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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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kurz drauf dunkel zu zeigen.
    Das machen sie immer gemeinsam,
    nie flog auch nur eine je einsam.
    Warum die das tun? Keine Ahnung.
    Möglicherweise als Mahnung:
    Es ist schön, sich im Aufwind zu wiegen
    Es ist gut, nicht alleine zu fliegen
    Es ist klar, daß Steigen schon viel ist
    Es ist wahr, daß der Weg das Ziel ist.
    Mäusegedicht
    Und dräut die Katze noch so sehr,
    sie kann uns nicht verschlingen,
    solange wir nur unverzagt
    von allem, was noch ungesagt,
    von Lust und Frust
    von Frist und List
    und dem, was sonst noch sagbar ist,
    nicht schweigen, sondern singen:
    Das Singen wird es bringen!
    Kunst und Natur
    Da sitzt der berühmte Mann.
    Er schaut der unbekannten Frau nach.
    Der berühmte Mann muß seufzen,
    als die unbekannte Frau lacht.
    Die macht ja alles zunichte,
    was er je geschrieben:
    Sein Werk mag man schätzen, aber
    ihr Lachen muß man lieben.
    Da
    1
    Vielleicht hätte man damals doch
    diesem Nacken folgen sollen
    Ein Nacken ist natürlich nichts
    für immer und ewig
    Solch steile Kurve
    wird zwangsläufig flacher
    Man hätte womöglich
    tagtäglich gelauert
    Da! Jetzt ermattet der
    Schwung, der dich mitriß.
    2
    Ich rede vom Nacken
    und meine den Halsansatz
    Ich meine den Halsansatz
    und denk an die Brüste
    Ich denk an die Brüste
    und erinnere Knie
    Ich erinnere Knie
    die so hinreißend klafften
    Da! Jetzt sehe ich den
    Riß wieder vor mir.
    3
    Die Köpfe der Liebenden
    sind wie verwachsen
    Die Arme lianengleich
    klammernd verschlungen
    Die Körper so eins, so
    ununterscheidbar
    Ein Glück, daß der Tisch
    sie zur Hälfte beschneidet
    Da! Dieses Ruckeln!
    Was ist da im Gange?
    4
    Wenn man mich mit etwas
    jagen kann,
    dann ist es diese
    Kunst-contra-Leben-Schote.
    Wer nichts erlebt hat,
    kann keine Kunst machen.
    Wer keine Kunst gemacht hat,
    wie will der fortleben?
    Da! Die Liebenden fangen was an,
    also sind sie.
    Da: Ich ende,
    also werde ich sein.

Lichte Gedichte
    1997
    I
    lieblich
    Schneiden und Scheiden
    Ein guter Abend, um Pflaumen zu schneiden,
    vorausgesetzt, es stimmt mit euch beiden.
    Man kann beim Entkernen Gefühle erleben,
    die schlichtweg erheben.
    Zum Beispiel das, nicht allein zu sein.
    Dann das Gefühl, zu zwein zu sein.
    Sowie die Gewißheit: Was immer ihr tut -
    es wird gut.
    Ich rede jetzt nicht von der Marmelade.
    Wenn die danebengeht, ist es kein Schade.
    Auch meine ich keineswegs euer Verschränken.
    Daß das in Ordnung geht, will ich gern denken.
    Nein:
    Ich stell mir nur vor, wie ihr Pflaumen schneidet,
    wie ihr sorgsam die Kerne vom Fruchtfleisch scheidet
    und wie sich zwei Schalen nach und nach füllen
    mit Kernen und Hüllen.
    Solch Scheiden, paarweis und stetig betrieben,
    steigert das Leben und fördert das Lieben,
    hindert das Meiden und mindert das Leiden,
    vorausgesetzt, es stimmt mit euch beiden.
    Wärme, Stille, Kühle
    Der heiße Tag. Das Summen wilder Bienen
    geht in dem Wein so emsig ein und aus,
    als wolle jede mit dem Hinweis dienen:
    Wer jetzt ein Haus hat, gehe in dies Haus.
    Der stille Raum. Durchs Gitter der Lamellen
    fällt gleißend parallelgeführtes Licht
    aufs blaue Laken, wo der Liebe Wellen-
    und Schattenspiel sich in den Spiegeln bricht.
    Der nackte Leib. Des Windes leichtes Fächeln
    bestreicht ein Fleisch, das sich erschauernd streckt
    von Fuß bis Kopf, wo ein verschlafnes Lächeln
    Erinnerung an wilde Bienen weckt.
    Italien – Mexiko, Fussball- WM , 28 . 6 . 94
    Wäre ich schwul,
    ich verliebte mich
    in den mexikanischen Torwart.
    »Dann sei doch mal schwul,
    verlieb dich doch
    in den mexikanischen Torwart!«
    Schweig stille, mein Herz,
    was faselst du da
    vom mexikanischen Torwart?
    Wie säh' das denn aus:
    Ich und verliebt
    in den mexikanischen Torwart?!
    Verzeih, liebe Frau,
    ich lebe ab jetzt
    mit diesem mexikanischen Torwart.
    Hallöchen, Jungs,
    begrüßt meinen Freund,
    einen mexikanischen Torwart!
    Ist hier noch was frei
    für mich und den Herrn,
    jenen mexikanischen Torwart?
    Grüß Gott, Herr Kaplan,
    wir wär'n gern ein Paar,
    ich und dieser mexikanische Torwart…
    Herz, du spielst falsch!
    Du denkst nicht an mich
    und schon gar nicht an den mexikanischen Torwart!
    Denn tätest du das,
    bedächtest du auch,
    was derweil aus dem mexikanischen Tor wird!
    Darum werd ich nicht schwul.
    Ich verlieb mich auch nicht
    in den mexikanischen Torwart.
    Ich bleib treu und normal,
    und du, mein Herz,
    gehörst einer deutschen Hausfrau!
    Fünf schlichte Gedichte
zu einem komplexen Thema
    1
    Über Liebe kann man nicht schreiben.
    Man liebt

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