Gesammelte Wanderabenteuer
Pärchen-Kombinationen findet und unterhält. Nur selten schritten wir wie die Musketiere in geschlossener Reihe Seite an Seite. Als der Weg in steilen Kehren bergauf führte, schmaler wurde und sich über unseren Köpfen gewaltige Sandsteinfelsen türmten, war Schluss mit Reden. Nun hörte man nur das Keuchen, Stöhnen und Husten von nicht mehr ganz jungen Männern. Ganz am Ende ging Peter. Der |314| hatte den Hochgebirgsrhythmus verinnerlicht. Bergauf immer gleichbleibendes, langsames Tempo, am besten unter der anaeroben Grenze, an der Schwelle zum Hecheln und Schwitzen. Oben auf den Sandsteinfelsen versuchte Holger sein Glück als Freeclimber und sprang auf einem monolithischen Felsen herum. Wir trösteten uns damit, dass wir im Falle eines Absturzes zum Abschluss des Tages auch Skat spielen konnten.
Der Wanderweg zwischen Üdingen und Nideggen ist ein Steigerungsweg. Man steigert nicht nur permanent die Höhenmeter, auch die Wanderqualität wächst beständig. Zunächst geht es über die Ortsstraßen von Üdingen, dann über asphaltierte Feldwege, später über steinige Forstwege, und schließlich schlängelt sich ein schmaler Pfad an den Sandsteinfelsen des Rurtals vorbei. Auf diesem Pfad erblickten wir schon früh die Burg Nideggen, die Stammburg Wilhelms des Lüsternen.
In Nideggen fragte Peter nach dem »Ratskeller«. In einem Hauseingang stand ein älterer Mann und wies uns den Weg. Leise, aber hörbar zischte seine Frau, kaum hatte Peter sich umgedreht: »Ja sind wir denn hier ein Infobüro?« Liebe unbekannte Frau aus Nideggen: Nein, Sie sind kein Infobüro, ein Lebewesen kann kein Büro sein. Aber es sollte zum höflichen und freundlichen Naturell eines Menschen gehören, Auskunft zu erteilen, wenn sie erwünscht ist. Und speziell in einem Ort, der zu einem nicht geringen Teil vom Tourismus lebt, sollten die Bewohner ein verstärktes Interesse daran haben, Touristen (und auch Wanderer sind Touristen) weiterzuhelfen. Sonst könnten die Touristen am Ende auf die Idee kommen, in Gebiete zu fahren, wo jeder Bewohner mit Freude ein Infobüro ist. Ende der Gardinenpredigt.
|315| Die Rurtaltour von Üdingen flussaufwärts war ich schon dreimal gegangen. Immer war ich bislang in der Burg Nideggen eingekehrt. Dort gibt es hervorragendes Essen in mittelalterlichen Gemäuern und einen tollen Blick über das Rurtal. Als ich vor der Doppelkopfwanderung telefonisch einen Tisch bestellen wollte, musste ich feststellen, dass sich die gesamte Belegschaft für diesen Tag freigenommen hatte. »Nä, Herr Andrack, wir sind am Freitag in Köln, Karneval feiern.« Also hatte ich im Internet nach einer Alternative gesucht. Mit den Begriffen »Restaurant« und »Nideggen« gelangte ich auf die Internetseite www.zum-ratskeller.de. Dort sind tatsächlich alle 143 Restaurants in Deutschland aufgeführt, die »Ratskeller« heißen. Ob in Dessau, Buxtehude, Bad Salzuflen oder Freudenstadt, man findet jedes Restaurant mit Namen »Ratskeller« nach Postleitzahlen geordnet. Aber wer, bitte schön, braucht so etwas? Man plant doch nicht eine Reise nach, sagen wir einmal, Bückeburg und schaut dann unter www.zum-ratskeller.de nach, ob es dort auch einen »Ratskeller« gibt. Nur zur Info, in Bückeburg gibt es tatsächlich einen Ratskeller. Im »Ratskeller« zu Nideggen waren wir die einzigen Gäste an diesem Mittag.
Wenn es sich bei der Wanderung an diesem Tag um ein Fußballspiel gehandelt hätte, hätte man Andreas zur Halbzeit auswechseln müssen. Die Füße taten ihm weh, und sein Baumwoll-T-Shirt war derart durchgeschwitzt, dass ihn schon im Restaurant fröstelte. Peter war entschieden dagegen, das T-Shirt von Andreas auf der Heizung trocknen zu lassen. Wir hatten ja das Essen noch vor uns. Wir beschlossen auch, keinen Umweg über den ortsansässigen Supermarkt zu machen, wo er sich ein neues T-Shirt hätte kaufen können. Also besorgte sich Andreas auf der Restaurant-Toilette |317| Papierhandtücher und stopfte sie sich unter das nasse T-Shirt.
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Holger vor dem Ratskeller in Nideggen
|317| Zur Rur zurück kam man nur auf einem steilen Weg den Berg hinunter. Der »Downhill-König« war Holger. Er flog förmlich, nutzte jede Abkürzung und war zwei Minuten vor Peter und mir, die gemächlich hinabstiegen, im Tal. Als Letzter kam Andreas. Er sah sehr mitgenommen aus, und die Papierhandtücher waren während des Abstiegs in Richtung Bauch gerutscht. Gelten Männer neuerdings eher als verweichlicht, ließ Andreas
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