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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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verstehn,
    Die richten sich langsam zugrunde:
    Die Arbeit macht sie kaputt
    So viel Arbeit nicht gut
    Die Familie macht sie platt
    Weh dem, der Familie hat
    Und jeden Abend breit
    Leid, das zum Himmel schreit
    Dann bleiben sie abends auch schon mal zu Haus.
    Dann schöpfen sie Trost aus Bäumen.
    Dann warten sie lange am Futterplatz,
    Um das Eichhörnchen nicht zu versäumen:
    Arbeit ist nicht die Welt
    Ruhe zählt mehr als Geld
    Technik verkommt zur Tortur
    Frieden schenkt nur die Natur
    Lasse dich fallen, vertrau
    Schließe die Augen und schau
    Dann reden sie immer öfter von
    Der allerletzten Reise.
    Erst werden sie ernst. Dann werden sie mild.
    Und schließlich werden sie weise.
    Grenzen kommen zu Fall
    Wirst du eins mit dem All
    Die Welt ist unendlich weit
    Lebe die Möglichkeit
    Niemand kommt jemals ans Ziel
    Wer ›Weg‹ sagt, sagt bereits viel -
    Der führt dann knapp bis zur jüngeren Frau.
    Das schaffen sie grade grade.
    Dann machen sie rasch auch noch die zur Sau.
    Und das ist eigentlich traurig.
    Kontaktanzeigen
    Ich bewundre die Perversen,
    denn sie wissen, was sie wollen:
    Wollen
    Bürosp. mit Schreibtisch
    Sado-Maso in Vollendung
    Fesselungen, Thai-Massage
    Stiefellady – Fußerotik
    Tabul. Telefongespräche
    Wollen
    Exkl. Sie in Strapsen
    Zierl. Perle a.d. Ferne
    Stark behaartes bld. Mäuschen
    Stöckchen u. Nad., Übernachtung
    Blonde Sklavin, Regenquelle
    Wollen
    Kindfr. – Glattras. Schmuse
    Kim, schlk. ras. AV-Turbine
    Ev, ZA, ZK u. Dildosp.
    NS. u. NK-Queen Nicky
    ZA, Badespaß a.s. streng
    Wollen
    Öl u. Po Mass., zart-dom.
    Kitty, Jenny, jung u. willig
    Susi tabul. Barbie-Puppe
    Diktat od. ein Sexy-Stündchen
    Neubesetzung Oberroden
    Wollen
    Telefongeflüster
    wollen
    Neu! G. Schnecke! AV
    wollen
    Strenge Gummilady
    wollen
    Heiße Zungenspiele
    wollen
    Mediz. Po-Behandlung
    wollen
    UNSRE SPEISEKARTE
    frz. opt., EL, ZA, DS,
    AV, RS, NS, NK,
    ZK, KB, Lesbo, FE,
    TF, LE, FF, AE–:
    Ich beneide die Perversen,
    wenn sie kriegen, was sie brauchen.
    Welt der Literatur
ZUM LITERATURBETRIEB
»Dieses Gewerbe ist ziemlich windig.«
»So, findest du?« – »Find' ich.«
    Empfindsamer junger Dichter
    Der Dichter muß erleiden.
    Der Dichter muß erleben:
    Dann wird man ihn beneiden,
    und frau wird ihm vergeben.
    Zorniger junger Dichter
    Gedicht kann beides sein:
    Klage und Feier.
    Dies geht mir auf den Sack,
    das auf die Eier.
    Milder alter Dichter
    Um mich zum Schreiben zu bringen, Kinder,
    braucht's Anreiz nicht,
    Ansporn nicht oder Belohnung.
    Ich schreibe, wie der Vogel schreibt:
    Ungefragt, unbedarft, ununterbrochen.
    Abgeklärter Dichter
    Ob ich dem X seinen Bucherfolg neide?
    Die Welt ist doch groß. Sie hat Platz für uns beide.
    Der nimmt mir doch nichts, diese schmierige Kröte,
    außer: Den Ruhm und die Fraun und die Knete.
    Arme Dichterin
    Wissend um die Leiden
    der Dichterin,
    greife ich zu ihren Gedichten,
    die davon künden,
    wie lang ihr die Nacht wurde:
    »Jetzt reden im Dorf die Hunde sich aus«
    »So nah ging mir die Nacht noch nie«
    »Mein Daumenballen riecht nach Schlafzeitlose«
    »Auch der Mond müßte brechen in so einer Nacht«
    »Ein Viertel Schlaf, drei Viertel Angst« -
    Arme Christine Lavant!
    Blickend zum Fenster
    seh' ich: Es dämmert. Zeit
    das Licht zu löschen und es
    noch mal zu versuchen.
    Lustiger Dichter
    Das Gedicht verdichtet, sagt man.
    Doch was machen, wenn es labert?
    Wenn es, Sinn und Form verlassend,
    fremdworts durch die Zeilen zabert?
    Wenn es jeglichem Verstehen
    grollgleich sich und muff entzitzelt
    und durch immerblaue Schlödheit
    vorderrücks zum Trübfall bitzelt?
    Wenn es – aber halt! Der Kluge
    hat schon nach der ersten Strophe
    aufgehört zu lesen, ergo
    ist, wer jetzt noch liest, der Doofe.
    (Und der pflegt ja bei Gedichten
    eh auf Sonn und Firm zu zichten.)
    Verliebter Dichter
    Freude in der Straße:
    Dichter ist verliebt!
    Ja, wenn das nicht
    einen Haufen
    schöne Gedichte ergibt!
    Jubel in der Straße:
    Frau hat ihn verschmäht!
    Na, wenn da nicht
    mehr als eine
    Elegie entsteht!
    Zweifel in der Straße:
    Frau hat ihm gewinkt!
    Tja, ob das wohl
    etwas für die
    Dichtung bringt?
    Kummer in der Straße:
    Frau hat ihn geküßt.
    Ach, wenn das mal
    nicht der Anfang
    von dem Ende ist!
    Trauer in der Straße:
    Frau hat ihn erhört.
    Da weiß jeder,
    damit hat sich's
    leider ausgeröhrt.
    Anmassender Dichter
    Natürlich bin ich bedeutender
    als Reinhard Lettau,
    bedeutend bedeutender,
    aber was bedeutet das schon?
    Was bedeutet

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