Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
15
Blauer Dunst durchdringt Erscheinung,
Mischt sich unter die Gestalten,
Faßbar feuchter Lebensodem
Will erfrischend Welt erhalten -
Also such auch du umfassend
Dich dem Dasein mitzuteilen,
Und es kann selbst sprödste Holde
Deinem Hiersein nicht enteilen.
Morgendlicher Ausgang
Vipernsteige, morgentaulich,
Fester Stock soll Schlangen wehren,
Doch welch Stecken schützt vor jenen
Zähnen, die das Herz versehren?
Steig getrost hinan, wo's schattet!
Fürchte Farne nicht, noch Feuchte!
Aber hüte dich, wenn's lichtet:
Schlänglein lauert im Geleuchte!
Mittagsruhe
Mittagswarmer Hund legt seufzend
Seinen Kopf auf meine Flanke.
Richtet sich der Blick zur Lampe,
Keimt im Herzen der Gedanke
Daran, wie, wenn Tag verdämmert
Und die Lampe traulich scheinet,
Eine Bettstatt Hund und Herrchen
Nachtwarm mit der Holden einet.
Überraschender Aufbruch und
Anflug über die Po-Ebene auf Lugano
Was da durch das Land mäandert,
Nennt zwar Fluß sich, doch ist Schlange.
Was da aus den Wolken steiget,
Heißt zwar Berg, doch gar nicht lange,
Und es schwant dem Herz des Fliegers,
Daß er auf verwegnem Schiff ist,
Weil auf einem Drachenrücken
Er zu landen im Begriff ist.
Über die Alpen nach Zürich
Siehst du dieses Meer, versteinert,
Menschenfeindlich steiler Faltung,
Sinnst du nach dem dunklen Sinne
Eisig dräuender Gestaltung,
Ahnst du, daß Gefahr auch uns droht,
Zu versteinern, zu erkalten,
Wenn wir nicht in festen Armen
Wärmend holden Busen halten.
21. September
Rückflug mit der Crossair
Flogst du fort durch lichte Sonnen,
Düst zurück in dichtem Schleier,
Reicht dir holde Hand Champagner
Deiner Wiederkehr zur Feier.
Hold, doch Ach! nicht Hand der Holden.
Was mag die tief drunten treiben?
Fester spannt ums Glas die Linke,
Und die Rechte läßt das Schreiben.
23. September
Vor dem Weinfeld
Grünspalierte blaue Trauben
Rüsten sich zu letzter Schwellung,
Letzter Reifung, letzter Süßung
Dank der Sonne letzter Hellung,
Um sodann in erster Gärung
Neue Formung einzugehen:
Immer muß die Traube sterben,
Will als Wein sie auferstehen.
Unverhoffte Landesfarben
Dunkelkühl empfängt dich Hohlweg,
Brombeerarme nach dir greifen,
Beeren locken, Dornen wehren,
Tief im Dickicht aber reifen
Rote Butte, weiße Dolde,
Einen sich in farbgem Chore,
Akkordiert von grünem Blattwerk,
Zu Italiens Trikolore.
Abendgang
Ruft der Herr barsch nach dem Hunde,
Tut sich der an Trauben gütlich,
Will der Herr sich schon ereifern,
Sänftigt sich sein Zorn gemütlich:
Läßt auch er doch klüglich keine
Holde Süße ungekostet,
Ob die Sonne sinkend westet,
Ob sie auferstehend ostet.
24. September
Morgengedanken
Sommer liegt mit Herbst im Streite.
Sommer wird den Strauß verlieren.
Aber nur, um bald als Frühling
Mit dem Winter zu turnieren:
Unentwegtes Kräftemessen!
Ewiges hie Stirb! hie Werde!
Was da untergeht als Asche
Sieghaft aufersteht aus Erde.
Zwei Getreue
Hund und Katz gespannter Haltung
Wachen meiner Holden Schritte.
Bis sie was zu fressen kriegen,
Ist ihr Treiben ihre Mitte.
Danach freilich teilt der Weg sich.
Katze zieht's ins Abenteuer.
Doch im steten Harr'n des Hundes
Spiegelt sich ein Mitgetreuer.
Aufforderung zur Teilnahme
Katzen unterm Oleander
Balgen sich auf dichtem Haufen,
Schwarze Körper, goldne Augen,
In besinnungslosem Raufen:
Alles Leben will sich messen.
Alle Körper wolln sich spüren.
Nimm dran teil, und alle Wege
Werden dich zur Holden führen.
Mittägliche Rast
Wie aus frostverschonter Wurzel
Drei Olivenstämmchen steigen,
Setz ich mich auf schattgen Baumstumpf
Überlaubt von Silberzweigen,
Übertönt vom Schrei der Schwalbe,
Überwölbt von Himmelsbläue:
Pan, uralter Gott des Mittags,
Überwältigst mich aufs neue.
Vom Klebstoff
Folgenreiches Feigenpflücken!
Zähes Harz an beiden Händen
Zwingt mich nach genoßner Süße
Im Parabelton zu enden:
Mag er noch so festen Sinnes,
Was ihm bitter wird, begrüßen,
Bittres wird ihn niemals binden,
Kleben bleibt der Mensch am Süßen.
Gleich und ungleich
Jeden Tag zur gleichen Stunde
Gleiches Tun an gleicher Stelle,
Gleicher Blick zum gleichen Fenster,
Gleicher Schritt zur gleichen Schwelle -
Und es flügelt gleiches Fühlen
Wie am Vortag unermattet
Gleichen Dichter, gleiche Holde,
Wenn sich gleich zu ungleich gattet.
25. September
Nachtbild
Schmaler Mond. Melonenscheibig
Strahlt er dünn auf schwarzem Samte,
Der millionenfach belebt
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