Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
rächend
ins eigne Bett sie heimschickt, um dort
der Ehfrau vorzuseufzen: Zur Zeit ist
die Firma die Hölle.
Gott straft die Männer. Läßt sie ächzend
das Nachtlicht löschen, um ins Dunkel
zu seufzen: O Gott, wenn sie wüßte, wie schwer
es mir fällt, sie anzulügen.
Gott straft die Männer. Doch der andre
läßt sie schon anderntags in den Hörer
seufzen: Wir sehn uns, Liebling! und denken:
Bin ich des Teufels?
Gespräch mit dem Wolf
Wo kommst du her?
Ich? Aus dem hohen Norden.
Wo gehst du hin?
Ich? In die tiefe Nacht.
Wen stellst du dar?
Ich? Bin ein Wolf geworden.
Wem stellst du nach?
Ich? Alles taugt zum Morden.
Wen frißt du auf?
Dich! Was hast du gedacht?
Einer überdenkt einiges
Und er dachte an die Fraun in seinem Leben
Und befand: Sehr viele waren's nicht
Und er fragte, was sie ihm gegeben
Und erinnerte sich dunkel: Licht
Und er dachte, ob sie seiner dächten
Und befand: Wahrscheinlich ist das kaum
Und er fragte, was Gedanken brächten
Und erinnerte sich hellwach: Traum
Und er dachte, was sie ihm genommen
Und befand: Die Glut aus meiner Brust
Und er fragte, was er selbst bekommen
Und erinnerte sich seufzend: Lust
Und er dachte an die Folgen all der Lieben
Und befand: Sie gingen reichlich weit
Und er fragte, was davon geblieben
Und erinnerte sich lächelnd: Leid.
Idiotische Fragen
Wie oft schon hast du so geschaut
und dem, den du ansahst, jeden Fluchtweg verbaut,
du Schöne?
Wie oft schon hast du so gelacht
und den, dem dein Lachen galt, wehrlos gemacht,
du Starke?
Wie oft schon hast du so getan,
als gingen dich deine Opfer nicht das geringste an,
du Schlimme?
Wie oft schon habe ich mir geschworn:
Die siehst du nie wieder, sonst bist du verlorn,
du Armer?
Wie oft noch werde ich mich beschwörn:
Wann wirst du denn endlich auf meine Warnung hörn,
du Idiot?
Hinter der Tür
Du öffnest die Tür,
da siehst du das Mädchen,
halbnackt im Karton
schließt sie geblendet
die Augen, das obere und das untere.
Da wirfst du die Tür zu,
gehst aber nicht weiter.
Du verharrst an der Stelle,
denn die willst du noch mal sehn,
die Augen, das obere und das untere.
Doch dann siegt die Rücksicht
auf die da hinter der Tür,
halbnackt im Karton und
mit weitaufgerissenen
Augen, dem oberen und dem unteren.
Die Geburt
Als aber in der finsteren Nacht
die junge Frau das Kind zur Welt gebracht,
da haben das nur zwei Tiere gesehn,
die taten grad um die Krippen stehn.
Es waren ein Ochs und ein Eselein,
die dauerte das Kindlein so klein,
das da lag ganz ohne Schutz und Haar
zwischen dem frierenden Elternpaar.
Da sprach der Ochs: »Ich geb dir mein Horn.
So bist du wenigstens sicher vorn.«
Da sprach der Esel: »Nimm meinen Schwanz,
auf daß du dich hinten wehren kannst.«
Da dankte die junge Frau, und das Kind
empfing Hörner vorn und ein Schwänzlein hint.
Und ein Hund hat es in den Schlaf gebellt.
So kam der Teufel auf die Welt.
II
persönlich
Gehen und schreiben
und fernsehen
Zur gleichen Zeit, da ich von meinem Hügel,
die Beine lustig werfend, talwärts wandre,
an dem Gehöft vorbei, das an den Weg grenzt,
liegt dort der Bauer und hat grad Probleme,
vom Bauch sich auf den Rücken zu verlagern:
Seit jenem Sommerabend, als sein Traktor
ihn unter sich begrub, läuft wenig.
Zur gleichen Zeit, da ich den schlichten Vorgang,
die Feder eilig führend, niederschreibe
und ein Gefühl verspüre, das an Scham grenzt,
geht's vielen ähnlich. Mancher hat Probleme,
den Bauch mit seinem Herzen zu versöhnen:
Doch dank der Schreckensbilder, deren Fülle
das Mitleid täglich lähmt, läuft nichts mehr.
Ankunft in Montaio ( 23 . 8 . 1995 )
Und wieder mal an jenem Tisch,
an dem ich schrieb »Und wieder mal
an jenem Punkt, an dem man sa-
gen muß: Es reicht«, doch dieses Mal
will ich nicht hadern, kann nicht klagen,
muß lediglich: So sei es! sagen.
Einer liest einen Briefwechsel
Ach, so geht das Nacht für Nacht:
Eine schläft, einer wacht.
Einer liest, wie Jahr um Jahr
Schiller schlaf- und kraftlos war,
Indes Goethe, ungequält,
frisch von Hinz und Kunst erzählt.
Einer legt den dicken Band
schließlich seufzend aus der Hand
Und erhofft vom Rest der Nacht:
Alles schläft, keiner wacht.
Die Schwachheit der Wachheit
Ausgesetzt im Meer der Wachheit
winke ich den Schlafgaleeren,
doch die ziehn vorbei und scheren
sich nicht darum, daß da »Ach« schreit
irgendwer im Meer der Wachheit.
Festgetäut ans Floß der
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