Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
verstehn,
Die richten sich langsam zugrunde:
Die Arbeit macht sie kaputt
So viel Arbeit nicht gut
Die Familie macht sie platt
Weh dem, der Familie hat
Und jeden Abend breit
Leid, das zum Himmel schreit
Dann bleiben sie abends auch schon mal zu Haus.
Dann schöpfen sie Trost aus Bäumen.
Dann warten sie lange am Futterplatz,
Um das Eichhörnchen nicht zu versäumen:
Arbeit ist nicht die Welt
Ruhe zählt mehr als Geld
Technik verkommt zur Tortur
Frieden schenkt nur die Natur
Lasse dich fallen, vertrau
Schließe die Augen und schau
Dann reden sie immer öfter von
Der allerletzten Reise.
Erst werden sie ernst. Dann werden sie mild.
Und schließlich werden sie weise.
Grenzen kommen zu Fall
Wirst du eins mit dem All
Die Welt ist unendlich weit
Lebe die Möglichkeit
Niemand kommt jemals ans Ziel
Wer ›Weg‹ sagt, sagt bereits viel -
Der führt dann knapp bis zur jüngeren Frau.
Das schaffen sie grade grade.
Dann machen sie rasch auch noch die zur Sau.
Und das ist eigentlich traurig.
Kontaktanzeigen
Ich bewundre die Perversen,
denn sie wissen, was sie wollen:
Wollen
Bürosp. mit Schreibtisch
Sado-Maso in Vollendung
Fesselungen, Thai-Massage
Stiefellady – Fußerotik
Tabul. Telefongespräche
Wollen
Exkl. Sie in Strapsen
Zierl. Perle a.d. Ferne
Stark behaartes bld. Mäuschen
Stöckchen u. Nad., Übernachtung
Blonde Sklavin, Regenquelle
Wollen
Kindfr. – Glattras. Schmuse
Kim, schlk. ras. AV-Turbine
Ev, ZA, ZK u. Dildosp.
NS. u. NK-Queen Nicky
ZA, Badespaß a.s. streng
Wollen
Öl u. Po Mass., zart-dom.
Kitty, Jenny, jung u. willig
Susi tabul. Barbie-Puppe
Diktat od. ein Sexy-Stündchen
Neubesetzung Oberroden
Wollen
Telefongeflüster
wollen
Neu! G. Schnecke! AV
wollen
Strenge Gummilady
wollen
Heiße Zungenspiele
wollen
Mediz. Po-Behandlung
wollen
UNSRE SPEISEKARTE
frz. opt., EL, ZA, DS,
AV, RS, NS, NK,
ZK, KB, Lesbo, FE,
TF, LE, FF, AE–:
Ich beneide die Perversen,
wenn sie kriegen, was sie brauchen.
Welt der Literatur
ZUM LITERATURBETRIEB
»Dieses Gewerbe ist ziemlich windig.«
»So, findest du?« – »Find' ich.«
Empfindsamer junger Dichter
Der Dichter muß erleiden.
Der Dichter muß erleben:
Dann wird man ihn beneiden,
und frau wird ihm vergeben.
Zorniger junger Dichter
Gedicht kann beides sein:
Klage und Feier.
Dies geht mir auf den Sack,
das auf die Eier.
Milder alter Dichter
Um mich zum Schreiben zu bringen, Kinder,
braucht's Anreiz nicht,
Ansporn nicht oder Belohnung.
Ich schreibe, wie der Vogel schreibt:
Ungefragt, unbedarft, ununterbrochen.
Abgeklärter Dichter
Ob ich dem X seinen Bucherfolg neide?
Die Welt ist doch groß. Sie hat Platz für uns beide.
Der nimmt mir doch nichts, diese schmierige Kröte,
außer: Den Ruhm und die Fraun und die Knete.
Arme Dichterin
Wissend um die Leiden
der Dichterin,
greife ich zu ihren Gedichten,
die davon künden,
wie lang ihr die Nacht wurde:
»Jetzt reden im Dorf die Hunde sich aus«
»So nah ging mir die Nacht noch nie«
»Mein Daumenballen riecht nach Schlafzeitlose«
»Auch der Mond müßte brechen in so einer Nacht«
»Ein Viertel Schlaf, drei Viertel Angst« -
Arme Christine Lavant!
Blickend zum Fenster
seh' ich: Es dämmert. Zeit
das Licht zu löschen und es
noch mal zu versuchen.
Lustiger Dichter
Das Gedicht verdichtet, sagt man.
Doch was machen, wenn es labert?
Wenn es, Sinn und Form verlassend,
fremdworts durch die Zeilen zabert?
Wenn es jeglichem Verstehen
grollgleich sich und muff entzitzelt
und durch immerblaue Schlödheit
vorderrücks zum Trübfall bitzelt?
Wenn es – aber halt! Der Kluge
hat schon nach der ersten Strophe
aufgehört zu lesen, ergo
ist, wer jetzt noch liest, der Doofe.
(Und der pflegt ja bei Gedichten
eh auf Sonn und Firm zu zichten.)
Verliebter Dichter
Freude in der Straße:
Dichter ist verliebt!
Ja, wenn das nicht
einen Haufen
schöne Gedichte ergibt!
Jubel in der Straße:
Frau hat ihn verschmäht!
Na, wenn da nicht
mehr als eine
Elegie entsteht!
Zweifel in der Straße:
Frau hat ihm gewinkt!
Tja, ob das wohl
etwas für die
Dichtung bringt?
Kummer in der Straße:
Frau hat ihn geküßt.
Ach, wenn das mal
nicht der Anfang
von dem Ende ist!
Trauer in der Straße:
Frau hat ihn erhört.
Da weiß jeder,
damit hat sich's
leider ausgeröhrt.
Anmassender Dichter
Natürlich bin ich bedeutender
als Reinhard Lettau,
bedeutend bedeutender,
aber was bedeutet das schon?
Was bedeutet
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