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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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Höhenmeter steil bergab. Beim Abwärtswandern über längere Zeit empfiehlt es sich, bei jedem Schritt in den Kniegelenken nachzuwippen. Wenn man das Bein gerade lässt, haut es einem über kurz oder lang die Kniescheiben weg.
    Auf den nächsten Kilometern wurde das Wanderterrain eher flach, und wir passierten viele Wanderparkplätze. In |205| der Eifel kann man teilweise dutzende Kilometer durch menschenleeres Gebiet wandern. Der Teutoburger Wald ist dagegen von vielen Städten und Gemeinden umgeben und dient als Naherholungsgebiet der Einheimischen. Die machen zumeist keine lange Streckenwanderung, sondern steuern mit ihren Autos einen der vielen Wanderparkplätze und Attraktionen an. Dann wird eine Runde gewandert und wieder nach Hause gefahren.
    Hier trank schon der alte Hermann
    Während ich bei einer Vorbesprechung dieses Buches in der schicken Villa des Verlages Kiepenheuer & Witsch in einem mondänen Kölner Vorort weilte, betrat eine Mitarbeiterin das Besprechungszimmer. Schreiend verließ sie den Raum, da ich etwas über Wandern im Teutoburger Wald sagte. Es war ihr Kindheitstrauma, jedes Wochenende mit ihrer Familie an verschiedenen Stellen des Teutoburger Waldes wandern zu müssen. Vati voran mit Stock und Hut und die Lieben hinterher.
     
    |206| Viele Menschen meiner Generation sind von sonntäglichen Familienausflügen traumatisiert. Ich empfehle in einem solchen Fall, auf unbekannte Regionen auszuweichen, um wieder Spaß am Wandern zu bekommen. Hat man sich in der Ferne wandermäßig enttraumatisiert, kann man wieder in die Heimat zurückkehren und sich dem einstmals verhassten Terrain mit einer größeren Streckenwanderung nähern. Das ist etwas ganz anderes, als zum hundertsten Mal auf einem Rundwanderweg um die Externsteine herumzugehen.
     
    Schnell durchschritten wir die aneinander gereihten Naherholungsgebiete. Die hohen Kiefern am Wegesrand rochen mediterran und kündeten damit den Sommer an. Markus machte die kunst-, kultur- und naturhistorisch richtige Beobachtung, dass die Erbauer der gotischen Kathedralen ihre Visionen im Wald gehabt haben müssen. Denn der sonnendurchflutete Waldraum gab eine perfekte Schablone für die gotischen, steil aufragenden Mittelschiffe ab.
     
    Wenn man längere Zeit zu zweit wandert, ist es erstaunlich, wie viel Neues man über einen Freund erfährt, den man eigentlich gut zu kennen glaubte. Neu war mir,
dass Markus beim Wandern Skisocken trägt. Das empfiehlt er sehr. Ich hatte das noch nie ausprobiert, da ich noch nie Ski gefahren bin und daher auch keine Skisocken besitze.
dass Markus‘ Tante in Oerlinghausen geheiratet hat.
dass Markus ein absoluter Profi-Speed-Wanderer ist. Wenn er eine Zwischenverpflegung zu sich nehmen |207| will, schnallt er sich seinen Rucksack vorne um, trinkt einen Schluck und isst dann seine Banane, ohne den Schritt zu verlangsamen. Ich war beeindruckt.
dass Markus entgegenkommende Wanderinnen optisch auf einer Skala von 1 (grusel) bis 10 (lechz) bewertet. Auf dem Hermannsweg fiel das Ergebnis nicht sehr günstig aus.
dass Markus eine wahrhaftige Faustregel kennt: Wenn man auf einer Wanderkarte im Maßstab 1:25.000 die Faust als Maßeinheit nimmt, ergibt die Breite der Faust eine Wegstrecke von einer Stunde. Wir haben das getestet, aber es stimmt nur bedingt. Bei unserem rasanten Tempo war nicht die geballte Faust eine Stunde, sondern die Faust mit ausgestrecktem Daumen.

    Es war jetzt langsam Zeit für eine kleine Nachmittagspause. Die erste Restauration kam nicht in Frage, weil die Außengastronomie noch nicht geöffnet hatte. Das Gasthaus »Waidmannsruh« lag mitten in einem Campingplatz und hatte Ruhetag.
     
    |208| Unsere letzte Chance vor Oerlinghausen war der »Bienenschmidt«. Eine Waldschänke mit Außengastronomie, die ich noch von meiner 1998er Wanderung in guter Erinnerung hatte. Doch auch der Bienenschmidt hatte Ruhetag. Wir waren verzweifelt. Aus dem Innenraum des Gasthofes hörten wir jedoch Stimmen. Die Tür war offen. Wir traten ein. Dort stand der Wirt des Bienenschmidt, Herr Schmidt, wie wir später erfuhren, und servierte einer mittelalten Dame zwei Portionen Lippischer Pickert. Lippischer Pickert, eine Art Pfannkuchen, war die Spezialität des Hauses Bienenschmidt. Die Dame war mit ihrem Ehemann extra für den Lippischen Pickert aus dem Ruhrgebiet angereist und hatte den Wirt dazu überredet, trotz Ruhetag eine Ausnahme zu machen. Wir flehten ihn an, auch für uns eine Ausnahme zu machen und uns etwas zu trinken

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