Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
kurz drauf dunkel zu zeigen.
Das machen sie immer gemeinsam,
nie flog auch nur eine je einsam.
Warum die das tun? Keine Ahnung.
Möglicherweise als Mahnung:
Es ist schön, sich im Aufwind zu wiegen
Es ist gut, nicht alleine zu fliegen
Es ist klar, daß Steigen schon viel ist
Es ist wahr, daß der Weg das Ziel ist.
Mäusegedicht
Und dräut die Katze noch so sehr,
sie kann uns nicht verschlingen,
solange wir nur unverzagt
von allem, was noch ungesagt,
von Lust und Frust
von Frist und List
und dem, was sonst noch sagbar ist,
nicht schweigen, sondern singen:
Das Singen wird es bringen!
Kunst und Natur
Da sitzt der berühmte Mann.
Er schaut der unbekannten Frau nach.
Der berühmte Mann muß seufzen,
als die unbekannte Frau lacht.
Die macht ja alles zunichte,
was er je geschrieben:
Sein Werk mag man schätzen, aber
ihr Lachen muß man lieben.
Da
1
Vielleicht hätte man damals doch
diesem Nacken folgen sollen
Ein Nacken ist natürlich nichts
für immer und ewig
Solch steile Kurve
wird zwangsläufig flacher
Man hätte womöglich
tagtäglich gelauert
Da! Jetzt ermattet der
Schwung, der dich mitriß.
2
Ich rede vom Nacken
und meine den Halsansatz
Ich meine den Halsansatz
und denk an die Brüste
Ich denk an die Brüste
und erinnere Knie
Ich erinnere Knie
die so hinreißend klafften
Da! Jetzt sehe ich den
Riß wieder vor mir.
3
Die Köpfe der Liebenden
sind wie verwachsen
Die Arme lianengleich
klammernd verschlungen
Die Körper so eins, so
ununterscheidbar
Ein Glück, daß der Tisch
sie zur Hälfte beschneidet
Da! Dieses Ruckeln!
Was ist da im Gange?
4
Wenn man mich mit etwas
jagen kann,
dann ist es diese
Kunst-contra-Leben-Schote.
Wer nichts erlebt hat,
kann keine Kunst machen.
Wer keine Kunst gemacht hat,
wie will der fortleben?
Da! Die Liebenden fangen was an,
also sind sie.
Da: Ich ende,
also werde ich sein.
Lichte Gedichte
1997
I
lieblich
Schneiden und Scheiden
Ein guter Abend, um Pflaumen zu schneiden,
vorausgesetzt, es stimmt mit euch beiden.
Man kann beim Entkernen Gefühle erleben,
die schlichtweg erheben.
Zum Beispiel das, nicht allein zu sein.
Dann das Gefühl, zu zwein zu sein.
Sowie die Gewißheit: Was immer ihr tut -
es wird gut.
Ich rede jetzt nicht von der Marmelade.
Wenn die danebengeht, ist es kein Schade.
Auch meine ich keineswegs euer Verschränken.
Daß das in Ordnung geht, will ich gern denken.
Nein:
Ich stell mir nur vor, wie ihr Pflaumen schneidet,
wie ihr sorgsam die Kerne vom Fruchtfleisch scheidet
und wie sich zwei Schalen nach und nach füllen
mit Kernen und Hüllen.
Solch Scheiden, paarweis und stetig betrieben,
steigert das Leben und fördert das Lieben,
hindert das Meiden und mindert das Leiden,
vorausgesetzt, es stimmt mit euch beiden.
Wärme, Stille, Kühle
Der heiße Tag. Das Summen wilder Bienen
geht in dem Wein so emsig ein und aus,
als wolle jede mit dem Hinweis dienen:
Wer jetzt ein Haus hat, gehe in dies Haus.
Der stille Raum. Durchs Gitter der Lamellen
fällt gleißend parallelgeführtes Licht
aufs blaue Laken, wo der Liebe Wellen-
und Schattenspiel sich in den Spiegeln bricht.
Der nackte Leib. Des Windes leichtes Fächeln
bestreicht ein Fleisch, das sich erschauernd streckt
von Fuß bis Kopf, wo ein verschlafnes Lächeln
Erinnerung an wilde Bienen weckt.
Italien – Mexiko, Fussball- WM , 28 . 6 . 94
Wäre ich schwul,
ich verliebte mich
in den mexikanischen Torwart.
»Dann sei doch mal schwul,
verlieb dich doch
in den mexikanischen Torwart!«
Schweig stille, mein Herz,
was faselst du da
vom mexikanischen Torwart?
Wie säh' das denn aus:
Ich und verliebt
in den mexikanischen Torwart?!
Verzeih, liebe Frau,
ich lebe ab jetzt
mit diesem mexikanischen Torwart.
Hallöchen, Jungs,
begrüßt meinen Freund,
einen mexikanischen Torwart!
Ist hier noch was frei
für mich und den Herrn,
jenen mexikanischen Torwart?
Grüß Gott, Herr Kaplan,
wir wär'n gern ein Paar,
ich und dieser mexikanische Torwart…
Herz, du spielst falsch!
Du denkst nicht an mich
und schon gar nicht an den mexikanischen Torwart!
Denn tätest du das,
bedächtest du auch,
was derweil aus dem mexikanischen Tor wird!
Darum werd ich nicht schwul.
Ich verlieb mich auch nicht
in den mexikanischen Torwart.
Ich bleib treu und normal,
und du, mein Herz,
gehörst einer deutschen Hausfrau!
Fünf schlichte Gedichte
zu einem komplexen Thema
1
Über Liebe kann man nicht schreiben.
Man liebt
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