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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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bei der dritten dachte ich: Mach was!
    Hab dann natürlich nichts gemacht. Was denn?
    Und heute? Ich seh die Zypressen am Friedhof
    und freu mich: Vier von den acht gibt's ja immer noch,
    prächtig. Gar nicht so schlecht. Doch hinter
    Gaiole – alle hinüber. Schrecklich. Ganz schrecklich.
    5
    »Das Gelbe, was Sie da sehen,
    sind die vertrockneten Kastanien.
    Das Rosige, was Sie da sehen,
    sind die befallenen Eichen.
    Das Rote, was Sie da sehen,
    sind die gestorbenen Tannen.
    Das Braune, was Sie da sehen,
    sind die erkrankten Zypressen.
    Das Graue, was Sie da sehen,
    sind die verbrannten Kiefern.
    Das Schwarze, was Sie da sehen,
    sind die erfrorenen Oliven -«
    »Schön, so ein Häuschen im Grünen!«
    6
    Klar! Immer noch schön, die Toscana.
    Das mit den Oliven war natürlich ein Hammer.
    Zirka achtzehn Millionen in zwei Tagen verendet.
    Aber immerhin durch natürliche Ursache.
    Ja klar! Immer noch prima zum Reisen.
    Morgens bei Gegenlicht zum Beispiel,
    aus einem nicht zu langsamen Wagen,
    wirkt die Landschaft noch fast so wie früher.
    Aber klar doch! Verglichen mit der Gegend um Alfeld -
    Ich beklag mich ja nicht, keineswegs. Ich beklage.
    Wie man beklagt den Sprung in der Vase:
    So alt und so schön und so lange gehalten,
    und nun dieser Riß, der so vieles schon spaltet,
    quer auch durch sie. Welch ein Jammer.
    7
    Ja, das ist hier Landschaftsschutzgebiet.
    Ja, hier darf nichts Neues gebaut werden.
    Ja, die Gesetze sind sehr streng hier.
    Ja doch.
    Nein, das da ist keine Garage.
    Nein, das da ist kein Swimmingpool.
    Nein, das da ist keine Lagerhalle.
    Nicht doch.
    Ach, Sie meinen diese Renaissance-Garage!
    Ach, Sie meinen diesen romanischen Swimmingpool!
    Ach, Sie meinen diese etruskische Lagerhalle!
    Ja die!
    8
    Du klagst, daß Frankfurt dir überall nachfolgt
    Daß, wo du auch aussteigst, aus Auto, aus Flieger
    Sie alle Spalier stehn, dich zu begrüßen
    Die Bauherrn, die Bagger, die Banker, die Widersprüche?
    Es gibt einen Ort, an dem bist du sicher
    Wieviel Macht auch immer er hat, dein Verfolger
    Wie schnell er auch ist, dorthin kann er nicht folgen
    Weil er schon da ist. Bleibe in Frankfurt.
    9
    Die uns Bescheidung lehrten,
    konnten nicht anders.
    Brannte die Stadt, sagten sie:
    Aber unser Haus steht noch.
    Fiel das Haus in Trümmer, sagten sie:
    Da ist ja noch der Keller.
    Brach der Keller zusammen, sagten sie:
    Gesund, so im Freien.
    Die uns Bescheidung lehrten, sind entschuldigt.
    Die uns Bescheidenheit predigen,
    machen sich schuldig.
    Die uns sagen: Tja, die Stadt ist im Arsch,
    aber seht nur das Tor da!
    (Wer ein Auge fürs Schöne hat,
    entdeckt's auch im Verborgenen.)
    Die uns sagen: Tja, der Wald ist im Eimer,
    aber schaut nur die Blümchen!
    (Wer ein Herz fürs Schöne hat,
    sieht's auch im Kleinsten.)
    Die uns fragen: Tja, das Schöne als Wert,
    ganz schön elitär, wie?
    (Wer Sinn fürs Schöne hat,
    kann den ja zu Hause austoben.)
    An die Wand mit ihnen,
    und dann Rattattattat -
    Aber halt! Aber ach. Wer so denkt, sind wir selber.
    10
    Erst stirbt der Wald, dann stirbt der Mensch? Glaub ich nicht dran.
    Ist doch ein verdammt zähes Gemüse, der Mensch.
    Hat die Eiszeit überlebt. Wo warnse denn da, die Bäume?
    Da wird er ja wohl noch den Wald überleben, denk ich.
    Das ist nicht der Punkt. Außerdem mach ich persönlich
    sicher vor all diesen Wäldern die Grätsche, na fast allen.
    Die Erde ist uns nur anvertraut für unsere Kinder? Hab keine.
    Und außerdem: Kinder gewöhnen sich an alles. Weiß man doch.
    Als ich ein Kind war, konnten wir noch auf der Straße spielen.
    Direkt vorm Haus. War toll. Dafür gab es kein Fernsehn.
    Nein, nein: Ich klage nicht an im Namen der Menschheit,
    der Kinder. Ich klage ein: Ich will's hier schön haben.
    11
    Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
    ist dem Tode schon anheim gegeben?
    Jedenfalls wird er fürs weitre Leben
    schlecht zum Mieter der Nordweststadt taugen.
    12
    Zurück zur Natur?
    Bitte sehr, bitte gleich.
    Die Natur, na klar,
    schön, die Natur.
    Stirbt? Ach nein.
    In die Jahre gekommen.
    Eine immer noch schöne
    Frau, die Natur.
    Nur eben, na ja,
    etwas indisponiert.
    Wenn sie altern, die Stars, ist die Technik gefordert.
    Was die Schminke nicht bringt, schafft der Beleuchter.
    Auch hält man die Kamera nicht allzu dicht drauf
    und achtet beim Bild auf Rahmung und Ausschnitt.
    Zurück zur Natur.
    Erstens: Abstand wahren.
    Zweitens empfehl ich
    verhangene Tage.
    Bei Abendlicht besser
    nicht so scharf hinschaun.
    Gut ist ein Fenster,
    da es,

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