Gesammelte Wanderabenteuer
sich nichts anmerken. Er war nicht aus dem weichen Holz des »neuen Mannes« geschnitzt. Er bluffte weiter: «Was ist Jungs, können wir endlich weitergehen?«
Wir kamen nach Abenden. Hier hätte man Schluss machen können. Das Dorf hat eine Kneipe zum Kartenspielen und eine Bahnstation. Aber nach Hausen waren es nur noch 4,5 Kilometer, und der Wanderweg sollte weitestgehend im Tal verlaufen. Das würden wir wohl noch schaffen!
In Hausen sahen wir, nahe der Bahnstation, schon von Weitem die Gaststätte »Haus Rurtal«. Dem Biathlon vergleichbar war das jetzt unser Schießstand, der Puls würde bald hinuntergehen, um mit sicherer Hand die Karten zu halten und die richtigen Entscheidungen für ein perfektes Spiel zu treffen. Peter und ich waren schon im Lokal angekommen, hatten Heißgetränke bestellt – es war doch recht kalt an diesem Tag –, als schließlich auch Andreas und sein Pfleger Holger kamen. »Wir sind stolz auf dich, Andreas«, sagte ich, als wir alle am Tisch saßen. »Stolz kann man nicht sagen, einfach froh, dass du noch dabei bist«, ergänzte Peter. Für ihn als alten Tibet-Wanderer hätten es an diesem Tag noch ein paar Kilometer mehr sein können. Doch wenn man |318| zu viert ist, muss man Kompromisse machen. In den nächsten vier Stunden spielten wir Karten, was niemanden störte, da wir die einzigen Gäste waren. In den meisten Kölner Gaststätten ist das Kartenspielen inzwischen nicht mehr gerne gesehen. Es stört wohl die Event-Gastronomie, vor allem, wenn die beteiligten Spieler anfangen, sich anzuschreien und gegenseitig Vorwürfe zu machen, was beim Doppelkopf schnell passieren kann. Als kurz nach 21 Uhr die letzte Bahn nach Düren fuhr, brachen wir auf.
Es war mein Tag gewesen. In zwei unterschiedlichen Spielrunden war ich jeweils Zweiter im Doppelkopf geworden und hatte die Wanderwertung zusammen mit Peter klar für mich entschieden. Im Weltcup des neuen, heute von uns spontan gegründeten Wadoko-Verbandes (angelehnt an das neue Mode-Zahlenrätsel Sudoku) hatte ich eindeutig die Führung übernommen.
Auf der Fahrt zurück nach Köln stellte ich mir die Frage, ob das nun ein typischer Männerausflug gewesen war. Zu den klassischen Männer-Bastionen gehören Studentenverbindungen, Männergesangsvereine, Fußballklubs, Männer-Kegelvereine, Karnevalsvereine. (Natürlich gibt es in den meisten Kölner Karnevalsvereinen auch eine Frau: das Funkenmariechen!) Was verbindet alle diese männerbündischen Zusammenschlüsse?
Es wird sehr viel Bier getrunken. Gut, das haben wir auch getan, vor allem während des Kartenspielens, aber nicht bis zur Besinnungslosigkeit (vergleiche hierzu Studentenverbindungen und Kegeltouren).
Es werden anzügliche Bemerkungen über Frauen im Besonderen und Allgemeinen gemacht. Davon war nicht die Spur zu verzeichnen. Null.
Wie es in Köln heißt: Man kennt sich, man hilft sich. Das Moment der Vetternwirtschaft ist sehr ausgeprägt innerhalb |319| von Männervereinigungen. Was bei uns vieren nicht ist, kann ja noch werden. Aber keiner von uns war bei Andreas versichert, keiner war Kunde bei Holgers Firma, und keiner gehörte zum erweiterten Abnehmerkreis von Peters Tibet-Büchern. Kein kölscher Klüngel, nirgendwo.
Ganz allgemein gesprochen: In Männervereinen genießt man die temporäre Abwesenheit von Frauen und lässt die Sau raus. Das war bei uns auch nicht der Fall gewesen. Obwohl: Wahrscheinlich ist es ein Klischee. Aber vielleicht wäre unser kleiner Wanderverein mit Frauenbeteiligung durch Nideggen mit all seinen süßen Geschäften mit den supertollen Auslagen nicht ganz so schnell hindurchgegangen. Aber das ist, wie gesagt, bestimmt ein ganz blödes Vorurteil. Vermutlich wäre der Tag nicht anders verlaufen, würden ein oder zwei Frauen zu den »Sportfreunden 86« gehören.
Aufführungslänge
19 Kilometer
Aufführungsdauer
6 Stunden und 2 Minuten mit einer 70-minütigen Pause
Programmheft
Erholungsgebiet Rureifel, 1:25.000
|320|
Hainich
|321| Vor fünf im Urwald
EIN EINAKTER
Personen
Lena
Meine Tochter
Nationalpark-Ranger
Pubertierendes Etwas mit Eltern
Schauplatz ist der Hainich in Thüringen, die Zeit April 2006.
Die Mitte ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Politisch pendelt man zwischen links und rechts, ein Platz im Mittelfeld einer Fußballtabelle ist fade – auf den ersten Plätzen und den letzten spielt die Musik. Und die großen nationalen Zeitungen geben Wettervorhersagen von West-, Ost-, Nord- und
Weitere Kostenlose Bücher