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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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aufhörn.
    Durch die Banken
    In dieser entgötterten Welt
    - Oder haben Sie etwas zu verschenken?
    behelligen mich Menschen mit Fragen
    - Wer von uns hat das schon?
    die in mir eine wilde Sehnsucht wachrufen
    - Haben Sie eigentlich Ihren Freistellungsauftrag
    bei uns eingereicht?
    nach jenen Fragen, auf die Menschen wie ich
    noch eine Antwort wußten:
    Welches ist die wahre Natur Gottes?
    Woher kommt das Böse?
    Wohin gehen wir?
    Was können wir erkennen?
    Warum Kunst?
    Das Bankgebäude ist hoch und glänzend.
    Im Innern schimmern prachtvolle Schalter.
    »Bitte Abstand halten!« mahnt eine Leuchtschrift.
    Schwierig, wenn alles lockt: Du! Berühr mich!
    »Das mit dem Freistellungsauftrag sollten Sie
    so schnell wie möglich klären. Hier jedenfalls
    liegt kein Freistellungsauftrag von Ihnen vor.
    Haben Sie den Freistellungsauftrag etwa bei einer
    anderen Bank eingereicht? Dann würde ich
    an Ihrer Stelle dort unverzüglich anfragen!«
    Woher kommen wir?
    Wohin gehen wir?
    Was soll das alles?
    Die Türen der Bank öffnen sich lautlos.
    Die Schalterhalle brummt vor Leben.
    Der Mann hinterm Schalter weist in die Stille.
    Im Raum des Kollegen lastet das Schweigen:
    - Sie müssen doch einen Brief von uns
    in Sachen Freistellungsauftrag
    bekommen haben!
    (Kein Mensch muß müssen.)
    - Sie wissen doch: Als Verheiratetem stehen
    Ihnen steuerfrei Zinseinnahmen in Höhe
    von DM 12 200 jährlich zu.
    (Ich weiß, daß ich nichts weiß.)
    - Diese Regelung gilt seit dem 1. 1. 1993.
    Da bereits hätten Sie von dieser Möglichkeit
    der Freistellung vom Steuerabzug auf
    Zinsen Gebrauch machen müssen. Oder
    haben Sie etwas zu verschenken?
    Ihr Brüder, hattet was zu verschenken,
    Du, heiliger Franz, und du, weiser Ludwig,
    Du in Assisi und du in Wien.
    Euch, Brüder, war euer Erbe so lästig,
    daß ihr es hergabt, um Zeit zu gewinnen,
    du für den Glauben und du für das Denken.
    Lehr, Franz, mich Sonne und Gott zu besingen!
    Führ, Ludwig, mich an die Grenzen des Denkens!
    Franziskus! Wittgenstein! Holt mich hier raus!
    - Der Höchstbetrag von DM 12 200
    gilt natürlich nur bei
    Zusammenveranlagung. Sie werden doch
    zusammenveranlagt?
    (Wovon man nicht reden kann, davon muß man schweigen.)
    - Der Freistellungsauftrag ist
    nach Auflösung der Ehe
    oder bei dauerndem Getrenntleben
    zu ändern. Trifft
    das auf Sie zu?
    (Regel und Leben dieser Brüder ist so:
    in Gehorsam, in Keuschheit und ohne
    Eigentum zu leben.)
    - Zuviel gezahlte Kapitalertragssteuern
    werden Ihnen zurückerstattet, freilich
    mit Verzögerung. Und die Zinsen
    sehen Sie natürlich auf keinen Fall -
    was Vater Staat mal hat, das behält er.
    Fragen Sie Ihren Steuerberater!
    Was macht der Wind, wenn er nicht weht?
    Wie kommt das Salz ins Meer?
    Warum und zu welchem Zweck studieren wir
    Universalgeschichte?
    Der Sachbearbeiter strahlt und erhebt sich:
    »Ich bin für Sie da, falls Sie Fragen haben!«
    »Oh, gut zu wissen!« Und er entläßt mich
    in diese entgötterte Welt.
    Sauber bleiben
    Mich manchmal den Medien verweigert
    Dachte, das würde unheimlich wahrgenommen
    Aber meine Freunde vor den Fernsehern
    Die haben das überhaupt nicht mitbekommen.
    Auch: Keine Frauen ins Bett gedichtet
    Niemals rilkehaft abgesahnt
    Freilich: Die also Verschonten
    Haben ihr Glück nicht einmal geahnt.
    Dann: Ziemlich viel Geld ausgeschlagen
    Nicht peanuts – wirklich Summen
    Hätte das vielleicht bekanntmachen sollen
    Aber: Wer spielt gern den Dummen?
    Hier und da mit den Wölfen geheult
    Doch viel öfter mit den Schafen
    Wirklich: Ich habe das beste Gewissen der Welt
    Nur: Was läßt mich nicht schlafen?
    Alles über RS
    Robert Selbstzufrieden denkt,
    Gott hab' ihn der Welt geschenkt,
    und es sei nun ihre Sache,
    was sie aus der Gabe mache.
    Robert Selbstzufrieden rafft
    nicht total, wie er es schafft,
    so zu tun, als ob auch er
    Mensch nur unter Menschen wär'.
    Robert Selbstzufrieden schließt
    daraus, daß er Blumen gießt,
    darauf, daß im Weltgemälde
    ohne ihn ein Farbfleck fehlte.
    Robert Selbstzufrieden sieht,
    daß selbst ihn die Jugend flieht.
    Na, das macht nichts, meint er kalt,
    Nicht mehr jung ist noch nicht alt.
    Robert Selbstzufrieden stört,
    daß er nur Hosianna hört,
    und in kühnen Selbstversuchen
    sieht man ihn sich selbst verfluchen.
    Lauf der Dinge
ODER
Ballade von den alternden
Männern in diesen bewegten
Zeiten
    Dann sehn sie sich plötzlich von Dunkel umringt.
    Dann leiden sie wie die Hunde.
    Dann sagen sie nichts, doch ihre Frauen

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