Gesammelte Wanderabenteuer
Hochstimmung und begann ein Gedicht von Joseph von Eichendorff zu zitieren:
»O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt’ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
|201| Saust die geschäft’ge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!«
Herrlich! Solche Gedichte von Herrn Eichendorff über das Wandern findet man haufenweise in der Reclam-Ausgabe seiner Gedichte, und das kleine gelbe Heft passt in jeden Wanderrucksack.
Sechs Kilometer nach der Mittagspause erreichten wir die Grotenburg, den Berg, auf dem das Hermannsdenkmal steht. Und da waren wir auch schon wieder beim Thema Fußball. Denn bekanntermaßen hieß jahrzehntelang das Stadion von Bayer Uerdingen Grotenburg-Kampfbahn. Wieso also hieß ein Stadion eines niederrheinischen, gruseligen Werksvereins genauso wie ein Berg in Ostwestfalen, auf dem das Hermannsdenkmal steht? Sehr mysteriös.
Auf dem Gipfel des Grotenburg-Berges kamen wir an einem riesigen Auto- und Busparkplatz vorbei. Zielstrebig gingen wir zum Andenkenkiosk. Dort kaufte ich mir eine Broschüre über das Hermannsdenkmal und eine Eintrittskarte zur Besteigung des Turms. Folgende Andenken rund um den Hermann und sein Denkmal ließ ich links liegen:
Aschenbecher
Schnapsgläschen
Bierhumpen aus Glas
Bierhumpen aus Glas mit Zink-Deckel
Bierstiefel aus Glas
|202| Weinglas (Format Römer)
Feuerzeuge
Aufkleber
Bildband »Ernst von Bandel. Unbekanntes über den Erbauer des Hermannsdenkmals, verfasst von seinem Urenkel«
CD von Fuzzi and Friends für 2 Euro. Fuzzi and Friends singen in Fankleidung von Arminia Bielefeld den Song »Hermann, der Armine«.
gebogene Sticker für den Wanderstock alter Prägung, auf dem noch die Wanderziele markiert wurden. Das waren noch Wanderstöcke! Die sollten nicht Schultern und Knie entlasten, sondern zeugten mit ihren Plaketten von der Weitgereistheit des Besitzers.
Dias
Ansichtskarten
Untersetzer
Flaschenöffner
Radiergummi
Video
Teller
Großer Schlüssel mit dem Sinnspruch: »An diesem schönen Platze hab ich an dich gedacht, und habe dir den Schlüssel zum Erfolg mitgebracht.«
All das zu Ehren des Cheruskerfürsten Hermann, von den Römern Arminius genannt. Die Römer waren damals ganz schön fies, wie ich der Denkschrift über das Hermannsdenkmal entnehme: »Der den Römern eigene Hang zu Hochmut und Grausamkeit machte sich jetzt auch hier besonders deutlich bemerkbar, und sie behandelten |203| ihre Verbündeten, die Germanen, wie die Tiere und noch schlimmer.«
Gott sei Dank erhielten die Römer unter der Führung ihres Feldherrn Varus die gerechte Strafe und wurden von Hermann und seinen Teutonen im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christus vernichtend geschlagen. Der Kaiser Augustus im fernen Rom wusste wahrscheinlich nicht, dass es 9 nach Christus war, weil Christus damals noch ganz klein war. Dafür jammerte er lauthals: »Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!« Aber alles Greinen half nichts, Hermann hatte triumphal in drei Tagen gesiegt und bekam dafür im 19. Jahrhundert von national beseelten Menschen ein Denkmal erbaut.
Dieses Denkmal besteht aus einem 30 Meter hohen, gemauerten Sockel und einem 26 Meter hohen Standbild. Das Schwert, das der Hermann in den ostwestfälischen Himmel reckt, ist sieben Meter lang und trägt die Aufschrift: »Deutschlands Einigkeit – meine Stärke, meine Stärke – Deutschlands Macht«. Dieses Schwert wollte ich mir aus der Nähe anschauen. Markus hingegen nahm von einer Hermanns-Besteigung Abstand, um sich für die letzten 15 Kilometer zu schonen.
Ich passierte mit meiner High-Tech-Eintrittskarte das automatische Drehkreuz und ging eine Wendeltreppe hinauf, die mich an den Aufstieg im Kölner Dom erinnerte. Die Treppe endete schnell, und ich stand auf einem Umgang in Höhe des Sockelabschlusses. Schade! Ich wäre lieber im Kopf von Arminius gelandet, so wie das bei der amerikanischen Freiheitsstatue möglich ist. Trotzdem war der Rundblick auf die umliegenden Ortschaften herrlich. Angst vor Selbstmördern kennt man |204| hier oben anscheinend nicht. Der Umgang des Kölner Doms ist dagegen mittlerweile ein Käfig. Hier konnte man sich über eine sehr niedrige Brüstung lehnen. Da ich im Alter unter zunehmender Höhenangst leide, verließ ich das Denkmal schnell wieder.
Deutschlands Einigkeit – unsere Stärke, unsere Stärke – Deutschlands Macht
Nach dem Hermannsdenkmal ging es über einen steinigen Weg bestimmt 200
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