Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
drittens, beschneidet:
Ein Rücken des Stuhls -
und der Blick ist vollkommen.
Geht sie drauf, die Natur? Oder muß sie sich umstell'n?
Wahrscheinlich falsch, sie im Freien zu lassen.
In Büros und in Banken, da wuchert und grünt es
dermaßen prächtig – da kommt kein Wald mit.
13
Sah erst nur die großen Schatten
Glitten über den Zementplatz
Übers Buch auch einer, das ich
Grade las, es ging um Caesar.
Römer wußten sie zu deuten
Die Bewegungen der Vögel
Doch was hätten die Auguren
Wohl aus diesem Schwarm gelesen?
Möwen! Hier am Rand des Chianti!
Nie in all den dreizehn Jahren
Sah ich auch nur eine einz'ge
Und nun kreisten zwölf. Die Schatten
Fanden sich zu flücht'gen Mustern
Dann ein Schrei. Sie flogen weiter
Richtung Berge. Was zum Teufel
Trieb die meerverbundenen Vögel
In die Berge? Staunend sah ich
Ihnen nach. Doch in das Staunen
Mischte sich dies, schwer zu sagen,
War es Grausen?
14
Wenn sich die Zeichen mehren,
geht was den Bach runter.
Wenn was den Bach runtergeht,
muß der Mensch sich bescheiden.
Dann darf er nichts weiter fordern
als das Vollkommene.
Nicht mehr als das, aber
bei Gott! auch nicht weniger.
IV
Ich
Revision im Spiegel
Wenn ich meinen Hals betrachte,
fühl' ich, wie ich mich verachte.
Wenn ich meinen Mund beschaue,
spür' ich, daß ich mir vertraue.
Wenn ich meine Stirn besehe,
denk' ich, daß ich mich verstehe,
Dann ein Blick aus meinen Augen -
und ich weiß, wieviel wir taugen.
Siebenmal mein Körper
Mein Körper ist ein schutzlos Ding,
ein Glück, daß er mich hat.
Ich hülle ihn in Tuch und Garn
und mach' ihn täglich satt.
Mein Körper hat es gut bei mir,
ich geb' ihm Brot und Wein.
Er kriegt von beidem nie genug,
und nachher muß er spein.
Mein Körper hält sich nicht an mich,
er tut, was ich nicht darf.
Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,
ihn machen Körper scharf.
Mein Körper macht nur, was er will,
macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn.
Ich wasche und beschneide ihn
von hinten und von vorn.
Mein Körper ist voll Unvernunft,
ist gierig, faul und geil.
Tagtäglich geht er mehr kaputt,
ich mach' ihn wieder heil.
Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank,
er tut mir manchmal weh.
Ich bring ihn trotzdem übern Berg
und fahr' ihn an die See.
Mein Körper ist so unsozial.
Ich rede, er bleibt stumm.
Ich leb' ein Leben lang für ihn.
Er bringt mich langsam um.
Noch einmal: mein Körper
Mein Körper rät mir:
Ruh dich aus!
Ich sage: Mach' ich,
altes Haus!
Denk' aber: Ach, der
sieht's ja nicht!
Und schreibe heimlich
dies Gedicht.
Da sagt mein Körper:
Na, na, na!
Mein guter Freund,
was tun wir da?
Ach gar nichts! sag' ich
aufgeschreckt,
und denk': Wie hat er
das entdeckt?
Die Frage scheint recht
schlicht zu sein,
doch ihre Schlichtheit
ist nur Schein.
Sie läßt mir seither
keine Ruh:
Wie weiß mein Körper
was ich tu?
Tischtuchgedicht
Auf dem Tischtuch helle Kringel -
kommen die vom Sonnenlicht?
»Mann, sag's nicht!«
Nein, die sind vom weißen Wein,
denn den scheint die Lampe an.
»Laß es, Mann!«
Wacker wackeln die Reflexe,
sind so jesusmäßig hell.
»Mann, mach schnell!«
Gleißen freilich nicht mehr lange.
Da! Ich setz den Becher an -
»Endlich, Mann!«
Ich Stellvertreter
Und wieder mal an jenem Punkt,
an dem du sagen mußt: Es reicht!
Wer jetzt nicht seine Schuld begleicht,
der sitzt zu Recht in dem Lokal.
Der Wirt knallt dir den Teller hin,
den Eintopf, den nur jener frißt,
dem gar nicht mehr zu helfen ist -
Nein danke, Chef, ich gehe.
»Nur einen Löffel auf den Weg« -
Gut. Draußen ist es schwarz und kalt,
die Pampe mag da – aber halt!
Mehr kriege ich nicht runter.
»Und einen Löffel für Mama,
na komm schon, sei ein braver Sohn« -
So fängt das immer an und schon
haben sie dich wieder.
Ach, leck nur deinen Teller aus -
Ich lecke ihn? Wieso denn ich?
Ich tue das doch nur für dich!
Halt! Geh nicht! Hiergeblieben!
Beim Anblick des Fregattvogels
Den hat kein grübelnd Hirn ersonnen,
der ist aus Stoff und Sturm geronnen
zu reinem Flug.
Der ist der Inbegriff des Schwebens,
des Höher-, Schneller-, Weiterlebens,
und ich karieche.
Jammer
Da setzt ein großes Tier sich auf
die Knie deines Herzens
und sagt: Mein Freund, erhebe dich.
Mach ernst. Genug des Scherzens.
Sieh deines Herzens Knie an.
Mein lieber Freund, sie bluten.
Da hört der Spaß auf. Es wird
ernst. Das ist zuviel des Guten.
Da willst du deines Herzens
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