu pfeifen.
20.8.79
Welch Gekreische,
welch Gebromme,
Kinder sind's beim Brombeerpflücken.
Kreischend pflücken sie
die Beeren,
welche drob voll Mißmut brommen.
22.8.79
Ich blick' nach oben und seh' Wein.
Ich blick' nach unten und seh' Stein.
Der Wein hängt hoch, der Stein liegt nah,
des Rätsels Lösung: Pergola.
Spätsommertag (15.9.79)
Nun ist der Wein bereits am Sichverfärben.
Die ersten Blätter lappen leicht ins Gelbe.
Die Sonne hält voll drauf. Exakt dieselbe,
die erst ihr Grünen sah, sieht nun ihr Sterben.
Und dennoch wäre es echt schwach zu glauben,
den ganzen Terror könne man vergessen.
Blattmäßig läuft nichts mehr. Gebongt. Statt dessen
schwillt neues Leben, ach, zu prallen Trauben.
Stunde der Wahrheit
»Mütterlein, was wieg' ich denn?«
»Siebentausend Pfund.«
»Mütterlein, wo lieg' ich denn?«
»Auf dem Meeresgrund.«
»Mütterlein, was bin ich denn?
Bin ich gar ein Wrack?«
»Trine, was erzählst du denn?
Red nicht so ein' Quack!«
»Mütterlein, dann bin ich gar -«
»Sprich nicht weiter, Trine!«
»Mutter, mir wird alles klar,
ich bin eine – Mine!«
»Trine, still, was sagst du da!«
»Und wer bist du, Mutter?«
»Aber Kind, was fragst du da?«
»Du bist ein Computer!«
»Trine, so was sagt man nicht!
Also diese Kinder!«
»Mutter, schau mir ins Gesicht -
ist das nicht ein Zünder?«
»Trine, nein! Das ist nicht wahr!«
»Mutter, sag mir eines -«
»Kind, ich schwör' bei meinem Haar -«
»Mutter, hast ja keines!«
»Trine, bist mein Kind nicht mehr!«
»Mütterlein, verzeih mir!«
»Kind, wenn ich dein Vater wär'!«
»Mütterlein, bleib bei mir!«
»Trine, da du alles weißt -«
»Mütterlein, was weiß ich?«
»Sollst du
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