Gesammelte Wanderabenteuer
Geschmackssache. Ich wusste nicht, ob das Auf und Ab Markus gefiel. Sein Lieblingsspruch bei Wanderungen und Radtouren ist: »Bloß keine Höhe verschenken.« Am liebsten würde er immer auf einer Höhe bleiben und nie einen Weg nehmen, der bergab führt. Es bestünde dann die Gefahr, dass man wieder bergauf gehen müsste.
Markus und ich hatten auf den abfallenden Strecken ein richtig gutes Tempo drauf. Geredet haben wir natürlich auch so einiges. Eines der Topthemen ist immer, wann und wo machen wir Mittagspause? Und sollen wir in der Mittagspause schon Bier trinken? Wir verschoben die Entscheidung. Außerdem diskutierten wir die Auswirkungen der PISA-Studie auf das deutsche Schulsystem und die Einführung des Abiturs nach 12 Schuljahren. Als Väter war uns wichtig, die Rolle des Mannes bei der Kindererziehung zu definieren. Daraus ergab sich eine intensive Diskussion, ob Karrieremachen oder Kinderkriegen geiler ist.
Wir stellten empirisch fest, dass die meisten jüngeren Menschen, die gerne wandern, Ex-Zivis sind. Wer beim Bund war, verabscheut das Wandern, weil es ihn an die 40-Kilometer-Märsche mit Gepäck erinnert. Später stritten wir uns über eine der großen Fragen der Moralphilosophie: |198| Wie sind die Zukunftschancen des 1. FC Köln mit und vor allem endlich ohne Dirk Lottner? Und wo wir schon bei Köln waren: Ist es nicht zu begrüßen, dass Kölns Bewerbung um die Kulturhauptstadt 2010 gescheitert ist? War Köln dafür nicht zu großartig und zu bedeutend? Eigentlich werden doch nur mittelmäßige bis unbedeutende Städte wie Lille oder Genua Kulturhauptstadt.
Wir diskutierten die Vor- und Nachteile, in der Schweiz zu leben, und das Steuerkonzept von Friedrich Merz, das locker auf einen Bierdeckel passt. Außerdem würdigten wir den wahnsinnig raffinierten Volleyballaufschlag von Osama Bin Laden. Darüber hatte ich im »Spiegel« gelesen.
Kurz vor der Mittagspause tauschten wir sogar Rezepte aus; Gerichte, die lecker sind, aber wenig Arbeit machen. Heterosexuelle Männer, die Rezepte austauschen. Na ja, wir hatten schon großen Hunger.
Im Dorf Berlebeck wehte vor der Gastwirtschaft »Kanne« die Fahne des Herforder Pils. Gutes Zeichen, sagte Markus, das Ding hat offen. Leider gab es, so stand es auf einem Aushang, außer sonntags keinen Mittagstisch, und geschlossen war die »Kanne« auch. Also gingen wir Richtung Adlerwarte. Dort konnte man auch nichts essen. Aber wir sahen ein Hinweisschild, das uns zum Berg-Café führte. Dort wehte eine König-Pilsener-Flagge, und die Restauration hatte tatsächlich geöffnet.
Im Berg-Café gab es eine heiße Erbsensuppe (richtig heiß, sagte Markus) mit einer dicken, großen Bockwurst und eine schmackhafte Thunfisch-Pizza. Die Thunfisch-Pizza |199| kostete sensationelle 6 Euro und schmeckte nach mindestens 9 Euro. Wir fragten die Wirtin, warum es hier keine lokale Bierspezialität gebe. »Wir haben hier ein sehr internationales Publikum aus ganz Deutschland. Die trinken lieber König Pilsener, weil sie das kennen.« Zudem sei das Herforder Pils so »na ja«, und das Detmolder Pils sei ein »Damen-Bier«. Ein Damenbier schmecke süßlicher, erfuhren wir auf Nachfrage.
In Holzhausen war’s schöner als in Toiletten
»Das schaffen Sie nicht!«
|200| Wir blieben schweren Herzens bier-resistent.
Dann fragte die Wirtin nach unserem Ziel – »Oerlinghausen? Oerlinghausen?? Oerlinghausen??? – Das schaffen Sie nicht!« Wunderbar. »Das schaffen Sie nicht!« Besser hätte sie Markus nicht anspornen können. Ich war mir sicher, dass er die 39 Kilometer packen würde. Die Wirtin empfahl uns noch die große Adler-Flugschau in der Adlerwarte um 15 Uhr, doch wir hatten ja ein strammes Programm vor uns. Außerdem fanden wir die Aussicht auf eine Adler-Schau nicht so richtig spannend.
Markus und ich sind uns bei Entscheidungen während einer Wanderung immer schnell einig. Wann macht man Mittagspause? Gehen wir zur Adler-Show? Halten wir 39 Kilometer durch? Das sind Fragen, die wir im Konsens zu lösen fähig sind. Ich glaube, es wäre nicht so toll, zu dritt zu wandern. Einer ist dann immer mit seiner Meinung in der Minderheit. Derjenige muss sich dann murrend und maulend der Mehrheit beugen.
Markus und ich finden im Nachhinein immer, dass wir alles toll entschieden haben. Jede Entscheidung, auch eine unglückliche, wird später schöngeredet und als Jahrhundertentscheidung von uns beiden gefeiert.
Markus war nach der Super-Suppe mit Bockwurst in
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