Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
Vom Netzwerk:
15
    Blauer Dunst durchdringt Erscheinung,
    Mischt sich unter die Gestalten,
    Faßbar feuchter Lebensodem
    Will erfrischend Welt erhalten -
    Also such auch du umfassend
    Dich dem Dasein mitzuteilen,
    Und es kann selbst sprödste Holde
    Deinem Hiersein nicht enteilen.
    Morgendlicher Ausgang
    Vipernsteige, morgentaulich,
    Fester Stock soll Schlangen wehren,
    Doch welch Stecken schützt vor jenen
    Zähnen, die das Herz versehren?
    Steig getrost hinan, wo's schattet!
    Fürchte Farne nicht, noch Feuchte!
    Aber hüte dich, wenn's lichtet:
    Schlänglein lauert im Geleuchte!
    Mittagsruhe
    Mittagswarmer Hund legt seufzend
    Seinen Kopf auf meine Flanke.
    Richtet sich der Blick zur Lampe,
    Keimt im Herzen der Gedanke
    Daran, wie, wenn Tag verdämmert
    Und die Lampe traulich scheinet,
    Eine Bettstatt Hund und Herrchen
    Nachtwarm mit der Holden einet.
    Überraschender Aufbruch und
Anflug über die Po-Ebene auf Lugano
    Was da durch das Land mäandert,
    Nennt zwar Fluß sich, doch ist Schlange.
    Was da aus den Wolken steiget,
    Heißt zwar Berg, doch gar nicht lange,
    Und es schwant dem Herz des Fliegers,
    Daß er auf verwegnem Schiff ist,
    Weil auf einem Drachenrücken
    Er zu landen im Begriff ist.
    Über die Alpen nach Zürich
    Siehst du dieses Meer, versteinert,
    Menschenfeindlich steiler Faltung,
    Sinnst du nach dem dunklen Sinne
    Eisig dräuender Gestaltung,
    Ahnst du, daß Gefahr auch uns droht,
    Zu versteinern, zu erkalten,
    Wenn wir nicht in festen Armen
    Wärmend holden Busen halten.
    21. September
    Rückflug mit der Crossair
    Flogst du fort durch lichte Sonnen,
    Düst zurück in dichtem Schleier,
    Reicht dir holde Hand Champagner
    Deiner Wiederkehr zur Feier.
    Hold, doch Ach! nicht Hand der Holden.
    Was mag die tief drunten treiben?
    Fester spannt ums Glas die Linke,
    Und die Rechte läßt das Schreiben.
    23. September
    Vor dem Weinfeld
    Grünspalierte blaue Trauben
    Rüsten sich zu letzter Schwellung,
    Letzter Reifung, letzter Süßung
    Dank der Sonne letzter Hellung,
    Um sodann in erster Gärung
    Neue Formung einzugehen:
    Immer muß die Traube sterben,
    Will als Wein sie auferstehen.
    Unverhoffte Landesfarben
    Dunkelkühl empfängt dich Hohlweg,
    Brombeerarme nach dir greifen,
    Beeren locken, Dornen wehren,
    Tief im Dickicht aber reifen
    Rote Butte, weiße Dolde,
    Einen sich in farbgem Chore,
    Akkordiert von grünem Blattwerk,
    Zu Italiens Trikolore.
    Abendgang
    Ruft der Herr barsch nach dem Hunde,
    Tut sich der an Trauben gütlich,
    Will der Herr sich schon ereifern,
    Sänftigt sich sein Zorn gemütlich:
    Läßt auch er doch klüglich keine
    Holde Süße ungekostet,
    Ob die Sonne sinkend westet,
    Ob sie auferstehend ostet.
    24. September
    Morgengedanken
    Sommer liegt mit Herbst im Streite.
    Sommer wird den Strauß verlieren.
    Aber nur, um bald als Frühling
    Mit dem Winter zu turnieren:
    Unentwegtes Kräftemessen!
    Ewiges hie Stirb! hie Werde!
    Was da untergeht als Asche
    Sieghaft aufersteht aus Erde.
    Zwei Getreue
    Hund und Katz gespannter Haltung
    Wachen meiner Holden Schritte.
    Bis sie was zu fressen kriegen,
    Ist ihr Treiben ihre Mitte.
    Danach freilich teilt der Weg sich.
    Katze zieht's ins Abenteuer.
    Doch im steten Harr'n des Hundes
    Spiegelt sich ein Mitgetreuer.
    Aufforderung zur Teilnahme
    Katzen unterm Oleander
    Balgen sich auf dichtem Haufen,
    Schwarze Körper, goldne Augen,
    In besinnungslosem Raufen:
    Alles Leben will sich messen.
    Alle Körper wolln sich spüren.
    Nimm dran teil, und alle Wege
    Werden dich zur Holden führen.
    Mittägliche Rast
    Wie aus frostverschonter Wurzel
    Drei Olivenstämmchen steigen,
    Setz ich mich auf schattgen Baumstumpf
    Überlaubt von Silberzweigen,
    Übertönt vom Schrei der Schwalbe,
    Überwölbt von Himmelsbläue:
    Pan, uralter Gott des Mittags,
    Überwältigst mich aufs neue.
    Vom Klebstoff
    Folgenreiches Feigenpflücken!
    Zähes Harz an beiden Händen
    Zwingt mich nach genoßner Süße
    Im Parabelton zu enden:
    Mag er noch so festen Sinnes,
    Was ihm bitter wird, begrüßen,
    Bittres wird ihn niemals binden,
    Kleben bleibt der Mensch am Süßen.
    Gleich und ungleich
    Jeden Tag zur gleichen Stunde
    Gleiches Tun an gleicher Stelle,
    Gleicher Blick zum gleichen Fenster,
    Gleicher Schritt zur gleichen Schwelle -
    Und es flügelt gleiches Fühlen
    Wie am Vortag unermattet
    Gleichen Dichter, gleiche Holde,
    Wenn sich gleich zu ungleich gattet.
    25. September
    Nachtbild
    Schmaler Mond. Melonenscheibig
    Strahlt er dünn auf schwarzem Samte,
    Der millionenfach belebt

Weitere Kostenlose Bücher