Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Feuer glost durch rußges Eisen
Im Halblicht prüft der Kunde die Salate
Dann stellt er seinen Teller selbst zusammen
Für sieben fünfzig hat er freie Auswahl:
Ja, ist hier das Paradies ausgebrochen?
Ja, geht es noch ungezwungner?
Ja, fällt man sich hier als nächstes in die Arme?
Das Riesen-Entrecôte ist fast ein Pfund schwer
Der Fettkern macht es saftig und besonders
In Sauerrahm getaucht lockt die Kartoffel
Das Messer schneidet silbern in das Fleischstück
Das rote Blut quillt auf den weißen Teller
Dem Schneidenden wird plötzlich schwarz vor Augen:
Wie schön still es hier auf einmal ist.
Wie schön dunkel es hier auf einmal ist.
Wie schön es hier auf einmal ist, still und dunkel.
Auto und Baum
An einem
Deux Chevaux
Ecke Grüneburgweg/Reuterweg
las ich im
Vorübergehen
die Worte:
Leben
so einsam und frei
wie ein Baum
und so
brüderlich wie ein Wald. Sie waren
mit Filzstift
auf das Auto
geschrieben worden. Vermutlich
vom Besitzer.
Lange
gingen
mir
diese
Zeilen
nach.
Erst Ecke Grüneburgweg/Eschers-
heimer Landstraße gelang es mir
sie
wie
der
ab
zu
schüt
teln.
Herbstlicher Baum
in der Neuhausstrasse
Wie sehr bemerkenswert ist doch
ein dunkler Baum, durch den ein Wind geht,
wenn dieser Wind schön mild ist und
der große Baum scharf gegens Licht steht,
doch so, daß er am andern Rand
sich ganz und gar vereint dem Glänzen.
So also, links vom Licht begrenzt
und rechts so lichterfüllt, daß Grenzen
im Leuchten einfach weg sind und
ein Seufzer kommt aus meinem Mund.
Pizzeria »Europa«
Abends aber sitzen Neger
im Lokal des Italieners,
sitzen da und wählen Speisen,
die so klingen, wie sie aussehn.
Große Neger, kleine Neger
halten sich an das, was da ist,
und was da ist, das sind Speisen,
die so aussehn, wie sie schmecken.
Schwarze Neger, helle Speisen,
volle Teller, die sich leeren,
aufgetischt von schnellen Kellnern,
die so reden, wie sie heißen.
Aber dann! Es geht ans Zahlen,
schwarze Hände, grüne Scheine.
Dunkelheit verschluckt die Gäste,
die so weggehn, wie sie kamen:
Fröhlich.
Strauss spricht auf dem Römer
Als ich dann zum Römer kam,
standen da 25 000 Mann,
die hörten sich den Franz Josef Strauß
und seine Wahlrede an.
Er sagte, er müsse Kanzler werden.
Weil: Unser Land sei in Gefahr.
Ich dachte, nun müßten alle sehen,
daß der wahnsinnig war.
Die da aber, die um ihn standen,
die lachten nicht über ihn.
Sie verdrehten ihre Augen gläubig gegen
die Sonne, die sie und den Platz beschien.
Sie hatten große Schilder bei sich,
darauf stand »Hessen grüßt den Kandidaten«.
Da sah ich: Die waren selber wahnsinnig,
die so etwas taten.
Der Wahnsinnige rief den Wahnsinnigen zu,
sie sollten ihn bitte wählen.
Da reckten sich ihm so viele Hände entgegen,
daß ich es aufgab, sie zu zählen.
Ich wandte mich ab und der Sonne zu
und ließ die Irren lärmen:
Als der Wahnsinnige sich feiern ließ,
ließ ich mich wärmen.
III
Klage
Das vierzehnte Jahr
Montaieser Elegie
1
Gebe, o Gott! daß sie wenigstens lustig
wird, meine Klage. Wut, Zorn und Trauer
bringt ja heut jeder zum Ausdruck, dem 's Sterben
rings an die Nieren geht. Ob er nun Wald
besitzt, begeht oder betrachtet -
quer durch die Einkommensklassen sind alle
schon wütend und zornig und traurig. Und nun auch
noch ich? Da sei ach! Gott vor.
2
Hab ein Haus in der Toscana
Der Glückliche! Hätten wir auch gern!
Hab es schon seit dreizehn Jahren
So lange? Na, da gratulieren wir aber!
Hab in dieser Zeit erfahren
Was denn? Jetzt wird's spannend!
Wie alles den Bach runtergeht
Ach herrje! Doch wieder die alte Leier!
3
Ich versteh diese Bäume nicht.
Nehmense nur die Zypresse.
Ja, die so braun wird an der Seite.
Die hat es doch gut hier.
Landluft. Was willse denn noch?
Mir jedenfalls bekommt die Luft blendend.
Warnse in Rom?
Na, dann kennse ja den Verkehr dort.
Da stehnse wie ne Eins, die Dinger.
Irgendwie tückisch.
4
Schrecklich ist die Gewöhnung. Seit Jahren
komm ich an diesem zypressenumstandnen
Friedhof vorbei. Ich weiß noch: Vor Jahren
warn sie intakt, alle acht, und als es
Die erste traf, damals, sah ich's betroffen.
Und auch bei der zweiten, Jahre her mittlerweile,
und noch
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