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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Feuer glost durch rußges Eisen
    Im Halblicht prüft der Kunde die Salate
    Dann stellt er seinen Teller selbst zusammen
    Für sieben fünfzig hat er freie Auswahl:
    Ja, ist hier das Paradies ausgebrochen?
    Ja, geht es noch ungezwungner?
    Ja, fällt man sich hier als nächstes in die Arme?
    Das Riesen-Entrecôte ist fast ein Pfund schwer
    Der Fettkern macht es saftig und besonders
    In Sauerrahm getaucht lockt die Kartoffel
    Das Messer schneidet silbern in das Fleischstück
    Das rote Blut quillt auf den weißen Teller
    Dem Schneidenden wird plötzlich schwarz vor Augen:
    Wie schön still es hier auf einmal ist.
    Wie schön dunkel es hier auf einmal ist.
    Wie schön es hier auf einmal ist, still und dunkel.
    Auto und Baum
    An einem
    Deux Chevaux
    Ecke Grüneburgweg/Reuterweg
    las ich im
    Vorübergehen
    die Worte:
    Leben
    so einsam und frei
    wie ein Baum
    und so
    brüderlich wie ein Wald. Sie waren
    mit Filzstift
    auf das Auto
    geschrieben worden. Vermutlich
    vom Besitzer.
    Lange
      gingen
        mir
          diese
            Zeilen
              nach.
    Erst Ecke Grüneburgweg/Eschers-
    heimer Landstraße gelang es mir
                sie
              wie
            der
          ab
        zu
      schüt
    teln.
    Herbstlicher Baum
in der Neuhausstrasse
    Wie sehr bemerkenswert ist doch
    ein dunkler Baum, durch den ein Wind geht,
    wenn dieser Wind schön mild ist und
    der große Baum scharf gegens Licht steht,
    doch so, daß er am andern Rand
    sich ganz und gar vereint dem Glänzen.
    So also, links vom Licht begrenzt
    und rechts so lichterfüllt, daß Grenzen
    im Leuchten einfach weg sind und
    ein Seufzer kommt aus meinem Mund.
    Pizzeria »Europa«
    Abends aber sitzen Neger
    im Lokal des Italieners,
    sitzen da und wählen Speisen,
    die so klingen, wie sie aussehn.
    Große Neger, kleine Neger
    halten sich an das, was da ist,
    und was da ist, das sind Speisen,
    die so aussehn, wie sie schmecken.
    Schwarze Neger, helle Speisen,
    volle Teller, die sich leeren,
    aufgetischt von schnellen Kellnern,
    die so reden, wie sie heißen.
    Aber dann! Es geht ans Zahlen,
    schwarze Hände, grüne Scheine.
    Dunkelheit verschluckt die Gäste,
    die so weggehn, wie sie kamen:
    Fröhlich.
    Strauss spricht auf dem Römer
    Als ich dann zum Römer kam,
    standen da 25 000 Mann,
    die hörten sich den Franz Josef Strauß
    und seine Wahlrede an.
    Er sagte, er müsse Kanzler werden.
    Weil: Unser Land sei in Gefahr.
    Ich dachte, nun müßten alle sehen,
    daß der wahnsinnig war.
    Die da aber, die um ihn standen,
    die lachten nicht über ihn.
    Sie verdrehten ihre Augen gläubig gegen
    die Sonne, die sie und den Platz beschien.
    Sie hatten große Schilder bei sich,
    darauf stand »Hessen grüßt den Kandidaten«.
    Da sah ich: Die waren selber wahnsinnig,
    die so etwas taten.
    Der Wahnsinnige rief den Wahnsinnigen zu,
    sie sollten ihn bitte wählen.
    Da reckten sich ihm so viele Hände entgegen,
    daß ich es aufgab, sie zu zählen.
    Ich wandte mich ab und der Sonne zu
    und ließ die Irren lärmen:
    Als der Wahnsinnige sich feiern ließ,
    ließ ich mich wärmen.

III
    Klage
    Das vierzehnte Jahr
    Montaieser Elegie
    1
    Gebe, o Gott! daß sie wenigstens lustig
    wird, meine Klage. Wut, Zorn und Trauer
    bringt ja heut jeder zum Ausdruck, dem 's Sterben
    rings an die Nieren geht. Ob er nun Wald
    besitzt, begeht oder betrachtet -
    quer durch die Einkommensklassen sind alle
    schon wütend und zornig und traurig. Und nun auch
    noch ich? Da sei ach! Gott vor.
    2
    Hab ein Haus in der Toscana
      Der Glückliche! Hätten wir auch gern!
    Hab es schon seit dreizehn Jahren
      So lange? Na, da gratulieren wir aber!
    Hab in dieser Zeit erfahren
      Was denn? Jetzt wird's spannend!
    Wie alles den Bach runtergeht
      Ach herrje! Doch wieder die alte Leier!
    3
    Ich versteh diese Bäume nicht.
    Nehmense nur die Zypresse.
    Ja, die so braun wird an der Seite.
    Die hat es doch gut hier.
    Landluft. Was willse denn noch?
    Mir jedenfalls bekommt die Luft blendend.
    Warnse in Rom?
    Na, dann kennse ja den Verkehr dort.
    Da stehnse wie ne Eins, die Dinger.
    Irgendwie tückisch.
    4
    Schrecklich ist die Gewöhnung. Seit Jahren
    komm ich an diesem zypressenumstandnen
    Friedhof vorbei. Ich weiß noch: Vor Jahren
    warn sie intakt, alle acht, und als es
    Die erste traf, damals, sah ich's betroffen.
    Und auch bei der zweiten, Jahre her mittlerweile,
    und noch

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