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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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gedrücket?
    Hortense, Diana und Marie -
    Hast du sie wirklich besessen?
    Und konntest über diesem Besitz
    Friedriken und Kitty vergessen?
    Clarisse, Seraphine und Angelique -
    Sind das erfundene Namen?
    Katharina, Jenny sowie Clarine -
    War'n die existierende Damen?
    Und Emma – hat sie dein Herze gequält?
    Yolante – hat sie es gebrochen?
    Olympe schließlich – hat sie es geheilt,
    Wie du in viel Versen gesprochen?
    Erzähl mir jetzt nichts vom »lyrischen Ich«.
    Ich will vom Klassiker lernen!
    Hast du die Frau 'n auf Erden gehabt?
    Oder küßten sie dich in den Sternen?
    Du schweigst? Dann rede ich mal Fraktur:
    War's nicht doch die alte Geschichte -
    Wenig Wolle, aber reichlich Geschrei,
    Wenig Leben, doch viele Gedichte?
    X
    Er variiert ein Thema von Heinrich Heine
       Thema:
    Denk ich an Deutschland in der Nacht,
    Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
    Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
    Und meine heißen Tränen fließen.
       Variationen:
    Der Autor spricht zum Leser
    Denk ich an »Deutschland in der Nacht«,
    Dann bist du um den Schlaf gebracht.
    Denn ich erklär dir gnadenlos,
    Warum H. nicht die Augen schloß.
    Ein rechter Vater spricht zu seiner Tochter
    Denkst du an Deutschland in der Nacht,
    Dann sei er um den Schlaf gebracht,
    ein Schwiegersohn, dem noch nicht klar scheint,
    Daß deutscher Nachwuchs erst das Paar eint.
    Ein linker Kritiker spricht und spricht
    Denkt er an Deutschland in der Nacht,
    Dann ist sie um den Schlaf gebracht
    Und hört bis weit ins Morgengraun,
    Was die in Bonn für Scheiße baun.
    Eine grüne Mutter spricht zur Sache
    Denkt sie an Deutschland in der Nacht,
    Dann ist es um den Schlaf gebracht,
    Da sie so gegen Gen-Food powert,
    Daß selbst die Muttermilch versauert.
    Ein Elternteil spricht sein Problem an
    Denkt es an Deutschland in der Nacht,
    Dann wärn wir um den Schlaf gebracht,
    Verstopften wir nicht seinen heisern
    Kleinkindermund mit Tranquilizern.
    Ein ausländischer Mitbürger spricht zu den Inländern
    Wenn wir in Deutschland inne Nacht
    Viel denke, wasse Heimat macht
    Und unsre heiße Träne fließe -
    Wie könnt ihr da die Auge schließe?
    Ein Ausländerbeauftragter spricht zu den Ausländern
    Denkt ihr an Deutschland in der Nacht,
    Dann sind sie um den Schlaf gebracht,
    Die Deutschen, die schon immer fanden,
    Hier gäb's zu viele Asylanten.
    Der Autor spricht das klärende Schlußwort
    Wenn H. des nachts an D. gedacht,
    War er nicht um den Schlaf gebracht,
    Weil ihn D.s mieser Zustand quälte,
    Nein, weil ihm seine Mama fehlte.
    XI
    Er liest »Deutschland. Ein Wintermärchen«
    Gutdeutschland. Ein Sommernachtstraum.
    Im achtzehnhundertdreiundvierziger Jahr,
    Da hast du ein Herz dir genommen,
    Im traurigen Monat November bist du
    Nach zwölf Jahr'n in die Heimat gekommen.
    Du hast Deutschland geliebt, und es hat dich verjagt,
    Und all das hast du bedichtet.
    Wir haben's gelesen und wir haben gelernt
    Und alles zum Bessern gerichtet.
    Im neunzehnhundertsieb'nundneunziger Jahr
    Ist's Deutschland nicht mehr zu erkennen,
    Das dich damals schreckte. Man möchte es fast
    In Gutdeutschland umbenennen.
    Von Bösdeutschland schweigen wir lieber. Es war
    Das Werk eines einzigen Bösen.
    Wer immer dir irgend ähnlich schien,
    Den ließ er im Gas endlösen.
    Doch all das ist tiefste Vergangenheit.
    Gutdeutschland braucht sich nicht zu schämen.
    Es sollte der Rest der Welt vielmehr
    An ihm ein Beispiel sich nehmen.
    Hier herrschen Vernunft und Augenmaß.
    Hier hat man ein Herz für Kinder.
    Hier wachsen die besten Autos der Welt
    Und Zuckererbsen nicht minder.
    Nicht länger verschlemmt hier der dicke Bauch
    Des Shareholders die Dividenden.
    Statt dessen hat jedermann Arbeit und Brot
    Und auf immer gesicherte Renten.
    Hier pflegt man den Geist, und hier preist man die Kunst,
    Hier ging' dein Genie nicht verloren.
    Und sollte der Staat einmal unpäßlich sein,
    Dann gibt's ja noch immer Sponsoren.
    Und Recht gibt es hier und Einigkeit
    Und die Freiheit, die Wahrheit zu sagen.
    Und wenn wer die Wahrheit anders sieht,
    Dann darf er auf Schmerzensgeld klagen.
    Dein Pfeil, Heine, schmerzt heute niemand mehr.
    Die du trafst, sind alle längst Asche.
    Doch träfest du jemand wie Engholms Björn,
    Du brauchtest 'ne pralle Tasche.
    Vierzigtausend Emmchen hat der entsteißt
    Der satirischen Zeitschrift »Titanic«.
    Die mußte sie zahln, obwohl Engholm log,
    Doch ist das kein Grund zur Panik.
    Denn im Mittelpunkt steht in Gutdeutschland der Mensch.
    Der

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