Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
Vom Netzwerk:
oder läßt es bleiben.
    In Worte läßt sich Liebe nicht fassen.
    Man kann sie nur leben oder lassen.
    Liebe entzieht sich dem Sagen.
    Man hat nur die Wahl: Kopf oder Kragen.
    2
    Ich hab mir doch immer am besten gefallen.
    Ich war mir doch immer der liebste von allen.
    Aber nun?
    Ich war mir doch immer besonders nah,
    und auf einmal ist diese andere da.
    Was tun?
    3
    Noch einmal eine Junge gefunden?
    Dann sag der auch unumwunden:
    Du liebst einen nicht mehr ganz jungen Mann,
    also ran!
    Also ran an den Mann,
    nimm ihn richtig, nur dann
    kann der Knabe von Grund auf gesunden:
    Noch einmal eine Dumme gefunden.
    4
    »Wie hast du gelebt?«
    »Ich habe geliebt.«
    »Wie hast du geliebt?«
    »Alla grande.
    Groß war mein Einsatz,
    größer mein Spiel -«
    »Und am größten deine Schande.«
    »Das ist auch wieder wahr.«
    5
    Worüber schreibst du denn da?
    Ach, übers Lieben.
    Worüber weinst du denn da?
    Ach, übers Leben.
    Worüber gehst du denn da?
    Ich? Über Leichen.
    Eigentlich nicht
    Das nennt man nicht eigentlich suchen,
    wenn man schon weiß, wo was ist.
    Das nennt man nicht eigentlich finden,
    wenn man es gar nicht vermißt.
    Das nennt man nicht eigentlich lieben,
    wenn man den Liebling erpreßt.
    Das nennt man nicht eigentlich halten,
    wenn man ihn fallenläßt.
    Lied des Mädchens
    Männer, das ist was,
    was neben mir sitzt
    eine Zeit
    und mich mit werbender
    Stimme anmacht:
    »Kleine Maid.«
    Männer, das ist was,
    was neben mir liegt
    eine Zeit
    und nicht davon abläßt
    zu betteln:
    »Beine breit.«
    Männer, das ist was,
    was neben mir geht
    eine Zeit
    und sich sodann klamm
    in die Büsche schlägt:
    »Keine Zeit.«
    Lied des Mädchens
in der Kurzfassung für
den eiligen Gedichtleser
    »Kleine Maid
    Beine breit
    Keine Zeit.«
    Jüngling im Park
    Ihm wird der Park zum Paradies
    im Dämmer.
    Weiße Tiere schreiten hindurch
    im Paßgang.
    Daß diese Stunde nie ende, so in
    der Schwebe.
    Erst zwischen Tag und Traum löst sich
    die Zunge:
    Euch weichen Fraun entsag ich
    auf immer.
    Zu den Mädchen im Sandkasten will ich
    mich hocken.
    Über uns steigen lautlos hinweg
    die Tiere.
    Unter uns lassen wir Alter, Geschlecht
    und Verlangen.
    Da bricht er ab, als hielte ihm jemand
    den Mund zu.
    Hinter ihm schlagen zusammen die Zweige
    der Büsche.
    Stadtsommer ( 9 . 8 . 95 )
    Die trug sehr schwer an ihren Brüsten
    Als sei das Wunder dieses Tages
    Darin gesammelt und sie trag' es
    Gleich einem Schiff, das von den Küsten
    Des Reichtums heimkehrt, und es müßten
    Nun alle, die bisher nur Vages
    Von ihnen hörten, denken: Mag es
    uns wirklich frommen, wenn wir wirklich wüßten?
    Ja damals
    Mal wieder in München,
    mal wieder die Hitze,
    es klebt am Papier
    die schreibende Hand
    und ist doch dieselbe,
    die damals in München
    so fingerfertig
    in etwas verschwand,
    das war so verlockend,
    das war so erregend,
    gefügig, geschmeidig,
    zum Fingern bewegend,
    man konnte sich darin
    so gänzlich verlieren,
    mit einem Wort:
    Es war nicht: papieren.
    Herz und Hirn
    Ist das Herz auf dem Sprung, ist das Hirn auf der Hut
    Springt das Herz in die Luft, greift das Hirn nach dem Schirm
    Schwebt das Herz himmelwärts, spannt das Hirn seinen Schirm
    Stürzt das Herz auf den Schirm, ist das Hirn obenauf:
    Siehste, mein Lieber. Immer schön auf dem Teppich bleiben!
    Unpassende Erinnerung
während eines Klassentreffens
    Mich an deiner Klugheit zu berauschen
    Log ich, stahl ich manche Stunde
    Nur um dir und deinem Wort zu lauschen
    Hing ich tiefgebannt an deinem Munde
    Mochten andre mit ihm Küsse tauschen
    Mich zog es zu ihm aus anderm Grunde
    Einst im Mai. Den Casus aufzubauschen
    Wäre freilich unklug in der Runde
    Ältrer Herrn, die von Verflossnen plauschen.
    Gottesurteil
    Euch Frauen all, die ich begehrt,
    euch hat der Zahn der Zeit versehrt.
    Euch Frauen all, die ich gebraucht,
    euch hat des Lebens Fuß verstaucht.
    Euch Frauen all, die ich umschwärmt,
    euch hat des Schicksals Faust verhärmt.
    Euch Frauen all, die ich versucht,
    euch hat der Gottheit Mund verflucht:
    Ihr Frauen all habt IHN verschmäht!
    Tut Buße, ehe es zu spät!
    Bei Vampirs
    Ich biete dir die Kehle dar.
    Nimmst du nicht meine Kehle wahr,
    so beiß ich in die deine.
    Und saug an ihr, bis du verstehst,
    daß du an mir zugrunde gehst,
    beißt du nicht rasch in meine.
    Gestrafte Männer
    Gott straft die Männer, die schweratmend
    in fremden Betten liegen und zur
    Decke emporseufzen: Ich wußte gar nicht,
    daß es das gibt.
    Gott straft sie dadurch, daß er

Weitere Kostenlose Bücher