Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
aufhörn.
Durch die Banken
In dieser entgötterten Welt
- Oder haben Sie etwas zu verschenken?
behelligen mich Menschen mit Fragen
- Wer von uns hat das schon?
die in mir eine wilde Sehnsucht wachrufen
- Haben Sie eigentlich Ihren Freistellungsauftrag
bei uns eingereicht?
nach jenen Fragen, auf die Menschen wie ich
noch eine Antwort wußten:
Welches ist die wahre Natur Gottes?
Woher kommt das Böse?
Wohin gehen wir?
Was können wir erkennen?
Warum Kunst?
Das Bankgebäude ist hoch und glänzend.
Im Innern schimmern prachtvolle Schalter.
»Bitte Abstand halten!« mahnt eine Leuchtschrift.
Schwierig, wenn alles lockt: Du! Berühr mich!
»Das mit dem Freistellungsauftrag sollten Sie
so schnell wie möglich klären. Hier jedenfalls
liegt kein Freistellungsauftrag von Ihnen vor.
Haben Sie den Freistellungsauftrag etwa bei einer
anderen Bank eingereicht? Dann würde ich
an Ihrer Stelle dort unverzüglich anfragen!«
Woher kommen wir?
Wohin gehen wir?
Was soll das alles?
Die Türen der Bank öffnen sich lautlos.
Die Schalterhalle brummt vor Leben.
Der Mann hinterm Schalter weist in die Stille.
Im Raum des Kollegen lastet das Schweigen:
- Sie müssen doch einen Brief von uns
in Sachen Freistellungsauftrag
bekommen haben!
(Kein Mensch muß müssen.)
- Sie wissen doch: Als Verheiratetem stehen
Ihnen steuerfrei Zinseinnahmen in Höhe
von DM 12 200 jährlich zu.
(Ich weiß, daß ich nichts weiß.)
- Diese Regelung gilt seit dem 1. 1. 1993.
Da bereits hätten Sie von dieser Möglichkeit
der Freistellung vom Steuerabzug auf
Zinsen Gebrauch machen müssen. Oder
haben Sie etwas zu verschenken?
Ihr Brüder, hattet was zu verschenken,
Du, heiliger Franz, und du, weiser Ludwig,
Du in Assisi und du in Wien.
Euch, Brüder, war euer Erbe so lästig,
daß ihr es hergabt, um Zeit zu gewinnen,
du für den Glauben und du für das Denken.
Lehr, Franz, mich Sonne und Gott zu besingen!
Führ, Ludwig, mich an die Grenzen des Denkens!
Franziskus! Wittgenstein! Holt mich hier raus!
- Der Höchstbetrag von DM 12 200
gilt natürlich nur bei
Zusammenveranlagung. Sie werden doch
zusammenveranlagt?
(Wovon man nicht reden kann, davon muß man schweigen.)
- Der Freistellungsauftrag ist
nach Auflösung der Ehe
oder bei dauerndem Getrenntleben
zu ändern. Trifft
das auf Sie zu?
(Regel und Leben dieser Brüder ist so:
in Gehorsam, in Keuschheit und ohne
Eigentum zu leben.)
- Zuviel gezahlte Kapitalertragssteuern
werden Ihnen zurückerstattet, freilich
mit Verzögerung. Und die Zinsen
sehen Sie natürlich auf keinen Fall -
was Vater Staat mal hat, das behält er.
Fragen Sie Ihren Steuerberater!
Was macht der Wind, wenn er nicht weht?
Wie kommt das Salz ins Meer?
Warum und zu welchem Zweck studieren wir
Universalgeschichte?
Der Sachbearbeiter strahlt und erhebt sich:
»Ich bin für Sie da, falls Sie Fragen haben!«
»Oh, gut zu wissen!« Und er entläßt mich
in diese entgötterte Welt.
Sauber bleiben
Mich manchmal den Medien verweigert
Dachte, das würde unheimlich wahrgenommen
Aber meine Freunde vor den Fernsehern
Die haben das überhaupt nicht mitbekommen.
Auch: Keine Frauen ins Bett gedichtet
Niemals rilkehaft abgesahnt
Freilich: Die also Verschonten
Haben ihr Glück nicht einmal geahnt.
Dann: Ziemlich viel Geld ausgeschlagen
Nicht peanuts – wirklich Summen
Hätte das vielleicht bekanntmachen sollen
Aber: Wer spielt gern den Dummen?
Hier und da mit den Wölfen geheult
Doch viel öfter mit den Schafen
Wirklich: Ich habe das beste Gewissen der Welt
Nur: Was läßt mich nicht schlafen?
Alles über RS
Robert Selbstzufrieden denkt,
Gott hab' ihn der Welt geschenkt,
und es sei nun ihre Sache,
was sie aus der Gabe mache.
Robert Selbstzufrieden rafft
nicht total, wie er es schafft,
so zu tun, als ob auch er
Mensch nur unter Menschen wär'.
Robert Selbstzufrieden schließt
daraus, daß er Blumen gießt,
darauf, daß im Weltgemälde
ohne ihn ein Farbfleck fehlte.
Robert Selbstzufrieden sieht,
daß selbst ihn die Jugend flieht.
Na, das macht nichts, meint er kalt,
Nicht mehr jung ist noch nicht alt.
Robert Selbstzufrieden stört,
daß er nur Hosianna hört,
und in kühnen Selbstversuchen
sieht man ihn sich selbst verfluchen.
Lauf der Dinge
ODER
Ballade von den alternden
Männern in diesen bewegten
Zeiten
Dann sehn sie sich plötzlich von Dunkel umringt.
Dann leiden sie wie die Hunde.
Dann sagen sie nichts, doch ihre Frauen
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