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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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Knie
    vom Erdboden erheben.
    Da ist das große Tier zu schwer.
    So mußt du weiterleben.
    Stern und Unstern
    Ein ferner Stern im Blau der Nacht
    hält über meinem Unstern Wacht.
    Mein Unstern ist so ungeschickt
    und machtlos, daß ihm gar nichts glückt.
    Er sollte mir zwar Unstern sein,
    fällt aber dauernd selber rein.
    Er blinkt so plump und winkt so dumm,
    kaum lockt er mich, schon kehr' ich um.
    Er aber prallt voll Unverstand
    auf die mir zugedachte Wand.
    Statt daß er mich ins Unheil führt,
    bin ich es, den sein Unglück rührt.
    Fast hätt' ich meinen Unstern gern,
    wär' da nicht jener ferne Stern.
    Der strahlt so hell und unbeirrt,
    daß mir zuweilen bange wird
    und ich mich frage: Was, wenn der
    und gar nicht er mein Unstern wär?
    Weder noch
    Ach nein, ich kann kein Schächer sein,
    da müßt' ich wilder, frecher sein,
    wahrscheinlich auch viel böser;
    und weil ich lau und feige bin,
    nicht Bratsche und nicht Geige bin,
    langt's nicht mal zum Erlöser.

V
    Fremde
    Nachdem er durch Rom
gegangen war
    Arm eng, arm schlecht
    Arm grau, arm dicht
    Reich weit, reich schön
    Reich grün, reich licht.
    Arm klein, arm schwach
    Reich groß, reich stark
    Arm heiß, arm Krach
    Reich kühl, reich Park.
    Arm Rauch, arm Schmutz,
    Arm Müll, arm Schrott
    Reich Ruhm, reich Glanz
    Reich Kunst, reich Gott.
    Endstation Einsicht
    Im Freak-Café,
    da endet man,
    wie man auf einer
    Klippe landet.
    Man fragt nicht lang,
    krallt sich nur fest,
    greift zu und trinkt.
    Vom Lärm umbrandet
    schaut man sich um
    und hört schnell weg.
    Was sich da
    lumpenhaft gewandet
    laut mitteilt,
    weiß nicht, was es sagt.
    Doch dort, wo solch
    Gelall versandet,
    in müdem Kopf,
    wird Einsicht wach:
    Bist nicht gerettet,
    bist gestrandet.
    Via Giubbonari, 19  Uhr 30
    Hier sind alle schiech,
    nur ich nicht.
    Sieh sie dir doch an!
    Der Blick von dem da geht doch in die Irre.
    Das Fleisch von der da wuchert doch ins Grause.
    Und wie die schon angezogen sind,
    sowas Verrücktes.
    Schau sie dir an.
    Alle wahnsinnig,
    Frau wie Mann.
    Hier sehn alle klar,
    nur ich nicht.
    Hör mir bloß nicht zu!
    Dem da sein Blick will ganz einfach erwidert werden.
    Der da ihr Fleisch hat es schlicht auf anderes Fleisch abgesehen.
    Die ziehn sich so an,
    damit es hier und heute stattfindet.
    Schau ihnen zu.
    Wir könnten da noch was lernen,
    ich und du.
    Ein merkwürdiges Missverständnis
im Petersdom
    Deutsches Dichter kommt nach Rom,
    geht sich gleich in Petersdom.
    Sieht dort einen Pietà,
    macht sich deutsches Dichter: Ah!
    Ist von Michelangelo,
    macht sich deutsches Dichter: Oh!
    Hört sich Papst das heimlich an,
    denkt sich: Das ist kluges Mann!
    Macht sich einen Räusperton,
    sagt dann laut: Sehr wahr, mein Sohn.
    Jesus Christus ist sich ja
    Alpha sowie Omega.
    Und ich bin sein Stellvertret,
    was sich schon in Bibel steht.
    Und was auch mein Nam beweist,
    was bekanntlich Karol heißt.
    Also bin ich A und O -
    und wie heißen wir denn so?
    Denkt sich Dichter sehr verwirrt:
    Hat sich Papst ganz schön geirrt.
    Ist sich aber braves Mann,
    was man nicht enttäuschen kann.
    Und so sagt er frank und frei,
    daß er Willi Wurzel sei.
    L'heure bleue
im Antico Caffè della Pace
    Mit der Zeit verschwimmen eh die
    Blicke, die dir eh nicht gelten.
    Blicke suchen eh die Nähe,
    die dir gelten, sind eh selten.
    Weitertrinken! Eh vergeblich,
    jetzt noch Blicke festzumachen.
    Was die sehn, ist eh zum Heulen,
    und was du siehst, eh zum Lachen.
    Nachdem er in der Trattoria
»Da Mamma Pia« gegessen hatte
    Keine nimmt dich besser aus,
    als die Mamma mit drei M,
    meint: die italienische.
    Ein M steht für »Machen wir!«
    und schon fängt sie an zu kochen,
    meint: was Italienisches.
    Ein M steht für »Mundet es?«
    und du radebrechst begeistert,
    meint: das Italienische.
    Ein M steht für »Melken wir!«
    und schon bringt sie dir die Rechnung,
    meint: die infernalische.
    Roma Aeterna
    Das Rom der Foren, Rom der Tempel
    Das Rom der Kirchen, Rom der Villen
    Das laute Rom und das der stillen
    Entlegnen Plätze, wo der Stempel
    Verblichner Macht noch an Palästen
    Von altem Prunk erzählt und Schrecken
    Indes aus moosbegrünten Becken
    Des Wassers Spiegel allem Festen
    Den Wandel vorhält. So viel Städte
    In einer einzigen. Als hätte
    Ein Gott sonst sehr verstreuten Glanz
    Hierhergelenkt, um alles Scheinen
    Zu steingewordnem Sein zu einen:
    Rom hat viel alte Bausubstanz.
    Doppelte Begegnung
am Stand von Sperlonga
    Die Sonne stand schon tief.
    Der Strand war weit und

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